Der klingende Park – Tage der Industriekultur in Leipzig

Die Veranstaltungsreihe „Der klingende Park“ ist ein Teil der Industriekulturtage in Leipzig. Sie bietet eine Reise durch die Geschichte der Gartenbaukunst in Leipzig, angefangen mit den prächtigen privaten Bürgergärten, den ersten Botanischen Garten und den ersten kommunalen Landschaftspark Deutschlands über die modernen Ausstellungs- und Freizeitparks sowie Ausflugsstätten im Industriezeitalter bis hin zu den noch erhaltenen Parkanlagen jener Zeit, die als Gartenbau- und Kulturdenkmal heute einen besonderen Schutzstatus genießen. Die Parkerrichtung war über dem ein wichtiger Faktor des städtebaulichen Wandels im Zuge der Hochindustrialisierung und des Städtewachstums in Deutschland. Zur Zeit der Sächsisch-Thüringischen Industrie- und Gewerbeausstellung 1897 (STIGA) waren viele Leipziger Parkanlagen in ihrer Entstehung. Gut für Leipzig war es, dass die Stadtoberen 1899 eine Umsetzung öffentlicher Parkanlagen befürwortete und finanzielle Mittel dafür bereitstellte – dies kann heute als Ausdruck einer vorausschauenden und nachhaltigen Stadtentwicklung im Industriezeitalter gedeutet werden, denn diese Grünflächen dienten neben anderen wichtigen Aspekten auch zur Regeneration einer hart arbeitenden Bevölkerung. Hierzu zählen beispielsweise der Stünzer Park (1898) im Leipziger Osten, der Leipziger Palmengarten (1899) im Leipziger Westen, der Arthur-Bretschneider-Park (1900) im Leipziger Norden ebenso wie der Wilhelm-Külz-Park (1904) im Leipziger Süden und der an der Stelle des Ausstellungsparks der STIGA tretende König-Albert-Park (1904), der heutige Clara-Zetkin-Park, im Leipziger Zentrum. Sie alle dienen dem Wohl der Leipziger und ihrer Besucher, sei es zur Bildung, Erholung oder zum Vergnügen. Entsprechend lohnenswert ist ein Blick auf ihre Entstehungs- und Blütezeit, die verschiedenen Kunstformen, die diese Parks bereicherten (z.B. Architektur, Skulptur, Landschaftsgestaltung, Musik) – ganz zu schweigen von den Schicksalen einst untergegangener Oasen, die in alten Postkarten, Lithografien und Aufnahmen heute wieder lebendig werden. Unser Ziel ist es, die Vielfalt der Leipziger Park- und Gartenkultur zu beleuchten und mit dieser Veranstaltungsreihe möglichst viele Menschen zu erreichen. Wir sind davon überzeugt, dass ein besseres Verständnis der lokalen Kulturgeschichte zu einem bewussteren Umgang mit den Parkanlagen führen kann. Veranstaltungen 2024 Zu den 12. Tagen der Industriekultur in Zusammenarbeit mit dem Verein für Industriekultur Leipzig e.V. und einer Hommage an 125 Jahre Leipziger Palmengarten mit dem Historical Swing Dance Orchestra, Bühnenprogramm, Open-Air-Ausstellung, Stammtisch der Parkenthusiasten und Bücherverkauf. Wann? 08.09.2024, 14:00 – 19:00 UhrWo? Musikpavillon, Clara-Zetkin-Park, Anton-Bruckner-Allee 11, 04107 Leipzig **** Veranstaltungen 2023 Zu den 11. Tagen der Industriekultur in Zusammenarbeit mit dem Verein für Industriekultur Leipzig e.V. mit folgendem Thema: „Vom Ausstellungspark 1897 zum Leipziger Palmengarten 1899: Park- und Gartenkultur im Zeitalter der Industrialisierung“ Wann? 03.09.2023, 14:00 – 19:00 UhrWo? Musikpavillon, Clara-Zetkin-Park, Anton-Bruckner-Allee 11, 04107 LeipzigWie viele Gäste waren da? > 500 Gäste ****

Königlicher Musikdirektor Gustav Curth in Leipzig – Verdienste

Über die Biografie von Gustav Curth, einem Musiker, Kapellmeister und Komponisten aus Dresden, ist heute nur noch wenig bekannt. Er wurde 1861 in Dresden in eine Musikerfamilie hineingeboren. Obwohl die Gründe für seinen Umzug nach Leipzig unbekannt sind, wurde diese Stadt zu seiner Wahlheimat. Hier feierte er als selbstständiger (Königlicher) Musikdirektor und Varieté-Kapellmeister große Erfolge und war eng mit der hiesigen Künstlerszene verbunden. Gustav Curth galt unter den Varieté-Kapellmeistern als einer der besten Vertreter seines Fachs. Als Kapellmeister und Musikdirektor erlangte er international einen hervorragenden Ruf, nicht nur als Dirigent, sondern auch als Komponist und Arrangeur. Seine Verdienste führten dazu, dass er unter seinen Musikdirektoren-Kollegen hohes Ansehen genoss. Er bekleidete wichtige Funktionen wie den 2. Vorsitzenden des Deutschen Musikdirektoren-Verbandes, des Schriftführers oder andere und war Mitglied im Musik-Vorstand des Centraltheaters. Im Jahr 1937 verstarb er in Borsdorf im Alter von 76 Jahren. Curth komponierte und arrangierte Militär- und Orchestermusik, Kantaten und Charakterstücke sowie humoristische Szenen für Singstimmen und Klavier. Bisher bekannte Stücke sind „Gnomenspiele“, „Die Welt, sie will betrogen sein“, „Vorüber ist so manches Jahr“, „Der Humorist“, „Der Zeitgeist“, „Geld gibt’s am Ersten immerdar“, „In Treue fest!“, „Die Komiker klagen oft“, „Teddy geht spazieren“, „Engländer und Bure“, „Es war ein Knabe gezogen“, „Im König-Albert-Park“, „Praeludium Marsch“, „Concordia Marsch“, „Litilet Marsch“, „Jubiläums-Festmarsch“, „Festmarsch der vereinigten Militärvereine Leipzigs“ und der „Regimentsparademarsch der 133er Landwehr“. Die „Curthsche Kapelle“ ist eng mit der Leipziger Musikgeschichte im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert verbunden, da ein Bericht zu seinem 25-jährigen Jubiläum als selbstständiger Musikdirektor darauf hindeutet, dass sein Orchester als das älteste Zivilorchester der Stadt wahrgenommen wurde. Die derzeit nachgewiesenen Spielorte der „Curthschen Kapelle“ – ehemals „Leipziger (Curthsches) Konzert-Orchester“, später „Curth-Fix-Orchester“, „Gustav-Curth-Blasorchester“ und „Gustav-Curth-Orchester“ – in Leipzig: Zoologischer Garten, Kuchengarten, Bonorand, Felsenkeller, Schlosskeller, Eiskeller-Park, Alter Gasthof Leutzsch/ Wahren, Hotel Stadt Nürnberg, Sanssouci, Hotel de Pologne, Theater-Terrasse, Drei Linden, Drei Lilien, Kaiser Fiedrich, Burgaue, Schillerschlösschen, Waldmeister, Panorama, Wintergarten, Großer Festsaal Neues Rathaus, Balkon Altes Rathaus, Völkerschlachtdenkmal, Palmengarten, Musikpavillon im König-Albert-Park, Rennbahn im Scheibenholz, Tivoli, Battenberg, Centralhalle, Centraltheater, Leipziger Schauspielhaus, Schützenhaus, Neues Schützenhaus, Schützenhof, Krystallpalast, Alberthalle, Albertgarten, Deutsches Buchhändlerhaus, Marktplatz, 10. Deutsches Bundesschießen 1890, Sächsisch-Thüringische Industrie- und Gewerbeausstellung 1897 (STIGA), Mitteldeutsches Bundesschießen 1911, Internationale Baufach-Ausstellung 1913 (IBA), Internationale Ausstellung für Buchgewerbe und Grafik 1914 (BUGRA). Gustav Curth’s Verdienste (nachgewiesene Quellen u.a. aus dem Leipziger Tageblatt) Krystall-Palast. Allabendlich ist das Sommer-Varieté sehr zahlreich besucht und das derzeitige vorzügliche Künstler- Ensemble versteht es vortrefflich, die zahlreichen Besucher zu unterhalten. In Anbetracht seiner großen Verdienste um das Gelingen des Ganzen hat die Direktion dem Leiter der Theater-Capelle, Herrn Musikdirektor Gustav Curth, welcher nun seit einem Jahre den musikalischen Theil der Vorstellungen in zufriedenstellendster Weise leitet, eine Jahresbenefiz-Vorstellung bewilligt, und findet dieselbe, verbunden mit Doppelconcert u.s.w. am Montag, den 13. Juli, statt. [1] Krystall-Palast. Das seit mehreren Tagen angekündigte Jahres-Benefiz für den verdienstvollen Capellmeister Herrn Gustav Curth findet heute, Montag, im Sommer-Varieté statt. Die materiellen und künstlerischen Erfolge, welche das nun ständige Varieté-Theater im Krystall-Palast bisher zu verzeichnen hatte, sind zum großen Theil auch ein Verdienst des strebsamen Dirigenten der Theatercapelle, Herrn Curth, welcher stets mit unermüdlichem Fleiß die zahlreichen Proben leitete und durch peinliche Gewissenhaftigkeit jeder einzelnen Vorstellung zu vollem Erfolge verhilft. Wir sind überzeugt, daß es nur dieses Hinweises bedarf, um dem beliebten Capellmeister für heute ein volles Haus zu sichern. Verbunden mit dieser Benefiz-Vorstellung ist ein Doppel-Concert, gleichzeitig tritt der unverwüstliche Clown Charles Jigg mit seiner großartig dressirten Thiergruppe heute Montag zum letzten Male auf. [2] Das Jahres-Benefiz für den beliebten Capellmeister Herrn Gustav Curth, welches sich eines sehr zahlreichen Besuches erfreute, gestaltete sich zu einem Ehrenabend für denselben und wurde der Benefiziant durch Blumen- und Kranzspenden, sowie auch durch sonstige Ovationen ausgezeichnet. – heute verabschiedet sich das gegenwärtige beliebte Künstler-Personal. – Morgen tritt das neu engagirte Specialitäten-Ensemble zum ersten Male auf. Die vierte Familien-Vorstellung findet nächsten Freitag statt. [3] Kirchliche Nachrichten. Am 17. Sonntag nach Trinitatis wurden aufgeboten: Thomaskirche. […] 4) H. A. Fix, Kapellmeister in St. Blasien, mit P. M. Curth, Musikdirektors hier Tochter […] [4] Jubiläums-Ehrenabend für Kapellmeister Curth. Morgen Freitag, abends 8 Uhr, findet im Kristallpalast-Theater anläßlich seines 25-jährigen Dirigentenjubiläums ein Ehrenabend ohne Tabakrauch für den Kapellmeister Gustav Curth statt. Curth nimmt unter den Varieté-Kapellmeistern wohl mit den ersten Rang ein und gilt allgemein als einer der besten Vertreter seines Faches. Die bedeutendsten internationalen Künstler, welche in dem jeweiligen Dirigenten eine fast unerläßliche Stütze für ihre Darbietungen suchen, haben diese in Gustav Curth stets gefunden, und die große Zahl der internationalen Stars haben Curths Namen als Varietédirigent in allen Weltgegenden auf das beste bekannt gemacht. Möge ihm der morgige Abend, welcher gewiß reich an Ehrungen sein dürfte, durch ein volles Haus die Sympathie aller derer, welche Curth als Künstler und Mensch achten und schätzen, zum Ausdruck bringen. [5] Ehrenabend für Kapellmeister Gustav Curth im Kristallpalast-Varieté. Zur Feier seines 25-jährigen Dirigentenjubiläums hatte Kapellmeister Gustav Curth im Kristallpalast-Varieté gestern einen Ehrenabend, der ihm der Ehren viele brachte. Zeigte schon äußerlich das volle Haus die herzlichen Sympathien, die man dem bewährten Jubilar am Dirigentenpult in der Leipziger Bürgerschaft entgegenbringt, so waren die übrigen Auszeichnungen erst recht der vollgültige Beweis, daß man Gustav Curth schätzt und liebt. Sein Stuhl und Pult waren festlich bekränzt, und mit einem Tusch empfing die Kapelle ihren Dirigenten zu Beginn der Vorstellung. Gegen Ende des ersten Teils, während die wohlbekannten Klänge des Curthschen Jubiläums-Festmarsches erklangen, verwandelte sich die Bühne in einen wahren Lorbeer- und Blumenhain, und auf langer Tafel waren die Ehrengaben aufgebaut. Der Humorist des jetzigen Programms, Herr Nesemann, hatte die Aufgabe, namens der Direktion der Kristallpalast- Aktiengesellschaft, namens der Kapelle, der jetzt auftretenden Artisten usw. dem Jubilar die Glückwünsche auszusprechen und die Ehrengaben, gewaltige Lorbeerkränze, von der Kapelle einen silbernen Lorbeerkranz auf blauem Samtkissen, von den Artisten ein Spazierstock mit silbernem Griff usw., zu überreichen. Es war eine schöne und eindrucksvolle Ehrung, die Gustav Curth hier zuteil wurde, und sie war wohlverdient dem Künstler wie dem Menschen. [6] Ministerium des Innern. Se. Majestät der König hat noch folgende Auszeichnungen verliehen: […] und dem Musikdirektor Curth in Leipzig und dem Musiklehrer … Weiterlesen

Gespräch mit Experten – Sebastian Ringel zum Wandel der Vorstädte

Sebastian Ringel ist ein erfahrener Stadtführer und Autor. Nachdem er sich bereits den verlorenen Häusern der Leipziger Innenstadt gewidmet hat, richtet er nun den Blick auf ein mehr als zehn Quadratkilometer großes Areal zwischen der Innenstadt und den eingemeindeten Dörfern – das so genannte Alt-Leipzig. In seinem neuesten Buch beschreibt er verlorene und identitätsstiftende Orte der Leipziger Vorstädte, die im Laufe der Zeit verschwanden und schafft damit ein Kompendium der ehemaligen Gartenanlagen, Ausfluglokale und Kulturstätten, aber auch ganzer Landschaften mit Seen und Flussläufen. Herr Ringel, Ihr neues Buch beschäftigt sich mit der Entwicklung der historischen Leipziger Vorstädte und behandelt 300 verlorene Orte. Was hat Sie dazu inspiriert, sich mit diesem speziellen Thema auseinanderzusetzen? Nachdem ich bereits die Innenstadt durchforstet habe, war das nächstliegende Thema, die daran anschließenden Vorstädte. Interessant erschienen mir aber auch die landschaftlichen Veränderungen in diesem zentralen Bereich der Stadt – die Überbauung der Bürgergärten, die Umgestaltung des Binnendeltas und die Urbarmachung der Grünflächen. Die Vorstädte von Leipzig haben im Laufe der Zeit erhebliche Veränderungen durchgemacht. Welche stadtplanerischen Zielsetzungen und Motive des Verschwindens haben Sie während Ihrer Recherchen identifiziert? Bis in die 1830er Jahre hinein war Leipzig eine überaus übersichtliche Kleinstadt, die sich bis dato kaum ausgedehnt hatte. Dies galt allerdings für fast alle heutigen Großstädte in jener Zeit. Erst mit der Abschaffung des Torgroschens und der wenige später erfolgten rechtlichen Gleichstellung der Vorstadtbewohner änderten sich die Verhältnisse und zwar grundlegend. Denn von nun an zog die Einwohner nicht mehr wie in den Jahrhunderten zuvor in die Innenstadt, sondern sie drängten aus dieser heraus, da sie sowohl ihre Schutzfunktion als auch ihre rechtliche Vorrangstellung verloren hatte. Zugleich boten die nun entstehenden neuen Vorstädte jede Menge Raum und damit auch Komfort. Zunächst wurden für deren Anlage die Acker- und Wiesenflächen genutzt. Das Areal der alten Vorstädte geriet jedoch ab den 1860er Jahren zunehmend in den Fokus der Investoren, da diese nun im zentralen Bereich der Stadt lagen. Als besonders lukrativ galten die Grundstücke am Ring, der auf Grund seiner Breite dem Repräsentationsbedürfnis der neu gegründeten Versicherungsgesellschaften, Großbanken oder Luxushotel entsprach. Bereits vor dem Ersten Weltkrieg waren die allermeisten der hier stehenden Altbauten ersetzt worden. Viele der an selber Stelle errichteten Neubauten wurden dann während des Zweiten Weltkriegs zerstört. In Ihrem Buch sprechen Sie von „verlorenen Orten“ in den Leipziger Vorstädten. Könnten Sie einige dieser Orte hervorheben und uns erzählen, welche Bedeutung sie in der Geschichte Leipzigs hatten? Zwar wurden bis ins frühe 19. Jahrhundert oft nur einfache Bauten in den Vorstädten errichtet, nichtsdestotrotz existierten auch in der älteren Geschichte wichtige Gebäude hier. Dazu zählen beispielsweise die Mühlen der Stadt oder die Wasserkunst, die einen wesentlichen Teil der Infrastruktur der Stadt abbildeten. Aber auch die Hospitäler gehören dazu und nicht zuletzt die Johanniskirche, das über lange Zeit einzige Gotteshaus außerhalb der Mauern. Im 19. Jahrhundert entstanden dann aber auch diverse Kulturstätten, wie das Neue Theater, der Krystallpalast oder das Centraltheater viele große öffentliche Bauten, wie die Hauptpost oder das Buchhändlerhaus, die allerdings alle während des Zweiten Weltkriegs zerstört wurden. Das Buch enthält auch umfangreiches Kartenmaterial, um die Entwicklung der Vorstädte zu veranschaulichen. Wie haben Sie diese Karten ausgewählt, und welche Erkenntnisse können Leser aus dieser visuellen Darstellung ziehen? Ausgangspunkt ist das Jahr 1860. Die Karten habe ich extra für dieses Buch angelegt. Sie zeigen die Veränderungen im Stadtbild in sechs verschiedenen Abschnitten auf, so dass ein guter Vergleich zwischen den einzelnen Zeitabschnitten möglich und die Entwicklung der Vorstädte nachvollziehbar ist. Sie halten Vorträge zu diesem Thema. Wie behandeln Sie die Geschichte der Leipziger Vorstädte der letzten 160 Jahre? Welche Schlüsselmomente haben Ihrer Meinung nach die größten Auswirkungen auf die Entwicklung gehabt? Zum einen geht es mir darum nicht mehr vorhandenen Gebäude aus der Leipziger Vergangenheit vorzustellen, ich versuche aber auch die Entwicklung der Stadt, anhand der gewählten Beispiele nachzuzeichnen. Die Sächsische Revolution von 1830/31 ist dabei sicherlich der entscheidendste Wendepunkt in der Stadtgeschichte, wobei das heutige Stadtbild in Folge auch durch andere Ereignisse geprägt wurde, wie den Zweiten Weltkrieg oder die Hinwendung zur sozialistischen Moderne Sie verwenden historische Fotografien und aktuelle Aufnahmen, um die Entwicklung der Vorstädte zu veranschaulichen. Welche besonderen Geschichten oder Ereignisse werden Sie in Ihrem Vortrag hervorheben, um den Zuhörern einen Einblick in die faszinierende Geschichte dieses Gebiets zu bieten? Ich muss zugeben, dass ich recht spontan bin, wenn es um das Erzählen kleinerer Episoden oder Ereignisse geht. Es kommt auch immer darauf an um was für eine Art von Vortrag es sich handelt. Meist versuche ich auf die Bauten oder Ereignisse einzugehen, die in direkter Umgebung zum jeweiligen Veranstaltungsort liegen oder die thematisch passen. Die Umgestaltung der Leipziger Vorstädte hat sowohl Gebäude als auch ganze Landschaften betroffen. Für Sie als Stadtführer und Autor, welche Erkenntnis haben Sie aus Ihrer Arbeit gewinnen können? Besonders bemerkenswert finde ich mit welchem Aufwand das Flusssystem umgestaltet wurde. Ebenso erstaunlich ist, das alle alten Bürgergärten Alt-Leipzigs bereits im frühen 20. Jahrhundert komplett überbaut worden sind. Anderseits ist Leipzig heute eine Stadt in der, insbesondere westlich des Stadtkerns, noch große naturbelassene Räume existieren, also nicht nur Parkanlagen, sondern auch Wald- und Auwaldflächen. Dies allerdings ist nicht zuletzt der Tatsache zu verdanken, dass Leipzig nach 1930 über sieben Jahrzehnte nicht mehr gewachsen ist. Mehr erfahren Sie in meinem Buch, in Vorträgen oder während meinen Stadtführungen. Aktuelles: www.sebastian-ringel.de

Hausarbeit zur Wohltätigkeit am Beispiel Hermann Julius Meyer

Patrick Schoppa widmet sich in seiner Hausarbeit der Leipziger Stiftungsgesellschaft im 19. Jahrhundert am Beispiel von Hermann Julius Meyer, denn obwohl Meyer einer der prominentesten Stifter seiner Zeit war, sind seine persönlichen Motive noch weitestgehend unbekannt geblieben. Die Arbeit untersucht die Motive für sein bürgerliches Handeln und nutzt dazu verschiedene Quellen historischer Werke und der Primärliteratur, um Meyers Persönlichkeit und Beweggründe zu erforschen. Ebenfalls werden die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen für wohltätiges Handeln im 19. Jahrhundert im Allgemeinen und die spezifischen Umstände in Leipzig analysiert. Die Arbeit betont aber auch, dass noch weitere interdisziplinäre Untersuchungen notwendig sind, um Meyers Motive besser zu verstehen. 1 Inhaltsverzeichnis 2       Einleitung. 1 3       Bürgerliche Wohltätigkeit im 19. Jahrhundert. 3 3.1        Gesetzlicher Rahmen. 3 3.2        Welche Motivation gab es für Wohltätigkeit?. 5 4       Sozialer Wohnungsbau in Leipzig. 9 5       Hermann Julius Meyer. 12 5.1        Erziehung/Familie/Persönlichkeit. 12 5.2        Meyer im Kontext seiner Zeit. 14 5.3        Politische Ausrichtung. 19 6       Fazit. 20 7       Literaturverzeichnis. 22 8       Quellenverzeichnis. 24 9       Selbständigkeitserklärung. 25 2 Einleitung Das 19. Jahrhundert war geprägt von gesellschaftlichen Umbrüchen, Demokratisierungswellen, Kriegen, Restauration, Repressionen und dem Aufkommen einer politischen Öffentlichkeit. Besonders aber wurde das 19. Jahrhundert geprägt von einer nach Einfluss strebenden Gesellschaftsschicht: dem Bürgertum. Dass es kein geeinigtes Bürgertum gab, zeigt die Forschung [1] und der Begriff soll auch nicht Gegenstand dieser Arbeit sein. Wohl aber soll ein Aspekt der bürgerlichen Gesellschaft des 19. Jahrhunderts in Leipzig genauer untersucht werden, und zwar das Stiftungswesen. Im konkreten Fall der vorliegenden Arbeit lautet die Forschungsfrage: Das städtische Stiftungswesen am Beispiel von Hermann Julius Meyer. Welche Motive hatte er und wie lassen sie sich einordnen? Als Standardwerke für das Finden des Themas und Formulieren der Forschungsfrage dienten die 2018 erschienene Geschichte der Stadt Leipzig. Von den Anfängen bis zur Gegenwart von Susanne Schötz und das 2015 erschienene Gemeinschaftswerk von Thomas Adam, Stefan W. Krieg, Sächsisches Wirtschaftsarchiv e.V.: Max Pommer. Architekt und Betonpionier. Diese beiden Werke geben einen guten Einblick in die Gesellschaft Leipzigs im späten 19. Jahrhundert und vor allem viele Informationen zur Stiftung für die Erbauung günstiger Wohnungen, dessen Gründungshintergründe und Motivation des Stifters Hermann Julius Meyer im Nachfolgenden behandelt werden soll. Ferner steht die Erforschung von Wohnstiften allgemein und in Leipzig noch am Anfang, was durch die Arbeiten von Thomas Adam und die Studie von Karina Lau Das bürgerliche Leipziger Stiftungswesen im 19. Jahrhundert (2015) gezeigt werden soll. Die konkrete Frage nach der Motivation Hermann Julius Meyers, einen Wohnstift zu gründen, wurde nicht ausreichend in der Forschung behandelt. Zwar ist die Stiftung zur Erbauung billiger Wohnungen [2] Gegenstand der Stiftungsforschung [3], jedoch wird die Absicht bzw. das Motiv von H.J. Meyer wenig diskutiert. Thomas Adam arbeitet in seinem Aufsatz Stadtbürgerliche Stiftungskultur und die Ausformung sozialer Distinktionen in amerikanischen, deutschen und kanadischen Städten des 19. Jahrhunderts die Motivation Meyers heraus [4], jedoch sehr rudimentär und einseitig. Im Folgenden wird der Leser und die Leserin feststellen, dass es durchaus Kontroversen in der Stiftungsforschung gibt. [5] Aufgrund der fehlenden Präsenz Hermann Julius Meyers in der derzeitigen Geschichtsforschung hat sich der Verfasser mit Primärliteratur, wie  die zweibändige Aufsatzsammlung Die Wohnungsnoth der ärmeren Klassen und Vorschläge zu deren Verbesserung des Vereins für Socialpolitik aus dem Jahre 1886 beschäftigt. Diese zwei Bände sind eine Momentaufnahme der Wohnungsnot in deutschen Großstädten, sowie zeitgenössische Vorschläge zu deren Verbesserung. Das Werk bietet sehr viele Inhalte bezüglich bürgerlicher Wohltätigkeit und  Weltanschauung, was auch unmittelbar mit H.J. Meyer in Verbindung steht. Um sich jedoch der Geisteswelt und eventuellen Motiven Meyers annähern zu können, waren persönliche Schriftzeugnisse erforderlich. Die folgende Arbeit basiert daher auf Quellen aus dem geografischen Archiv des Leibnizinstituts und vor allem aus dem Sächsischen Wirtschaftsarchiv e.V., wo die Stiftung Meyer`sche Häuser ihre Akten archiviert hat. Die vorliegende Arbeit ist so gegliedert, dass von der Makro- in die Mikroebene die Frage nach der Motivation Meyers durchdrungen werden soll. Im konkreten Beispiel werden die bürgerliche Weltanschauung und die Rahmenbedingungen für Wohltätigkeit untersucht. Da von renommierten Historiker/innen bereits eine umfangreiche Analyse bezüglich wohltätiger Motive im 19. Jahrhundert besteht, werden diese im Kapitel 3 zusammengefasst und im Anschluss die Leipziger Situation dargestellt. Im letzten Teil wird versucht, anhand der verwendeten Literatur und Quellen ein Profil von Hermann Julius Meyer zu erstellen und daraus Motive für sein Handeln abgeleitet. Im Fazit wird nochmal die Forschungsarbeit von anderen Historiker/innen zusammengefasst, die eigenen Erkenntnisse zu Meyers Motiven dargestellt und einen Ausblick auf zukünftige Forschungsarbeit gewährt bzw. die Forschungslücken aufgezeigt. 3 Bürgerliche Wohltätigkeit im 19. Jahrhundert In der Forschung werden mittlerweile Begriffe wie Mäzenatentum und Philanthropie voneinander unterschieden. [6] Für diese Arbeit ist es wichtig, dass sich der Verfasser mit sozialer Philanthropie befasst und sich von dem Begriff des Mäzenatentums abgrenzt. Bezüglich der vorangegangenen Begrifflichkeiten aber auch der Gesellschaftsforschung zu Leipzig im 19. Jahrhundert bezieht sich der Verfasser dieser Arbeit zu großen Teilen auf die Arbeiten von Thomas Adam, der sich ausgiebig mit bürgerlicher Wohltätigkeit – sowohl in Europa als auch in Amerika – auseinandergesetzt hat. Ferner gibt es eine Studie zu stadtbürgerlicher Stiftungskultur in Leipzig von Karina Lau, die Adam rezipiert aber einige Aussagen widerlegt. 3.1 Gesetzlicher Rahmen Wohltätiges Handeln und vor allem Stiften hat in den privilegierten Gesellschaftsschichten lange Tradition. Während im Mittelalter und der frühen Neuzeit für das eigene Seelenheil gestiftet wurde, lassen sich für das 19. Jahrhundert differenziertere Absichten ausmachen. Auch die Armenfürsorge war vor der Reformation hauptsächlich kirchlich organisiert und nach Säkularisierung ist sie fortschreitend in den kommunalen und privaten Verantwortungsbereich übergegangen. Im Folgenden wird kommunale Wohlfahrtspraxis betrachtet, da der Verfasser der Meinung ist, dass die private Armenfürsorge und die Motivation dafür mit der kommunalen Entwicklung in Leipzig im Zusammenhang stehen. Die öffentliche Armenpflege in Leipzig lag zwischen 1804 und 1880 in der Hand „patriotischer Männer“. [7] So wurde im Jahre 1803 ein Armendirektorium gegründet, welches ein unabhängiges Kolloquium von Ratsmitgliedern war und eigenständig agieren konnte. [8] Damit geriet die Armenfürsorge in bürgerlich/ständische Hand. Dieses Direktorium erhob wohltätige Spenden zur Bürgerpflicht und verhängte, ohne rechtliche Grundlage, Bußgelder bei Nichtzahlung ohne triftigen Grund. [9] Die Zeit des Vormärz sorgte dafür, dass die Monarchie der Bevölkerung Zugeständnisse machen musste.  Ein weiterer Schritt in Richtung … Weiterlesen

Gespräch mit Experten – Dr. Sacha Szabo zu den Luna-Parks

Dr. Sacha Szabo, Popsoziologe am Institut für Theoriekultur in Freiburg, ist seit langem anerkannter Unterhaltungswissenschaftler. Er promovierte mit einer Arbeit über Jahrmarktsattraktionen und hat seitdem mehrere Publikationen zu anderen Vergnügungswelten veröffentlicht. Er ist einer der führenden Forscher über Festkultur in Deutschland, das ihn zu einem gefragten Experten für Funk und Fernsehen und andere Medien gemacht hat. Herr Szabo, Sie beschäftigen sich mit der Geschichte der Luna Parks. Wie kamen Sie dazu und was hat Sie dazu bewogen, ein Buch darüber zu schreiben? Mein Interesse an den alten Luna Parks entstand durch meine Dissertation als ich mich mit den verschiedenen Festplätzen beschäftigte und bei meiner Recherche auf eine Reihe alter Ansichtskarten von deutschen Luna Parks stieß. Daraus entstand 2008 in Zusammenarbeit mit Claudia Puttkammer ein erstes kleines Büchlein. Unser Interesse galt dabei in erster Linie gar nicht so sehr der Geschichte der einzelnen Parks, die für einige Parks in verschiedenen Monographien bereits aufgearbeitet wurde, wie etwa der schönen Broschüre von dem Bürgerverein Möckern/ Wahren. Wir wollten vielmehr diese untergegangene Vergnügungskultur als Gesamtphänomen abbilden und zeigen, dass die vielen einzelnen Parks Teile einer Gesamtkultur waren. Aus diesem kleinen Buch entwickelte sich dann über die Jahre der große Bildband, der 2018 erschien. Welche Erkenntnisse haben Sie beim Schreiben Ihres Buchs gewinnen können? Es ist eine untergegangene verschwundene und fast vergessene Vergnügungswelt, die einerseits eine europäische Parkkultur mit den aus den USA stammenden Vergnügungsvierteln wie Coney Island verband, und zugleich Impulsgeber für die nach Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts entstehenden Freizeitparks wurde. Es zeigt aber auch, wie schnelllebig moderne Massenkultur sein kann, die in dem einen Moment omnipräsent scheint und bereits im nächsten fast spurlos verschwunden ist. Welche Idee stand hinter dem ersten Luna Park und wie hat sich das Konzept im Laufe der Zeit entwickelt? Ein Impulsgeber der deutschen Luna Parks ist Coney Island, ein New York vorgelagertes und bis heute bestehendes Vergnügungsviertel. Ab Ende des neunzehnten Jahrhunderts siedelten sich dort die ersten Vergnügungsparks an. Das Besondere war, dass zeitweilig mehrere Parks nebeneinander existierten und sich durch die gegenseitige Konkurrenz überboten. Dies setzte eine Kettenreaktion des Vergnügens in Gang, so dass dieser Ort zum Nukleus moderner Vergnügungskultur wurde. Aber Coney Island war nur ein Einfluss, ein weiterer ist in der europäischen Parkkultur zu finden, da viele der adligen Lustgärten im Beginn der Neuzeit nicht mehr nur ein exklusives adliges Vergnügen waren, sondern auch für das „gemeine“ Volk geöffnet wurden. Dies wird in den Luna Parks insofern sichtbar, als dass die Attraktionen nicht so dichtgedrängt wie auf Coney Island angeordnet waren, sondern großzügiger mit dem verfügbaren Raum umgegangen wurde. Welche Rolle spielten die Luna Parks im Stadtbild und haben sich diese Standorte im Laufe der Zeit verändert? Die Luna Parks entstanden häufig aus größeren Ausflugslokalen mit eigenen Parkanlagen, die am Stadtrand angesiedelt waren. Diese erweiterten nach und nach ihr Angebot um technische Attraktionen, wie etwa eine Berg- und Talbahn, also eine Art Holzachterbahn, die zudem noch in eine Kulisse integriert war. Der Höhepunkt dieser Vergnügungsorte war im ersten Viertel des zwanzigsten Jahrhunderts, wobei bereits der Erste Weltkrieg eine Zäsur war und die Weltwirtschaftskrise für viele Parks, die zudem auch unter der Konkurrenz der boomenden städtischen Angebote litten, das Aus bedeutete. Geblieben ist von den Parks wenig, manchmal ein Straßenschild, manchmal noch Gebäude wie in Leipzig, manchmal auch nur die Erinnerung und eine große Zahl Ansichtskarten. Welche Bedeutung hatten die Luna Parks für die Gesellschaft? Die Luna Parks waren eine Gegenwelt in der der Alltag nicht nur verdrängt, sondern vergessen werden konnte. Spannend ist dabei, dass die Gestaltung häufig mit einer idealisierten Naturidylle spielte, als ein Gegenentwurf zur urbanen und industrialisierten Moderne. Aber das, was wir heute mit einem Ausflug in die Natur verbinden, also Entschleunigung, Stille und Kontemplation, nicht realisierte, sondern im Gegenteil, die Luna Parks waren ein rauschhaftes Abenteuerland. Viele Vergnügungsangebote, die später ein Teil der städtischen Unterhaltungsbranche waren, wurden hier häufig erstmals einem breiten Publikum dauerhaft präsentiert. Aber das Abenteuer bezog sich nicht allein nur auf die technischen Attraktionen, es war auch ein Ort amouröser Abenteuer. Denn die Parks boten viele gute Möglichkeiten jemanden, etwa beim Tanz kennen zu lernen und dann eine aufregende gemeinsame Zeit zu verbringen. Was unterscheidet die Luna Parks von den heutigen Kleinmessen? Die Unterhaltungsangebote! In allen Parks war das gastronomische Angebot deutlich größer als auf einer Kirmes. Gastronomie bedeutet dabei nicht Verpflegungsstände, sondern vor allem Vergnügungsorte. Speisesäle, Tanzsäle und Ballsäle bildeten die Zentren und die Attraktionen ergänzten dieses Angebot, oder intensivierten es vielmehr. So dass man, nachdem man sich beim Tanzen kennengelernt hat, die aufkommenden Gefühle bei der Fahrt auf der Berg- und Talbahn intensivieren und diese dann den Blicken entzogen in der Zweisamkeit einer nächtlichen Bootsfahrt vertiefen konnte. Welche Erkenntnisse haben Sie über die Luna-Parks, die es in Leipzig gab? Es gab in Leipzig drei Parks. Neben dem großen in Leipzig-Wahren, noch die Parks in Meusdorf und Böhlitz-Ehrenberg. Letzterer wirkt auf den alten Ansichtskarten mehr wie eine Großgastronomie mit verschiedenen Tanzsälen. Der Park in Meusdorf entwickelte sich aus einem Ausflugslokal, das im Rahmen des Jubiläums der Völkerschlacht großen Zuspruch erhielt, zwar wurde auch dieser Park um einige Attraktionen wie etwa einem Diorama und vor allem einem Aussichtsturm erweitert, aber insgesamt wirkt dieser Park im Vergleich mit dem Park in Leipzig Wahren, eher wie eine Erlebnisgastronomie. Von den Parks ragt für mich der Park in Leipzig-Wahren auf eine besondere Art heraus. Nicht allein wegen seiner Attraktionen, die es vergleichbar auch in anderen Parks gab, sondern weil er an diesem riesigen See angelegt wurde und mit diesem auch selbstbewusst warb. An diesem See zeigte sich eine Badekultur, zumal dieser bereits Heimat von Sport- und Schwimmvereinen war, die auf den Abbildungen der anderen Parks so nicht sichtbar wird und an die Seebäder in Blackpool und natürlich auch auf Coney Island erinnert. Badespaß als Vergnügungsangebot, Schwimmen als Attraktion, das ist, was für mich den Leipziger Park in Wahren im Vergleich zu den anderen Luna Parks auszeichnet. Er wirkt in der Rückschau wie ein früher Urahn der heutigen Badewelten und Erlebnisbäder. Mehr Informationen erfahren Sie in meinem Buch. Aktuelles: www.sacha-szabo.de, www.institut-theoriekultur.de

Gespräch mit Experten – Michael Liebmann zum Brandvorwerk

Michael Liebmann hat mit seinen Recherchen über das Leipziger Brandvorwerk die Geschichte eines nahezu vergessenen Ortes wieder zum Leben erweckt und ein gut lesbares Buch geschrieben, das auf Grundlage akribischer Archivrecherche qualitative Maßstäbe zur Erforschung der Stadtgeschichte setzt. Dabei stellte er unter anderem heraus, wie die Besitzer des Vorwerks über die Jahrhunderte hinweg mit den Rechten und Privilegien jonglierten, wie der Ort mit der Siedlungsgeschichte und den Calvinistensturm in Leipzig verknüpft ist. Er verdeutlicht anschaulich, welchen Anteil das Brandvorwerk für die Entwicklung der heutigen Südvorstadt hatte. Empfehlenswert nicht nur für Geschichtsinteressierte, sondern für alle, die die Vergangenheit anhand historischer Quellen aus einer anderen Perspektive entdecken wollen. Herr Liebmann, Sie haben sich mit der Geschichte des Brandvorwerks in Leipzig beschäftigt und ein Buch geschrieben. Wie kamen Sie dazu, was hat Sie dazu bewogen, zur Lokalgeschichte zu forschen? Von Hause aus bin ich Gymnasiallehrer für Geschichte, Politik und Deutsch, arbeite aber seit nunmehr 15 Jahren als freier Autor, schreibe Fachartikel und Sachbücher und arbeite aktiv im Bürgerverein Pro Leipzig e.V. mit. In meinen Texten geht es meist um die Vorgeschichte nach Leipzig eingemeindeter Orte. Meiner Meinung nach lag das Hauptaugenmerk der Geschichtswissenschaft früher etwas zu sehr auf Alt-Leipzig. Dies ist natürlich nachvollziehbar und generiert auch eine größere Leserschaft. Aber die Historie der im 19. und 20. Jahrhundert angeschlossenen Gemeinden kam mir da zu kurz, steht erst seit den Forschungen zur vierbändigen Stadtgeschichte um 2015 mehr im Fokus. Das begrüße ich sehr, denn was gibt es Spannenderes, als den Kontrast von Stadt und Dorf zu beschreiben und die komplexen Stadt-Vorort-Beziehungen zu erforschen? Jemand, der in Böhlitz-Ehrenberg wohnt, hat doch ein ganz anderes Leipzig-Bild als ein Innenstädter. Die Leipziger Identität ist doch die Summe der Erfahrungen aller Bürgerinnen und Bürger – ob sie im Zentrum wohnen oder in der Peripherie. Das ist es, was mich interessiert. Der Marktplatz dagegen ist schon tausendmal beschrieben und bebildert. Ihr Buch widmet sich dem Brandvorwerk und den Anfängen der Leipziger Südvorstadt. Könnten Sie uns einen Einblick in die Entstehungsgeschichte geben und erklären, was Sie dazu inspiriert hat? Als ich 2008 nach vier Jahrzehnten Abwesenheit in meine Geburtsstadt Leipzig zurückzog, verschlug es mich in die Südvorstadt. Und weil ich den inneren Drang habe, von jedem Ort, an dem ich mich länger als eine Stunde aufhalte, auch die Historie zu erkunden, war es natürlich ganz selbstverständlich, mich auch mit meinem direkten Wohnumfeld zu beschäftigen. Da kam ich dann auch an einem Schild mit dem Namen „Brandvorwerkstraße“ nicht vorbei. Eine Straße, die nach einem Vorwerk benannt ist? Das klang interessant. Darüber wollte ich mehr erfahren. Aber die Suche nach Informationen in der einschlägigen Literatur enttäuschte: Das Brandvorwerk kam nirgends vor oder wurde nur in knappen Fußnoten abgetan. Ich habe mich damals dort sogar einen Samstag-Nachmittag an eine Straßenecke gestellt und über 60 Passanten gefragt, was es mit diesem Vorwerk auf sich hat. Nur einer konnte mir grob eine Antwort geben. Da dachte ich: Okay, muss ich das eben selber machen. Das Brandvorwerk ist vielen Menschen heute weniger bekannt. Könnten Sie uns kurz erläutern, warum der Ort in der Geschichte Leipzigs eine bedeutende Rolle spielte? Gab es mehrere dieser Orte? Im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit nannte man einen landwirtschaftlichen Gutshof, der sich außerhalb einer Burg oder Befestigungsanlage befand, ein Vorwerk. Und weil das Wort Bürger von Burg kommt, bezeichneten die Leipziger die ihnen gehörigen Gutshöfe vor den Toren der Stadt ebenfalls als Vorwerke. Davon gab es allerdings mehrere, diesbezüglich war das Brandvorwerk nichts Besonderes. Außergewöhnlich – und heute fast vergessen – ist allerdings der Fakt, dass dieser Gutshof den Großteil der Flur eines wüst gefallenen Dorfes besetzte. Dieses einst von den Slawen gegründete und wohl Ende des 14. Jahrhunderts verlassene Lusitz ist heute noch weniger Leuten bekannt als das Brandvorwerk – an diesen Leipziger Vorort erinnert nicht einmal ein Straßenname. Und doch handelt es sich dabei um die historische Wurzel der heutigen Südvorstadt. Die umfasst heute ein Gebiet von etwa 2,5 km2, aber im Hochmittelalter war die Lusitzer Gemarkung sogar 3,2 km2 groß. Das bedeutet, dass sich Leipzig und Connewitz Teile davon einverleibt haben müssen, nachdem die letzten Lusitzer Bauern ihr Dorf verlassen hatten. Land und Leute gehörten übrigens seit Mitte des 13. Jahrhunderts dem Leipziger Nonnenkloster St. Georg. Dazu zählte auch eine Wassermühle, die in etwa dort stand, wo sich heute der kleine Dürrplatz befindet: westlich der Kreuzung Wundt- und Kurt-Eisner-Straße. Das Kloster seinerseits stand im Schatten der Pleißenburg und also fast zwei Kilometer nördlich der Mühle. Deshalb baten die Nonnen den Landesherrn und die Stadt im Jahr 1287, den Pleißemühlgraben bis nach Lusitz zu verlängern und die Mühle direkt ans Kloster versetzen zu dürfen. Die Nonnenmühle existierte dann dort, vis a vis der Pleißenburg, noch bis 1890. Den Pleißemühlgraben gibt es, teils verrohrt, teils wieder geöffnet, noch heute. Von seiner Verbindung mit Lusitz wissen nur wenige. Im Übrigen haben die Georgennonnen dann im 15. Jahrhundert auf der verlassenen Lusitzer Flur eine Schäferei eingerichtet. Seitdem besetzte also ein Vorwerk eine Dorfgemarkung. Ein solches Rechtskonstrukt gab es auch im wüst gefallenen Pfaffendorf, auf dessen Flur sich heute der Leipziger Zoo ausbreitet. Ihre Forschung basiert auf umfangreichen Archivrecherchen. Könnten Sie uns etwas über die Quellen und Materialien erzählen, auf die Sie während Ihrer Arbeit gestoßen sind und wie Sie diese genutzt haben? Als ich wegen des Buches den Sommer 2011 im Stadtarchiv und Staatsarchiv verbrachte, war die Quellensuche noch viel beschwerlicher als heute. Die Aktentitel waren noch nicht digital eingepflegt. Man konnte nicht einfach „Brandvorwerk“ in eine Suchmaschine eingeben und die vorhandenen Titel einsehen. Stattdessen galt es, dutzende handgeschriebene Katalogbücher auf Hinweise zu durchforsten. Das gestaltete sich schwierig, weil die Findmittel im Stadtarchiv und im Stadtgeschichtlichen Museum nach Stadtteilen geordnet waren – und da kam „Brandvorwerk“ gar nicht vor. Der Ort war derart in Vergessenheit geraten, dass ihn nicht einmal die Archivare auf dem Zettel hatten. Ich musste also mühselig sämtliche Akten auf Verdacht anfordern und durchsehen, die irgendwie das Wort Vorwerk beinhalteten. Eine Sisyphusarbeit. Heutzutage sind die Archive viel benutzerfreundlicher. Da braucht man nur noch das Schlagwort Brandvorwerk eingeben … Weiterlesen

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