Musikdirektor Gustav Sabac-el-Cher in Leipzig – Dirigent

Vom nächsten Sonntag, den 1. August, ab wird neben den bewährten hiesigen Capellen das Musikcorps des 1. ostpreußischen Grenadier-Regiments „König Friedrich III.“ Nr. 1 aus Königsberg i. Pr. auf dem Ausstellungsplatz concertiren. Der Capelle geht ein ganz vorzüglicher Ruf voraus und soll dieselbe über ein ungewöhnlich reiches Repertoire verfügen. Ein ganz besonderes Interesse dürfte aber der Dirigent des Musikcorps, Herr G. Sabac el Cher, selbst erwecken, weil er der erste und einzige schwarze Capellmeister der deutschen Armee ist. Er ist der Sohn eines *POCs, welchen Prinz Albrecht von Preußen am Hofe des Vicekönigs von Egypten kennen gelernt und als Kammerdiener nach Berlin gebracht hatte. Mit Ausnahme seiner schwarzen Hautfarbe erinnert jedoch nichts mehr an die afrikanische Abstammung des Königsberger Musikdirektors, er gilt vielmehr als ebenso schneidiger Soldat, wie vorzüglicher Musiker, der mit seiner wohlgeschulten Capelle stets Beifall und Anerkennung findet. Es ist deshalb auch anzuerkennen, daß uns der Festausschuß mit diesem vielversprechenden Musikcorps und seinem interessanten Dirigenten bekannt macht. [1] Wie schon angekündigt, beginnt am Sonntag, den 1. August, das Musikcorps des 1. ostpreußischen Grenadier-Regiments „König Friedrich III“ Nr. 1 aus Königsberg unter seinem schwarzen Dirigenten, dem Musikdirector G. Sabac el Cher, seine Concerte auf dem Ausstellungsplatze. Die anerkannt vorzügliche Capelle wird zwei Theile ihres auserwählten Programms im Pavillon beim Café und zwei Theile in dem neben dem Hauptrestaurant befindlichen spielen. Es steht zu erwarten, daß die wohlgeschulte Capelle wie überall so auch hier reichen Beifall und wohlverdiente Anerkennung finden wird. [2] Sabac el Cher. Dies ist der Name des einzigen schwarzen Kapellmeisters, den die deutsche Armee besitzt. Er steht an der Spitze des Musikcorps vom königl. Preußischen Grenadierregiment König Friedrich III. (1. ostpreußisches) Nr. 1, das zu Königsberg i. Pr. garnisonirt. Die Kapelle spielte im Juli d. J. auf der Internationalen Kunstausstellung zu Dresden und fand für ihre vortrefflichen Leistungen stets lebhaften Beifall der Zuhörer. Ihr Kapellmeister, ein sehr hübscher Mann, fesselte natürlich das Interesse des Publikums in besonderem Grade. Sabac el Cher ist von Geburt ein Deutscher. Sein Vater stammte aus Unterägypten und war als Kind am Hofe des Vicekönigs von Aegypten in Kairo zur Erziehung. Dort lernte ihn Prinz Albrecht von Preußen, ein Bruder Kaiser Wilhelm’s I., kennen, der ihn nach Berlin brachte, wo er sich mit einer Berlinerin verheirathete und im Hofhalt des genannten Prinzen das Amt eines Silberverwalters übertragen erhielt. Im Jahre 1867 beschenkte ihn seine Gattin mit einem Sohn, der bis zum 14. Jahre in die Bürgerschule ging und bereits im 8. Lebensjahre die Violine zu spielen begann. Von 1881 bis 1885 besuchte er ein Musikinstitut zu seiner weitern Ausbildung und trat in dem zuletzt genannten Jahr bei der Kapelle des königl. preußischen Füsilierregiments Prinz Heinrich von Preußen (brandenburgisches) Nr. 35 in Brandenburg a. d. H. als Hautboist und Soloposaunist ein. Nach mehrjähriger Thätigkeit als solcher besuchte er von 1893 bis 1895 die königl. Hochschule für Musik in Berlin und nahm Unterricht bei den Professoren Joachim, Bargiel, Härtel, Koßleck, Roßberg u. a. Nach gut bestandenem Examen wurde er im letztgenannten Jahr nach Königsberg berufen zur Uebernahme der Dirigentenstelle im 1. Grenadierregiment. Er bekleidet diesen Posten noch heute, und seine Kapelle findet überall, wo sie concertirt, Anerkennung und Beifall. Dies ist in knappen Umrissen die Lebensgeschichte des einzigen schwarzen Kapellmeisters der deutschen Armee. – Dch. [3] Seit wenigen Tagen läßt sich im Parke der Internationalen Kunstausstellung die Kapelle des Grenadier-Regiments „König Friedrich III.“ (1. Ostpreußisches) Nr. 1 aus Königsberg hören und findet allabendlich trotz des für Gartenconcerte leider recht wenig günstigen Wetters Zuspruch und für ihre Vorträge stets reichlichen Beifall. Das Interessanteste an der Kapelle ist für das Publikum jedenfalls der Dirigent Sabac-el-Cher, der einzige schwarze Kapellmeister des deutschen Heeres. Ueber ihn und seine Carriere in Deutschland ist Folgendes bekannt: Sabac-el-Cher wurde 1867 als der Sohn eines gleichnamigen Silberverwalters, welcher lange Jahre im Dienste des verstorbenen Prinzen Albrecht von Preußen stand, geboren. Bis zum 14. Jahre besuchte der Knabe eine höhere Bürgerschule und fing bereits im 8. Jahre an Violine zu spielen. Vom 14. bis 18. Jahre besuchte er ein Musikinstitut und trat 1885 bei der Kapelle des Füsilier-Regiments Nr. 35 als Hautboist ein. Dann besuchte er 1893-1895 die königliche Hochschule für Musik in Berlin und wurde 1895 zur Uebernahme der Dirigentenstelle im 1. Grenadier-Regiment nach Königsberg berufen. Sein Vater stammte aus Unter-Egypten und war als Kind am Hofe des Vice-königs von Egypten in Kairo. Dort lernte ihn Prinz Albrecht von Preußen kennen und brachte ihn nach Berlin, woselbst Sabac-el-Cher eine Berlinerin heirathete. Daß er als Musiker etwas Tüchtiges gelernt hat, beweisen die Leistungen seiner Kapelle, die mit Geschmack und einer für einen Militärkapellmeister beinahe erstaunlichen Ruhe leitet. Das Zusammenspiel ist dabei exakt und von jener straffen Rhythmik, die so charakteristisch für die deutsche Militärmusik ist; Holz und Blech sind gleich gut besetzt, und auch an tüchtigen Solisten scheint es dem Orchester nicht zu fehlen. Die dynamischen Schattirungen werden tadellos herausgeholt, was vorgestern namentlich das Vorspiel zum dritten Akte aus „A basso porto“ von Spinelli bewies, während der Vortrag des Strauß‘ schen Walzers „Wo die Citronen blühen“ durch zarte Uebergänge und seine Pianos überraschte. Die Programme sind ein augenscheinlich in Rücksicht auf ein nicht allzu musikalisch anspruchsvolles Publikum zusammengestellt, da sie meist populäre Musikstücke enthalten; das Fehlen Wagner‘s in der Reihe der Komponistennamen überrascht aber doch etwas, da man heutzutage auf dem Programm jedes Militärconcerts dem Meister von Bayreuth zu begegnen gewohnt ist. Hoffentlich bessert sich bald das Wetter, damit die trefflichen Leistungen Sabac-el-Cher‘s von einem recht zahlreichen Publikum in den nächsten Tagen gewürdigt werden können. [4] There are bandmasters and bandmasters, pretty well the world over. About the most famous of them is Lieutenant „Dan“ Godfrey, supreme over the band of the Grenadier guards. Himself the son and grandson of bandmasters, he has passed the talent on. His three sons are likewise bandmaster. The original Godfrey, Charles by name, led the band of the Coldstream guards in the days before Waterloo, and wielded the baton a matter of forty years. His son and successor, Frederick, conducted for something like twenty years. The third … Weiterlesen

Aus der Presse – Palmengarten-Entwurf von Otto Mossdorf – Wettbewerb

Das Bedürfnis des Menschen, nach angestrengter Arbeit Erholung in der schönen Natur, welche sich in der Landschaft verkörpert, zu suchen, ist jedenfalls ein Hauptbeweggrund gewesen, welcher Männer der Großstadt Leipzig zu dem Entschluß geführt, einen Palmengarten zu gründen, der neben der leiblichen Erholung auch hauptsächlich dem Bedürfnis nach ästhetischen Genüssen im vollsten Maße gerecht wird. Das Vergnügen am schönen Garten als idealisierte Landschaft gehört mit Recht zu den edelsten Passionen der heutigen gebildeten Welt, wie dasselbe ja schon in der ältesten Zeit als ein Maßstab für die Kultur gebildeter Völker galt. Unsere heutige Zeit mit ihrer ruhelosen Hast nach Entwickelung auf allen Gebieten hat um so mehr Ursache, diesem aufregenden Treiben gegenüber fort und fort zu sorgen, daß Gelegenheit gegeben werde, durch schöne Natur die Menschen immer und immer wieder darauf hinzuweisen, wo wahre Erholung und Ruhe zu finden sei, um das notwendige Gleichgewicht in dem jetzt mitunter so sehr realisierten Treiben herzustellen. Daher ist der Beschluß, einen Palmengarten zu schaffen, mit großer Freude zu begrüßen und wird in der Bevölkerung Leipzigs jedenfalls dankbare Anerkennung finden. Der Name Palmengarten sagt schon, daß die Absicht vorliegt, damit nicht bloß einen schönen Garten zu schaffen, welcher in günstiger Jahreszeit Gelegenheit zur Erholung bietet, sondern daß man auch gewillt ist, bei ungünstiger Witterung, ja mitten im Winter, wenn Frost und Schnee den Aufenthalt im Freien beschränken, dem Publikum den Genuß zu verschaffen, die Wunder der Pflanzenwelt unter schützendem Glasdach zu bewundern, unter Palmen nicht nur zu wandeln, sondern auch Aufenthalt daselbst nehmen zu können. Um diesen beiden letztgenannten Hauptzwecken gerecht zu werden, ist vorliegender Entwurf entstanden. Bei dem vorhandenen schönen, alten Baumbestand war hauptsächlich darauf Rücksicht zu nehmen, daß bei Anlage der Gruppierung, Rasenbahnen, Wege und Anordnung der Gebäude dieselben nicht nur möglichst geschont, sondern auch benutzt werden zur günstigen landschaftlichen Einordnung in das Gesamtbild, sowie in die einzelnen Bilder des Gartens. Als Haupt- und Zentralpunkt mußte vor allen Dingen das Gesellschafts- und Palmenhaus festgelegt werden. Die in dem Entwurfe gewählte Anordnung wird insofern dem Programm gerecht, indem Gesellschafts- und Palmenhaus möglichst nahe der Frankfurterstraße gerückt sind; ein weiteres Vorrücken war insofern unthunlich, als man sonst den vorhandenen schönen, alten Bäumen zu nahe gekommen wäre und es auch aus praktischen Gründen nicht ratsam ist, ein derartiges Gebäude zu nahe an die Straße zu rücken. In erster Linie war zu berücksichtigen, daß das Gesellschaftshaus einen möglichst großen, offenen Platz als Vorlage haben muß, um in seiner baulichen Erscheinung vollständig zur Wirkung zu kommen. In zweiter Linie mußte der Platz für Blumenparterre, Teppichbeete u. s. w., welcher als hervorragender Schmuckplatz aufzufassen ist, in unmittelbarer Nähe des Gesellschaftshauses seine Anordnung finden, um die Harmonie des Ganzen zu fördern und den ersten Eindruck beim Eingang zu einem günstigen zu gestalten. Die Nähe der vorhandenen Gebäude, Scheune, Orangerie, Verwaltungsgebäude u. s. w., gestattete auch ein weiteres Vorrücken nach der Straße nicht, da sich daraus ungünstige Verhältnisse ergeben hätten, sowohl in Bezug auf das Terrain, als auf den Betrieb der Bewirtschaftung. Der Anschluß des Palmenhauses an das Gesellschaftshaus war selbstverständlich, und wurde dem Bedürfnis nach möglichst viel Licht für dasselbe dabei Rechnung getragen. In dritter Linie war darauf Rücksicht zu nehmen, daß der Konzertplatz mit seinem schönen, alten Baumbestand in nächster Nähe und in Verbindung mit dem Gesellschaftshause zu legen war. Der Anschluß der Spielwiese und des Turnplatzes an den Konzertplatz war aus praktischen Gründen zu wählen, und zwar deshalb, weil diese Plätze nach Osten und Norden durch starke Bäume und Strauchgruppen und nach Westen durch den Konzertplatz geschützt sind. Auch ist der Vorteil nicht zu unterschätzen, daß vom Konzertplatze aus ein Einblick auf Spielwiese und Turnplaz möglich ist. Die Lage des Anzuchtgartens ist gewissermaßen durch das Programm bestimmt. Es ist darin vorgeschrieben, daß die bestehenden Gebäude zu verwenden sind. Der alte Saalbau ist in eine Orangerie verwandelt, die Scheune zum Geräteschuppen und die übrigen Gebäude für Betriebszwecke und Beamtenwohnungen. Die Gewächshäuser sind direkt an die Grenze des östlichen Gartens gelegt, um nicht durch Schatten von den Gebäuden beeinträchtigt zu werden. Ein Kesselhaus für eine Heizung der Gewächshäuser und der Orangerie ist zwischen beiden projektiert. Auch in wirtschaftlicher Beziehung ist die Lage eine vorteilhafte; Kohlen- und sonstige Lastgeschirre können von der Frankfurterstraße bequem einfahren. Der Rose, die seit undenklichen Zeiten als Königin der Blumen ihren Rang behauptet hat, auch in dieser Anlage eine besondere Kulturstelle anzuweisen, wurde für angezeigt gehalten und diesem Gedanken durch Anlage des Rosengartens stattgegeben. Der dafür gewählte Platz würde wohl als der günstigste zu bezeichnen sein und auch durch die nicht allzugroße Entfernung vom Gesellschaftshaus und Konzertplatz seine Berechtigung finden. Einen der hervorragendsten Anziehungspunkte bildet der große Weiher. Die angenommene Größe, welche 13 005,40 qm beträgt, bietet im Sommer Gelegenheit zum Gondeln und im Winter zum Schlittschuhlaufen. Die Wasserversorgung findet durch das Zuflußrohr aus der Elster statt, die Entwässerung des Teiches ist durch seine Tieflage nach der Vorflutschleuse bedingt. Um einen landschaftlich schönen Zufluß für den großen Weiher zu erhalten, wurde die vorhandene Grottenanlage mit Wasserfall benutzt und ein Wasserlauf nach dem Weiher geschaffen, welcher reizvoller Gruppierung Gelegenheit bietet. Dabei ist zu bemerken, daß die vorhandene Grotte insofern eine weitere Ausgestaltung gefunden hat, als man noch einen dritten Ausgang geschaffen hat, welcher aus Verkehrsrücksichten nötig war. Aus Gründen der allgemeinen Terrainbewegung erwies es sich als notwendig, den Platz über der Grotte um ein Bedeutendes zu erhöhen. Die Idee lag nahe, auf diesem höchsten Punkte einen Pavillon mit Aufstieg zu errichten, welcher einen schönen überblick gestattet. Der kleine Weiher mit seiner schönen, aus alten, malerischen Bäumen bestehenden Umgebung ist, wie aus dem Entwurf ersichtlich, nur wenig verändert; derselbe ist durch geringe Umgestaltung seiner Ufer an der Parkseite und Beseitigung des die Einsicht hemmenden Gestrüpps in seiner vollen Schönheit zur Geltung gebracht. Bei Anordnung der Wege wurde einerseits dem günstigen Verkehr Rechnung getragen und andererseits darauf Rücksicht genommen, daß schöne, große Rasenbahnen mit der vorhandenen und herzustellenden Pflanzung möglichst malerische Landschaftsbilder geben. Die Anordnung von Sitzplätzen ist auf dem Plane ersichtlich und dabei noch zu bemerken, daß sich von denselben aus schöne und weite Durchblicke eröffnen. … Weiterlesen

Aus der Presse – Palmengarten-Entwurf von Eduard May – Wettbewerb

Der Verfasser ging von dem Standpunkte aus, eine hauptsächlich praktische und doch in allen ihren Teilen der Neuzeit bezw. den Anforderungen der Ästhetik entsprechende Anlage zu schaffen. Vor dem Eingange an der Frankfurterstraße ist ein halbrunder Platz, welcher als Anfahrt, event. auch als Halteplatz für Droschken ec. zu dienen bestimmt ist, projektiert. Tritt man durch den Haupteingang in den Park, so hat man sofort das große Parterre vor sich. Rechts und links desselben wurde Platz für zwei aufzustellende Statuen vorgesehen. Dahinter befinden sich die Terrassen und Restaurationsgebäude mit dem Palmenhause. Die Achse von Parterre, Restaurationsgebäude mit Palmenhaus und dem sich daran anschließenden Rosengarten ist deshalb nach rechts geschoben, einmal um auf der linken Seite nach dem Park hin eine große Rasenfläche zu ermöglichen, und auch deshalb, weil auf der rechten Seite der vollständig gedeckte Fahrweg mit Vorfahrt, Halteplatz, Maschinen- und Kesselhaus, sowie Wirtschaftshof liegt, also auf dieser Seite eine weitere Ausdehnung der Gartenanlage unangebracht sein wird. Durch diese Anordnung sind auch die genannten Nebenbauten von der Hauptanlage aus vollständig gedeckt und stören das landschaftliche Bild nicht. Die großen Terrassen liegen nach der Ost- und Nordseite, haben also bei dem Nachmittagskonzert vollständig Schatten, was gewiß besonders zu berücksichtigen war. Der Hauptmusikpavillon liegt an der großen Promenade, welche sich um die beiden Terrassen herumzieht und Blicke in den Park und auf das Blumenparterre ermöglicht. Der große Platz vor dem Musikpavillon hat den Zweck, die Promenade ungehindert frei zu halten, wenn sich auch Publikum vor dem Pavillon ansammelt. Von diesem Platze aus wird sich dem Beschauer ein prächtiger Blick über die Rasenfläche, den großen Weiher nach dem Wasserfall und Schweizerhäuschen bieten, ebenso wie man von den Terrassen aus schöne Aussichten über den Weiher haben wird. Ein zweiter Musikpavillon ist auf der unteren Terrasse angebracht. – Hinter dem Palmenhause wurde, wie erwähnt, ein Rosengarten geplant. Derselbe ist vertieft mit einer breiten und einer schmäleren Böschung gedacht, damit der Beschauer, mag er seinen Standort oben oder unten im Rosengarten wählen, denselben in seiner ganzen Ausdehnung überblicken kann. In der Mitte kann eine Statue oder Vase und am Ende, etwas erhöht, ein Pavillon, von welchem aus man den Rosengarten vor sich und den Park im Hintergrunde hat, Ausstellung finden. Für die Bepflanzung der breiteren Böschung sind wurzelechte Rosen angenommen. Die Rosenfläche rechts vom Rosengarten kann event. auch für Rasenspiele, wie Tennis, Croquet ec. hergerichtet werden. Links vom Hauptmusiktempel zieht sich der fünf Meter breite Verbindungsweg in gewundenen Linien zwischen den bestehenden Bäumen nach der Plagwitzerstraße. Von demselben hat man allenthalben schöne Blicke in den Park, auch auf und über den großen Weiher. Links von diesem Wege dürfte der große Kinderplatz mit Schutzhalle passend Platz finden, also mit bequemem Zugang von der Frankfurter- wie von der Plagwitzerstraße, aber doch vollständig getrennt vom Hauptwege. Als Fortsetzung der großen Promenade zieht sich ein zweiter, 4 m breiter Weg über einen etwas erhöhten Platz und über die große Brücke, welche über den Weiher führt, nach dem Verbindungswege. Die große Brücke über den Weiher ist mit zwei Pfeilern, welche man mit Felsen verkleiden kann, gedacht. Sollten die Kosten für die Anlage der Brücke eben zu hoch sein, so kann dieselbe mit den beiden Wegstücken vorläufig auch weggelassen und später angefertigt werden. Läßt man die große Brücke links liegen und verfolgt den Weg um den See weiter, so gelangt man über eine zweite kleinere Brücke. Rechts aber befindet sich ein großer Hügel mit Felsanlagen, Schweizerhäuschen und Wasserfall. Von dem Häuschen hat man schöne, weite Aussichten in die Anlage und namentlich nach den Terrassen. Den Weg weiter fortsetzend, gelangt man auf den freien Platz vor der Elsterbrücke. Von diesem Platze wird sich ein Blick über den See nach dem gegenüberliegenden Hügel bieten. Links oben in der Ecke liegt der Wasserturm. Der Verfasser hält eine Brücke über die Elster für genügend. Sollte sich später das Bedürfnis nach einer zweiten Brücke herausstellen, so kann dieselbe weiter unten angebracht werden. Für den zweiten Teil der Anlage ist der Charakter eines Waldparkes programımımäßig gewählt worden. Ein Eingang von der Plagwitzerstraße aus führt ebenfalls zu diesem Anlagenteile, in welchem sich auch ein zweiter kleinerer Spielplatz befindet. Bei der Wegeführung in der Gesamtanlage ist neben schönen, schwungvollen Formen auf gute Verbindung Bedacht genommen, wie auch für Sitzplätze in ausreichender Weise gesorgt wurde. Die Schonung der auf dem Terrain vorhandenen Bäume erfuhr nach Möglichkeit Berücksichtigung; nur an der großen Durchsicht über den Weiher mußten die Bäume fallen, indem deren Bestehenbleiben die Anlage in zwei Teile teilen würde. Links neben den bestehenden Häusern ist die Gärtnerei mit Gewächshäusern gedacht. Es würde besser sein, wenn die Möglichkeit vorhanden wäre, den Reservegarten außerhalb des Terrains, d. h. anschließend an dasselbe, zu legen, denn der Bau der Gewächshäuser an der projektierten Stelle würde die Fällung verschiedener Bäume bedingen, welche, wenn man die Häuser mehr nach unten rücken könnte, zu erhalten wären. Ein anderer genügender Platz für die Gewächshäuser dürfte sich kaum im Park finden. Den Reservegarten neben die Gewächshäuser zu legen, geht nicht gut an, da derselbe dann ganz beschattet wäre; der jetzige obere Teil kann für Schattenpflanzen Verwendung finden. Da sich die Kosten für das Palmenhaus voraussichtlich sehr hoch belaufen werden, könnte man dasselbe in den ersten Jahren weglassen und die dafür reservierte Stelle als freien Platz oder Rasen anlegen. Vorerst dürfte ein Restaurationsgebäude mit Park ohne alles, was nicht unbedingt nötig ist und hohe Kosten erfordert, genügen. Das Palmenhaus könnte später und auch die Gewächshäuser könnten nach und nach dem Bedürfnisse entsprechend gebaut werden. In den Bedingungen heißt es: das Wasser für die Leitung kann aus der Elster genommen werden. Sollte es möglich sein, daß man dasselbe aus der Luppe rechts vom Maschinenhaus nehmen könnte, so würden dadurch 5- bis 6000 Mark zu sparen sein. Außer Wasserfall und Fontäne wurde bei dem Weiher noch ein Zuflußrohr aus der Elster und Abflußrohr nach der unteren Luppe vorgesehen. Einzufriedigen wäre das Terrain an den beiden Straßen durch Mauer mit Staketen und an den Seiten, welche nicht ans Wasser stoßen, durch Drahtgitter. Nach den Wasserseiten ist keine Einfriedigung gedacht. [Kostenanschlag] Wie schon in der … Weiterlesen

Aus der Presse – Palmengarten Gestaltungswettbewerb

Mit der Ausschreibung von Plänen auf dem Wege des öffentlichen Wettbewerbs ist nunmehr das Unternehmen des Leipziger Palmengartens in das erste Stadium seiner Verwirklichung getreten. Wenn damit auch das Werk an sich vorläufig noch nicht in die Erscheinung tritt, so wird es wenigstens schon insofern ein ideales Fundament erhalten, als ihm von berufener künstlerischer Seite die ausschlaggebende Form vorgezeichnet werden soll. Diesem Zwecke dient die ausgeschriebene Concurrenz. Das für dieselbe maßgebende Programm weist auf einen für den Palmengarten bestimmten Flächenraum von gesammt 208 599 Quadratmeter oder rund 20 Hektar, 66 Ar oder 38 sächsische Acker hin, von denen 176 312 Quadratmeter auf das Grundstück des Kuhthurms und 32 287 Quadratmeter auf das jenseits des Elsterflusses nach Süden gelegene Areal des sogen. Ritterwerder enthalten. Erstere Parcelle wird östlich von einer Vorfluthschleuße begrenzt, in ihrem südlichen Theile aber von einer zweiten Vorfluthschleuße durchschnitten. Als Grundgedanke für den Leipziger Palmengarten, welcher in erster Linie dem öffentlichen Interesse gewidmet sein wird, also einen durchaus gemeinnützigen Zweck zu verfolgen hat, ergiebt sich die Anlage eines umfriedeten Parks und Ziergartens mit Ausstellungs- und Bewirthungsräumen, Wintergärten und Gewächshäusern. Ueber diese gärtnerischen und baulichen Anlagen des Palmengartens als eines Ganzen und über die Gruppirung der einzelnen Theile innerhalb dieses Ganzen eine Idee zu finden, das wird nun Aufgabe des Wettbewerbs sein. Angesichts der klimatischen und örtlichen Verhältnisse von Leipzig ist der Schwerpunct einer solchen Aufgabe nicht in der Zahl und Größe der zu errichtenden Palmen- und Gewächshäuser, sondern in der Vielseitigkeit und Gediegenheit der im freien Lande herzustellenden gärtnerischen Anlagen zu suchen. Von den hierbei in Betracht kommenden Hochbauten sind zunächst ein Palmen-Haus mit Pflanzen-Schauhalle und Warm- und Kalthäuser in entsprechender Anzahl zu errichten, weiter ein Kessel- und Maschinenbaus und Wasserbehälter. Endlich ist, auf einer Grundfläche von 2500 Quadratmetern, der Bau eines Gesellschaftshauses geplant, das einen kleinen Saal zur Aufnahme von mindestens 200 Personen, einen großen Saal, Bewirthungsräume und Wohnung für den Wirth enthalten soll. Vorübergehend hat es auch Ausstellungszwecken zu dienen. Außerdem sind zwei Musikhallen vorgesehen, deren eine an den Hauptpromenaden-Weg zu stehen kommt. Alle diese Hochbauten kommen auf die Kuhthurmparcellen zu stehen. Die an der Frankfurter Straße auf dem Areal des Kuhthurms bereits vorhandenen Gebäude dürften für die Aufbewahrung von Pflanzen und Utensilien oder zu ähnlichen Zwecken nutzbar gemacht werden, während das gleichfalls vorhandene Saalgebäude durch einen Umbau in eine Orangerie verwandelt wird. Beide durch den Elsterfluß von einander getrennte Parcellen, von denen die eine, vollständig mit Bäumen bestandene, am Ritterwerder den Charakter eines vornehmen Waldparks erhält, werden mit Brücken von genügender Breite verbunden. Die Herstellungskosten der gesammten Anlage, einschließlich aller Nebenarbeiten, sind auf die Summe von 950 000 M abgeschätzt – Leipzig, 30. September 1896. [1] Heute traten in der Georgenhalle die Preisrichter zur Beurtheilung der eingegangenen 74 Concurrenzpläne für den Leipziger Palmengarten zusammen. An der Sitzung nahmen Theil die Herren Oberbürgermeister Dr. Georgi, Geheimer Commerzienrath Thieme, königlicher Baurath Stadtrath Roßbach, Stadtbaurath Professor Licht, Gartendirector Wittenberg, Director des Palmengartens zu Frankfurt a. M. Siebert, Gärtnereibesitzer Wagner in Leipzig-Gohlis. Nach Sichtung und eingehender Prüfung der Entwürfe einigte sich das Collegium dahin, dem Entwurfe des Herrn Gartentechnikers May in Frankfurt a. M. den ersten Preis von 3000 Mark, dem Entwurfe des Herrn Landschaftsgärtners Mooßdorf in Leipzig-Lindenau den zweiten Preis von 2000 Mark und dem Entwurfe des Herrn königlichen Garteninspectors Martens in Colberg den dritten Preis von 1000 Mark zuzuerkennen. -g- Leipzig, 8. Februar. [2] Das Preisrichter-Collegium zur Begutachtung der 74 eingelieferten Entwürfe für die Anlage eines Palmengartens in Leipzig, bestehend aus den Herren Oberbürgermeister Dr. Georgi, Geheimer Commerzienrath Alfred Thieme, Baurath Arwed Roßbach, Stadtbaurath Professor Licht, Gartendirector Wittenberg, sämmtlich in Leipzig, Gärtnereibesitzer Albert Wagner in Leipzig-Gohlis und Palmengartendirector August Siebert in Frankfurt a. Main, hat, wie schon berichtet, am 8. dieses Monats die eingereichten Pläne einer eingehenden Prüfung unterzogen und ist hierbei zu folgendem Ergebnisse gelangt. Den ersten Preis von 3000 Mark hat erhalten Herr Gartentechniker Eduard May in Bockenheim-Frankfurt, Verfasser des Entwurfes Nr. 17 mit dem Motto: „Prosit“. Der zweite Preis von 2000 Mark wurde Herrn Otto Moßdorf, Landschaftsgärtner in Leipzig-Lindenau, Verfasser des Entwurfes Nr. 54 mit dem Motto: „Wenn Kunst sich in Natur verwandelt, so hat Natur und Kunst gehandelt“, zuerkannt. Den dritten Preis von 1000 Mark hat erhalten Herr Stadtgarteninspector H. Martens in Colberg, Verfasser des Entwurfes Nr. 21 mit dem Motto: „Phoenix I.“. Außerdem sind die Entwürfe Nr. 14 mit dem Motto: „Simplex“, Nr. 15 mit dem Motto: „Lipsiae civibus“ und Nr. 56 mit dem Motto: „Rautenkranz“ vom Preisrichter-Collegium zum etwaigen Ankaufe empfohlen worden. Die öffentliche Ausstellung der Entwürfe findet in der Zeit vom 10. bis 13. Februar, Vormittags von 9 bis 1 Uhr und Nachmittags von 3 bis 5 Uhr und am 14. Februar von 11 bis 4 Uhr im ersten Obergeschosse der Georgenhalle, Brühl Nr. 80, statt. Wir verweisen hierbei auf die in der vorliegenden Nummer abgedruckte Bekanntmachung. Leipzig, 9. Februar. [3] Eine Fülle hochanzuerkennender künstlerischer Arbeit tritt dem Besucher der im ersten Obergeschoß der Georgenhalle veranstalteten Ausstellung von Concurrenz-Entwürfen für die Anlage eines Palmengartens in Leipzig entgegen, ein großer Reichthum von Gedanken und Motiven. 74 Betheiligte haben in ehrlichem Streben dem Wettbewerb ihre Kraft geliehen und mit zum Theil hervorragender Leistungsfähigkeit die in dem Programm festgesetzten Hauptaufgaben lösen helfen. Wie schon kurz erwähnt, sind die ausgeworfenen drei Preise den Herren Gartentechniker Eduard May in Bockenheim-Frankfurt a. M., Landschaftsgärtner Otto Moßdorf-Leipzig-Lindenau und Stadtgarteninspector Martens-Colberg zuertheilt worden. Sie haben alle, mit mehr oder weniger Abweichung von einander, zunächst das erreicht, was als maßgebend bei der Gesammtdisposition zu betrachten war: eine Idee über die gärtnerischen und baulichen Anlagen und über die Gruppirung der einzelnen Theile innerhalb dieses Ganzen zu finden. Ein mit dem Terrain so vertrauter Meister wie Otto Moßdorf ordnet liebevoll den alten schönen Baumbestand am Kuhthurm in das Gesammtbild ein und verlegt den architektonischen Haupt- und Centralpunct auf das Gesellschafts- und auf das Palmenhaus. Reich an ästhetischen Momenten ist der Inhalt des May‘schen Entwurfes, während der Martens‘sche Entwurf ungemein klar und ruhig wirkt. Wenn dann noch die Entwürfe mit den Motti: „Simplex“, „Lipsiae civibus“ und „Rautenkranz“ vom Preisrichtercollegium zum etwaigen … Weiterlesen

125 Jahre STIGA in Leipzig – Ein Konsum-Spektakel für Millionen

Die Sächsisch-Thüringische Industrie- und Gewerbeausstellung zog 1897 im Herzen Leipzigs ein Millionenpublikum in ihren Bann. Wirtschaftlich war das Großevent ein Verlust. Doch aus heutiger Perspektive ist es Sinnbild für den gesellschaftlichen Wandel, der Leipzig und die Welt im 19. Jahrhundert erfasste. Die größte innenstadtnahe Parkanlage Leipzigs ist kein Landschaftsgarten oder Schlosspark – und das sieht man auch. Eine breite Allee durchzieht den Clara-Zetkin-Park, links und rechts gehen Rundwege ab, führen zu kleinen Pavillons oder eingefassten Teichen. Vor 125 Jahren befand sich hier das Ausstellungsgelände für ein Wirtschafts- und Volksfest mit Millionenpublikum: Die Sächsisch-Thüringische Industrie- und Gewerbeausstellung (STIGA). Zu ihr heißt es in den Ratsakten der Stadt Leipzig: „Und wäre kein anderer Nutzen von der Ausstellung zu erwarten als diese herrliche Morgengabe ihres Parkes, die sie der Stadt darbringt, wahrlich es wäre schon groß und bedeutend genug.“ Mit den Ausmaßen und der Infrastruktur einer Kleinstadt setzt die STIGA ein Zeichen in einer vom jähen Wandel gekennzeichneten Zeit. Die Stadt Leipzig befand sich damals, als viertgrößte deutsche Stadt, im Umbruch von der Handels- zur Industriestadt und dehnte sich verstärkt auf umliegende Gemeinden aus, die Bevölkerungszahl stieg sprunghaft an, die Leipziger Messe wandelte sich von einer Waren- zu einer Mustermesse. Im Jahr des vierhundertjährigen Jubiläums der Leipziger Messe wird 1897 mit der STIGA die Werbetrommel geschlagen für die mitteldeutsche Region mit Leipzig als Zentrum und für die neue Form der Mustermesse. Dafür werden zuerst die vorgesehenen Wiesen zwischen Scheibenholz und Johannapark trockengelegt und an die städtische Infrastruktur sowie an die Eisen- und elektrische Straßenbahn angebunden. Reichstagserbauer Paul Wallot, Gabriel von Seidl und Hugo Licht wählen als Juroren mehrere Leipziger Architekten für die Bebauung aus. Sie errichten neun Ausstellungshallen sowie mehrere Themenbereiche. In vielem orientieren sie sich an der großen Berliner Gewerbeausstellung des Vorjahres und an den Weltausstellungen früherer Jahre. Zum Ausstellungsbetrieb gehören Verwaltungsbauten, Feuer-, Polizei- und Sanitätswachen sowie die Poststation. Wie auf der Weltausstellung in Chicago 1893 strahlt das Gelände samt einer 40 Meter hohen Ausstellungsfontäne abends im Schein tausender farbiger Glühbirnen. Der Strom dafür wird in einer „elektrischen Kraftzentrale“ produziert, die den Dampf ausgestellter Dampfmaschinen nutzt. Gastronomische Angebote auf dem gesamten Gelände summieren sich auf rund 10.000 Sitzplätze. Aufwendige Rekonstruktionen zeigten ein Altleipziger Messviertel, die Wartburg oder ein Tiroler Schloss. Für ein Thüringer Dorf wurden Gebäude aus Thüringen umgesetzt und sogar eine Kirche nebst Friedhof errichtet. Ganz in der Nähe steht ein weiteres architektonisches Highlight: Vor der Industriehalle wird die Turmhaube der gerade im Bau befindlichen Reformierten Kirche zu Leipzig präsentiert. Sie erzielt drei Jahre später auf der Weltausstellung in Paris 1900 einen Ersten Preis. Ein großer Anziehungspunkt im Unterhaltungsviertel ist der Fesselballon des französischen Ballonpioniers Louis Godard, der den Aufenthalt in der Messestadt auch für neue Weltrekorde nutzt. Eine nach dem Vorbild der Berliner Ausstellung von privaten Organisatoren initiierte Kolonialausstellung mit sogenannter Völkerschau offenbart rassistische Stereotype, koloniale Interessen sowie den nationalistischen Geist des Wilhelminischen Zeitalters und damit die problematischen Facetten der STIGA. Legitimation und Repräsentation bestehender Herrschaftsverhältnisse sind Grundmotive vieler Ausstellungen. Auf dem Gelände verteilte Herrscherstatuen, Symbole und inszenierte Festakte wie die Eröffnungszeremonie mit dem Schirmherren König Albert von Sachsen unterstreichen dies. Ein anderer Kritikpunkt wird schon von Zeitgenossen wie Georg Simmel oder Walter Benjamin diskutiert: die subtile Erziehung zum Konsumismus. In der damaligen breiten Öffentlichkeit wird allerdings zuvorderst der Beitrag solcher Ausstellungen zu technischer und ästhetischer Bildung unterstrichen. So finden anlässlich der STIGA zahlreiche Tagungen und Kongresse statt und in den Ausstellungshallen begleiten Ingenieure sachkundig die Vorstellung von Produktionsprozessen. Auch die kommunalen und landesstaatlichen Bildungseinrichtungen sind mit umfangreichen Ausstellungen vertreten. Darunter finden sich mit der „Königlich Sächsischen Baugewerkenschule zu Leipzig“ und der „Königlichen Kunstakademie und Kunstgewerbeschule zu Leipzig“ auch zwei Vorgängereinrichtungen der HTWK Leipzig. Zu den technischen Innovationen, die dem Publikum nahegebracht werden, gehören Anwendungen für Gas oder Elektrizität. In einem Pavillon des Würzburger Professors Wilhelm Conrad Röntgen können sich Ausstellungsgäste für einige Groschen die Hände durchleuchten lassen. Der elektrisch betriebene Fahrstuhl zur Aussichtsplattform der „Wartburg“ ist seit seiner ersten Präsentation durch Elisha Otis auf der New Yorker Weltausstellung 1854 keine wirkliche Neuheit mehr. Origineller sind da Grammophone, Kinematographen oder die neuartige Rotationsdruckpresse von König & Bauer, auf der die tägliche Ausstellungszeitung in zehntausend Exemplaren gedruckt wird. Überhaupt ist das Druck-, Buch- und Pressewesen stark präsentiert. Noch stärker sind allerdings das besonders in Leipzig und Chemnitz beheimatete Maschinen- und Transportwesen und die Textilbranche vertreten. Von den 3.027 Ausstellern kommen 1.416 Firmen aus Leipzig. Neunzig Prozent der Leipziger Firmen jener Zeit haben bis zu zehn Angestellte und so sind es zumeist klein- und mittelständische Unternehmen, denen durch die Form einer Kollektivausstellung die Teilnahme möglich ist. Viele von ihnen werden mit einer der begehrten und an fast die Hälfte der Unternehmen vergebenen Ausstellungsauszeichnungen belohnt. Als Insignien von Produktqualität und Glaubwürdigkeit finden sie sich zum Teil bis heute auf Produktverpackungen. Achten Sie beim nächsten Radeberger Biergenuss mal auf das Etikett. Ein „Jahrhundert der Ausstellungen“ – Der Schriftsteller Ernest Renan verglich die Ausstellungen einst mit den Olympischen Spielen. Tatsächlich schienen sich im 19. Jahrhundert Städte, Regionen und Staaten mit immer sensationelleren und kostspieligeren stellungen gegenseitig überbieten zu wollen. Zuerst waren sie jedoch ein reines Mittel der Gewerbeförderung, auf das auch der sächsische Staat ab 1824 neben der Förderung von Gewerbeschulen und „Vorbildersammlungen“ zurückgriff. Bis zur Mitte des Jahrhunderts blieb der Erfolg der Veranstaltungen im Hinblick auf Produktvielfalt, Aussteller- und Gästezahlen recht bescheiden – das galt selbst für die dritte deutsche Nationalausstellung 1850 in Leipzig. Erst als infolge der ersten Londoner Weltausstellung 1851 das „Ausstellungsfieber“ grassierte und engagierte Wirtschaftsbürger – zu denen neben Kaufleuten, Handwerkern und Fabrikanten auch Forschende oder Lehrende gehörten – mittels ihrer „Gewerbevereine“ die Veranstaltungen organisierten, nahm die Sache Fahrt auf. Unter Einbindung staatlicher und kommunaler Interessen trugen die entstehenden Handels- und Gewerbekammern aktiv dazu bei, dass aus provinziellen Leistungsschauen nun massentouristische Volksfeste und Kommunikationsplattformen wurden. Massenpresse und Massentourismus, bessere Verkehrsmittel und -verbindungen ließen gemeinsam mit ausgefeilten Marketingstrategien das 19. Jahrhundert tatsächlich zu einem „Jahrhundert der Ausstellungen“ werden. Zu den unzähligen Printprodukten der Veranstaltungen gehörten beispielsweise die offiziellen Ansichtspostkarten, von denen allein auf der STIGA 2,5 Millionen Stück verkauft wurden. Um … Weiterlesen

Ein Rundgang durch das Kneipenviertel der STIGA

Ein großes Ereignis wie die STIGA erforderte von allen Beteiligten Ausdauer, Mut und Engagement. Hohe Besucherzahlen waren bei Gewerbeausstellungen keineswegs garantiert. Während beispielsweise die Berliner rund 50.000 Tagesbesucher verzeichneten, kamen die Dresdner im gleichen Jahr lediglich auf 15.000 Besucher. Es gab zwar keinen verlässlichen Richtwert, aber die Veranstalter in Leipzig erwarteten nicht weniger Besucher. Zumindest war das ihre Erwartungshaltung. Trotzdem hatten die Berliner mit anhaltend schlechtem Wetter zum Ende ihrer Ausstellung zu kämpfen, was sich verheerend auf ihre Besucherzahlen auswirkte. Der Erfolg einer Open-Air-Veranstaltung hing also maßgeblich vom Wetter ab. Keine Attraktion der Welt konnte das ändern, und auch die Leipziger hatten keinen Einfluss auf das Wetter. Es galt also, Kosten und Nutzen sorgfältig abzuwägen. Das erklärte Ziel war es, allen Besuchern einen attraktiven und bezahlbaren Aufenthalt zu bieten, um sie zu motivieren, den Ausstellungspark mehrmals zu besuchen. Neben den Leistungsschauen und gärtnerischen Kunstwerken spielte auch die Verköstigung mit landestypischen Speisen und Getränken eine wichtige Rolle. Das große Gelände bot viel Raum für Gastwirtschaften aller Art und vielfältige Folklore, nicht nur für kostspielige Inszenierungen und noch nie dagewesene Effekte. Rund um den großen Teich im Herzen des Ausstellungsparks entstanden zwölf repräsentative Gastwirtschaften im Stil verschiedener Länder und Regionen. Darüber hinaus wurden im Thüringer Dorf und in der Alt-Leipzig-Nachbildung weitere fünf Gastwirtschaften errichtet, die das Thema der Ausstellung widerspiegelten. Zusätzlich waren dezentrale Ausschänke in den Gebäuden und auf dem Vergnügungsparkgelände vorgesehen. Die Vergabe der Pacht erfolgte nicht mehr an den Meistbietenden, sondern gegen eine niedrige Pachtsumme und eine Umsatzpacht auf die verkauften Getränke. Angesichts der Wetterabhängigkeit und der Unwägbarkeiten beschlossen die Verantwortlichen, das unternehmerische Risiko zwischen Pächtern und Verpächtern aufzuteilen. Dieses Prinzip hatte bei früheren Ausstellungen keinen hohen Stellenwert, aber diesmal lag der Fokus darauf, im Interesse der Pächter zu handeln. Die Pächter waren verpflichtet, ortsübliche Preise festzulegen, um den Besuchern einen erschwinglichen Aufenthalt zu ermöglichen. Dies führte auch zu einem erhöhten Wettbewerbsdruck mit anderen Lokalitäten in der nahegelegenen Innenstadt. Die Überlebensfähigkeit aller Gastwirtschaften stand im Vordergrund, weshalb ihre Anzahl auf dem Gelände begrenzt wurde, auch wenn die Zahl der Besucher an Wochenenden so hoch sein würde, dass alle Lokale überfüllt waren. Der Erfolg hing von der guten Leistung aller Parteien ab. [1] Für die Besucher bot sich ein lohnender Rundgang durch das Kneipenviertel. Der eigentliche Eingang befand sich zwar hinter dem Teich im Süden, aber schon entlang der König-Albert-Allee begann die Gastromeile. Dort stand die Hauptgastwirtschaft im Jugendstil an einem Ufer des großen Teichs. Auf der gegenüberliegenden Seite ragte der von vier Kuppeln gekrönte Bau des Wiener Cafés empor. An den schattigen Veranden und luftigen Terrassen beider Wirtschaften befanden sich zudem zwei kleinere Musikpavillons, von denen aus die Gäste einen freien Blick auf das bunte Treiben einer fröhlichen Menge hatten. Neben einer Nachbildung der Wartburg, die nicht nur einen Bergfried und andere originalgetreue Elemente bot, sondern auch einer der zwei Gastwirtschaften der Kulmbacher Exportbrauerei beherbergte, gab es entlang des Geländes eine Vielzahl verschiedener Gastwirtschaften um einen großen Musikpavillon herum. Dazu gehörten unter anderem die Bierstube der Leipziger Bierbrauerei Riebeck & Co. AG, der Kapellenbau vom Nürnberger Bratwurstglöckle, das Brauhaus „Zum Pilsner“, der Hallenbau der Dampfbrauerei Zwenkau, die Bierhalle „Zum Feldschlösschen“, das Kaffee-Haus zum Rothenburger Erker, das Weinrestaurant „Zum Dürkheimer“ in einer Burgruine und die italienische Weinbar „Aqua sola“. [2] Hier konnte man das Erlebte großschreiben und in vollen Zügen genießen. Auf dem großen Teich befand sich eine riesige Leuchtfontäne im Zentrum, deren imposante Wasserstrahlen aus allen Richtungen zu sehen waren. Neue Apparate ermöglichten beeindruckende mehrfarbige Lichteffekte mit vielen Scheinwerfern und erzeugten bis zu 40 Meter hohe Ringstrahlen. Am Abend erstrahlten sie abwechselnd in allen Farben des Regenbogens. Eine solch große und beeindruckende Leuchtfontäne hatte es weder auf der Pariser- noch auf der Berliner Ausstellung oder anderen Weltausstellungen zuvor gegeben. [3] Weitere Illuminationen boten ein regelmäßiges Farbspiel wie aus Tausend und einer Nacht. Eine erste Illumination nach der Eröffnung der STIGA zog tausende Gäste in ihren Bann. Rund um die Bordkappen der Teiche wurden Tausende von Kerzen (mind. 20.000) in mehreren Reihen angebracht. Tausende Girlanden aus bunten Lampions säumten die Allee, und Lämpchen in grünen und gelben Gläsern schmückten die Blumenbeete und Rasenflächen. Zeitzeugen beschrieben die Szenerie als fröhliches Vergnügen mit einer jubelnden Menge. Aber das ist eine andere Geschichte. [1] Vgl. StadtAL, Kap. 75 A Nr. 33 Bd. 2, Die Industrie und Gewerbeausstellung in Leipzig im Jahr 1897, in: Leipziger Ausstellungszeitung Sonderausgabe im Oktober 1896. Zur Verpflegungsfrage, S. 104 f. [2] Vgl. Offizieller Führer der Sächsisch-Thüringischen Industrie- und Gewerbeausstellung 1897, S. 90-94. [3] Vgl. StadtAL, Kap. 75 A Nr. 33 Bd. 2, Die Industrie und Gewerbeausstellung in Leipzig im Jahr 1897, in: Leipziger Ausstellungszeitung 29. August 1896. Von unserer Ausstellung S. 54. © 2022 is licensed under CC BY-NC-SA 4.0 Namensnennung – Nicht-kommerziell – Weitergabe unter gleichen Bedingungen

Der rechte Weg zur Industrie- und Maschinenhalle auf der STIGA

Ein beeindruckender Empfang erwartete die Besucher beim Betreten des Ausstellungsparks, zwischen Karl-Tauchnitz-Straße und Edvard-Grieg-Allee, in Leipzig. Zahlreiche Fahnen und Wappen der ausstellenden Städte und Länder schmückten das gewaltige Eingangstor, das von zwei hohen Obelisken flankiert wurde. Eine jugendliche Figur mit einer siegverheißenden Palme in den Händen verkörperte den reizvollen Geist der Ausstellung. Ihre Präsenz auf der Toranlage verlieh dem Ort eine feierliche Atmosphäre und lud die Besucher ein, sich auf ein beeindruckendes Erlebnis einzulassen. Die Palme selbst wurde mit Sieg, Ehre und Unsterblichkeit assoziiert. So strömten Zehntausende Menschen mit der Erwartung, einen ehrenvollen Sieg zu erlangen, zur feierlichen Eröffnung, um etwas Einmaliges und Nachklingendes zu erleben. Aus allen Richtungen kamen sie wohlgekleidet herbei und baten geduldig wartend um Einlass. Im Inneren erstreckte sich eine malerische Landschaft mit dekorativen Wiesenflächen, kleinen Kiosken und beeindruckender Gärtnerkunst. Bereits beim ersten Blick fiel das imposante Hauptgebäude der Industrie- und Maschinenhalle ins Auge, das sich im hinteren Teil der Ausstellung krönend erhob. Doch zunächst zog der große Schwanenteich im vorderen Teil des Ausstellungsparks die Aufmerksamkeit auf sich, in dessen Mitte ein Triumphschiff mit allegorischen Figuren majestätisch aus dem Wasser ragte. Die Ufer des Teiches (Wasserbassin) waren mit Statuen, Urnen, Koniferen und halbkreisförmigen Balustraden geschmückt. Besonders auffällig waren die gegenüberliegenden Terrassen mit den zwei großen in Kupfer getriebenen Vasen. Der Weg zum Hauptgebäude führte entlang einer breiten Lindenallee, der König-Albert-Allee, von der aus die Besucher problemlos zu den verschiedenen Bereichen der Ausstellung gelangen konnten. Der von den Veranstaltern vorgeschlagene Rundgang begann idealerweise auf der rechten Seite vom großen Eingangstor. Dort fiel sofort ein weiß schimmernder altgriechischer Tempel ins Auge, der sich durch seine Größe und Gestaltung von den kleineren Tempeln auf dem Gelände abhob. Vor einer Wasserfontäne idyllisch gelegen, wurde der Tempel von Koniferen, Sträuchern, Stauden, Lorbeerbäumen und Rosen umrahmt. Direkt neben dem Eingangstor befand sich der Nachbau des Altleipziger Messviertels aus dem 16. Jahrhundert. Dort konnten die Besucher den Auerbachs Hof, den Naschmarkt, einen bekannten Bettelbrunnen und das Abbild des altgotischen Rathauses von 1549 bewundern. Im Rathaus waren Wappen alter Patrizierfamilien, Sammlungen aus vergangenen Feldzügen, Leipziger Altertümer, ein Reliefbild der Stadt zur Völkerschlacht und eine Statue von Kaiser Maximilian I. zu sehen. Gleich dahinter befand sich auf einer Linie mit der altgriechischen Tempelanlage der Eingang zur Gartenbauhalle. Die Bedeutung der Gartenkultur für Leipzig spiegelte sich sowohl in der Gestaltung des Ausstellungsparks als auch in der zentralen Lage der Gartenbauhalle in der Ausstellung wieder, denn Leipzig etablierte sich neben Bamberg, Erfurt, Quedlinburg und Dresden als ein repräsentatives Zentrum der deutschen Gartenbaukunst. Ein besonderes Highlight bot das Tropendiorama im Inneren der Halle, das mit beeindruckenden Bildern die Vegetation in Übersee darstellte. Darüber hinaus gab es verschiedene Sonderausstellungen, die die Vielfalt des Gewerbes, der Botanik und der Tierwelt präsentierten. Dazu zählten auch Jagdtrophäen, Handwerksschulen, Amateurfotografie und Briefmarken. Die Kunsthalle befand sich ebenfalls in dieser Gegend. Dort wurde eine dauerhafte Verkaufsausstellung deutscher Werke zeitgenössischer Kunst gezeigt, insbesondere Werke aus Sachsen und Thüringen. Der Leipziger Künstler Max Klinger präsentierte während der Ausstellungszeit erstmals sein Werk „Christus im Olymp“. Anschließend folgte der geschmackvolle Bau der Textilhalle, in der der gesamte Produktionsprozess der hiesigen Textilbranche vorgestellt wurde. Beim Betreten der Halle befanden sich links die Spinnerei und rechts die Webereiarbeiten. Daneben befand sich die Halle für Landwirtschaft, Sport und Hygiene. Dort wurden die neuesten landwirtschaftlichen Maschinen, Geräte und Erzeugnisse der Fischerei und Imkerei sowie Artikel für die Gesundheitspflege, Jagd, Schießsport und Fahrsport präsentiert. Zwischen den beiden Hallen und befanden sich zwei privatbetriebene Pavillons. Einer davon war bestimmt zum Ausstellen von Maschinen und Einrichtungsgegenständen für die Wurstfabrikation einer privaten Fleischerei, die ihre dort hergestellten Waren auch zum Verkauf anbot. Der andere Pavillon zeigte in gleicher Art und Weise den Betrieb einer Meisterbäckerei. Dahinter befand sich die Halle für Gas und Wasser, die die praktische Anwendung von Gas und Wasser im Haushalt beim Heizen, Backen oder allgemein die Verwendung der Rohstoffe in der industriellen und gewerblichen Gasverarbeitung zeigte. Beim Betreten der Ausstellungshalle der Leipziger Stadtverwaltung konnte man unter anderem Bauzeichnungen des Grassi-Museums, der Markthalle sowie Entwürfe für das Völkerschlachtdenkmal und geplante Schmuckanlagen bewundern. Auf der Rückseite der Halle gab es eine Darstellung moderner Straßenbaukonzepte. Auf dem Rückweg zur König-Albert-Allee kamen die Besucher an einem Nachbau des Loreleybrünnleins vom Berliner Bildhauers Ernst Herter aus Galvanoplastik vorbei, das im gleichen Jahr zum 100. Geburtstag zu Ehren des deutschen Dichters und Schriftstellers Heinrich Heine der deutschen Öffentlichkeit vorgestellt wurde und eine heftige Debatte auslöste. Das Denkmal wurde 1899 nicht in Deutschland, sondern im damaligen Franz-Sigel-Park in New York aufgestellt. Entlang der Lindenallee befand sich ein erhöhter Rundbau mit einem beeindruckenden Kolossalgemälde der Kreuzigung Christi. Das Bild zeigte unter anderem den Ölberg und die Moabitberge jenseits des Toten Meeres westlich der Stadt Jerusalem. Vorbei am Krystallpalast-Varieté-Theater gelangten die Besucher zur Tiroler Bergfahrt. Auf einem hohen Felsen erstreckte sich bis zum Ufer des Elsterflutbetts eine halb zerfallene Burgruine, ein Nachbau des bekannten „Schloss Taufer“ aus dem Mittelalter. Im Inneren befand sich ein Alpen-Diorama, das eine malerische Alpenlandschaft zeigte. Mit einer Bergbahn konnten die Besucher diese lebhaft erkunden. Zum Ende der König-Albert-Allee führte eine breite Brücke über das Elsterflutbett vorbei an vier Eckstatuen der Skulpturengruppen „Saxonia“ und „Thuringia“ zum imposanten Bau der Industrie- und Maschinenhalle. Das Hauptgebäude der Ausstellung war von allen Seiten hoch und repräsentativ. Über die König-Albert-Brücke gelangten die Besucher entlang eines großen Reiterstandbilds des Königs zum dreiteiligen Hauptportal. Beim Aufblicken konnte man neben zahlreichen Ecktürme auch eine Aussichtsplattform mit Ferngläser-Automaten sehen. Der Aufstieg versprach einen faszinierenden Blick über den Ausstellungspark, die Stadt und die umliegende Landschaft. In der Industriehalle waren zahlreiche Ein- und Ausgänge sowie mit Malereien verzierte Decken und Wände. Hervorstehende Friesen zeigten bunte Mosaike und die Fenster waren mit unterschiedlichen Glasmalereien versehen. Statuen und Pavillon-Systeme waren dekorativ ausgestellt und zeigten den beeindruckenden Präsentationswillen der beteiligten Aussteller verschiedener Industriezweige, die ihre neuesten Errungenschaften präsentierten. Ein besonderes Augenmerk lag dabei auf Mechanik und Automatisierung. In der Maschinenhalle wurden alle Maschinen dauerhaft durch Transmission und Elektrizität betrieben, woran verschiedene Unternehmen mit unterschiedlichen Antriebssystemen beteiligt waren. Aber das ist eine andere Geschichte Vgl. StadtAL, Kap. 75 A Nr. … Weiterlesen

Von der Vision einer Weltausstellung in Sachsen

Die Idee für eine internationale Ausstellung in Leipzig kam 1893 aus einem Kreis von Leipziger Gastwirten und Hoteliers an die Leipziger Handelskammer. Ein nationales Ereignis mit großer Ausstrahlungskraft für die alte Handels- und neu aufstrebende Industriestadt sollte es werden, am besten eine Weltausstellung. An den Erfolg glaubte die Handelskammer (noch) nicht und befürwortete höchstens eine lokale Gewerbeausstellung. Schließlich befand man sich in einer schwierigen Zeit. Aufgrund der Cholera wurde 1892 die Leipziger Michaelis-Messe abgesagt. Eine Katastrophe für alle Beteiligten. Zu jener Zeit war die Infektionskrankheit eine neuartige Epidemie, die sich durch verunreinigtes Trinkwasser und infizierte Nahrung schnell über die Grenzen hinaus übertragen hat. Die gesundheitlichen Sorgen waren berechtigt, der Gewerbe- und Messestandort in der Krise. [1] Eine Gruppe von Gewerbetreibenden um den Kaufmann und Stadtverordneten Blanke propagierte vielleicht auch deswegen die Idee einer größeren Gewerbeausstellung. Hinzu kam, dass Sachsen keine solche Ausstellung seit langer Zeit veranstaltet hatte. Nach intensiven Verhandlungen einigten sich die verschiedenen Interessengruppen mit der Stadt auf die Durchführung einer erweiterten Sächsischen Landesausstellung. Neben dem Königreich Sachsen sollte die Umsetzung gemeinsam mit den sieben Thüringischen Staaten gelingen (Herzogtümer Sachsen-Altenburg, Sachsen-Coburg und Gotha sowie Sachsen-Meiningen, die Fürstentümer ältere und jüngere Linie zu Reuß, Schwarzburg-Rudolstadt und Schwarzburg-Sondershausen). Zugleich befürwortete man die Teilnahme anderer Staaten (der preußischen Provinz Sachsen, des Herzogtums Anhalt, den preußischen Regierungsbezirk Liegnitz, der Mark Brandenburg ohne Berlin und die drei fränkischen Kreise Bayerns). Der Ausstellerkreis sollte über die mitteldeutsche Region hinausgehen. Das erklärte Ziel war es, verstärkt kleine- und mittelständische Unternehmen miteinzubeziehen und zu fördern. Ebenso war beabsichtigt, die Synergien einer Messe in beide Richtungen mitzudenken und die Ausstellungsdauer so zu gestalten, dass Frühjahrs- und Herbstmesse parallel partizipieren können. [2] Schließlich wurde das Ausstellungsjahr 1897 bewusst ausgewählt. In diesem Jahr gab es deutschlandweit keine Konkurrenz zu anderen Ausstellungen. Passend dazu war es ein 400-jähriges Jubiläumsjahr der kaiserlichen Verleihung des Messeprivilegs an Leipzig. Man konnte das Jubiläum angemessen dafür einsetzen, um die Sächsisch-Thüringische Industrie- und Gewerbeausstellung (Länderausstellung) in ihrer überregionalen Bedeutung aufzuwerten. Denn „Ehre, wem Ehre gebührt“ – Kaiser Maximilian hatte 1497 mit der Verleihung des Messeprivilegs schließlich die Grundlage für das Wachstum und das große Ansehen Leipzigs als Handels- und Messestadt gelegt. Die Fürsprecher bekamen 1894 durch eine Umfrage viel Rückenwind. Über 80 Prozent der befragten Wirtschafts- und Industriekreise in Sachsen und Thüringen befürworteten das Vorhaben. König Albert von Sachsen übernahm daraufhin höchst selbst die Schirmherrschaft und verlieh dem ambitionierten Vorhaben 1895 königliche Relevanz und Legitimation. Daneben bildeten sich eine Reihe von Fachausschüssen und Komitees. Es gab ein Ehrenpräsidium, dem der Leipziger OBM Dr. Georgi und auch die Vorsitzenden der Handelskammer und Gewerbekammer sowie bedeutende Staatsminister angehörten, und ein Ehrenkomitee mit Mitgliedern aus Botschaften europäischer und amerikanischer Staaten etc. [3] Die Direktion übernahm der Rechtsanwalt Dr. Küstner. Ihm zur Seite standen ein geschäftsführender Ausschuss aus den so genannten „besten Kreisen der Stadt“ – Stadtrat Dodel (1. Vorsitzender), Kgl. Kommerzienrat Mey und Fabrikbesitzer Sening (stellv. Vorsitzende), Justizrat Dr. Colditz, Stadtrat Ehmig, Kgl. Kommerzienrat Kirchner, Bankdirektor Dr. Messerschmidt (Stadtrat a. D.), Stadtrat Dr. Schanz und Fabrikbesitzer Waselewsky. Die Finanzierung organisierte sich über einen von der Deutschen Kreditanstalt und der Leipziger Bank aufgelegten Garantiefond. An ihm beteiligten sich die Leipziger Bürger mit Garantiescheinen in Höhe von etwa 1.750.000 Mark. Die städtischen Behörden übernahmen ebenfalls Garantiescheine im Wert von 250.000 Mark. Weitere 80.000 Mark kamen aus der Grassi-Stiftung dazu. [4] Das Gelände am Scheibenholz und Johannapark Die Stadtverwaltung beteiligte sich, nicht nur mit Garantiescheinen, sondern überließ der zukünftigen Bauleitung 1895 auch eine rund 40 ha große Weide- und Wiesenfläche am Elsterflutbett. Das sumpfige Gelände lag nahe dem reich geschmückten Villen-Viertel am Johannapark in unmittelbarer Nähe zur Innenstadt. Nicht ohne Grund, denn die Stadtverordneten stimmten diesem Vorschlag zu, auch deshalb, weil dieses Areal nach Ende der Ausstellung als Stadtpark einen bleibenden Charakter einnehmen sollte. Es war ein gleichmäßiges Gelände, das hier und da etwas abfällt. Anstelle holpriger Wege und tiefgelegenen Wiesen traten festgebaute Straßen, üppige Promenadenwege und glitzernde Wasserflächen. Eine breite Brücke über das Elsterflutbett verbindet die innere Stadt noch heute mit ihren westlichen Vororten und feste Dämme schützen auf alle Zeiten gegen jedes Hochwasser, den Masterplan dazu erarbeitete Arwed Rossbach. [5] „Wenn dann nach einem Jahre voll Glanz und Jubel und Triumph die stolzen Paläste gesunken und dem Erdboden gleichgemacht sein werden und keine hindernde Schranke mehr den freien Zutritt wehrt, wenn Jung und Alt, Arm und Reich sich in den herrlichen Anlagen ergeht, um fern und doch nah bei der Stadt geschäftigem Getriebe in freier, frischer Luft Erquickung zu suchen, dann wird die Erinnerung an die Ausstellung, die Schöpferin dieses zum Gemeingut gewordenen Erholungsplatzes, neu aufleben in den Herzen der genießenden Bürger und man wird dankbar preisen ihr Vermächtnis – das Gebliebene.“ Leipziger Ausstellungszeitung Nr. 101, 1. November 1896. Mit Kosten in Höhe von etwa 530.000 Mark legte man das Gelände weitgehend trocken. Es entstanden Schleusenbauten, Brücken, Teiche, Gärten und eine eigene Strom- und Wasserversorgung. Der Ausstellungspark wurde in bevorzugter Weise an die städtische Straßenbahn und Sächsische Staatsbahn angebunden. Nach Zustimmung des Stadtrates lobte die Stadt 1895 einen Architekturwettbewerb aus. Am Ende des Wettbewerbs stand ein Konsortium aus ausgewählten Architekten, die den Bau der einzelnen Ausstellungsbereiche gemeinsam planten und beaufsichtigten. Die Juroren waren u.a. der Erbauer des Berliner Reichstages Wallott und der Leipziger Stadtbaurat Licht. Nach zwei Jahren Bauzeit präsentierte sich ein neuer Stadtteil. [6] Die STIGA war vom 24. April bis zum 19. Oktober 1897 mit insgesamt 3.027 Ausstellern die in diesem Jahr einzig große Ausstellung in Deutschland. Herausragende Staatsgäste kamen zur feierlichen und festlich geschmückten Eröffnung auf Einladung der Sächsischen Königsfamilie. Doch das ist eine andere Geschichte. [1] StadtAL, Kap. 75 A Nr. 33 Bd. 2, Die Industrie und Gewerbeausstellung in Leipzig im Jahr 1897, in: Leipziger Ausstellungszeitung Nr. 133 vom 24. April 1897. Wie die Ausstellung ward, S. 351. [2] Vgl. Hochmuth, Enrico 2012: Industrie- und Gewerbeausstellungen in Sachsen 1824-1914. Ihr Beitrag zur kommunalen und regionalen Standortbildung, in: Beiträge zur Wirtschaftsgeschichte Sachsens Band 9, S. 66 f. [3] StadtAL, Kap. 75 A Nr. 33 Bd. 1, Die Industrie und Gewerbeausstellung in Leipzig im Jahr 1897, in: … Weiterlesen

Ein Blick in die Literatur – STIGA in Leipzig

Die Ausstellungen, die ihren Ursprung den Museen verdanken, traten das erste Mal in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts in die Erscheinung. Sie haben sich seitdem zu einer Institution herausgebildet, die uns jetzt ein geradezu unentbehrliches Bedürfnis dünkt und unserer Zeit ihren eigenartigen Stempel unverkennbar aufdrückt, so daß wir das neunzehnte Jahrhundert das Zeitalter der Ausstellungen nennen könnten. Nachdem das Ausstellungstreiben vergangenes Jahr im Norden und Süden seinen Höhepunkt erreicht zu haben schien, pulsiert es heuer besonders lebhaft mitten im Herzen Deutschlands – in Leipzig. Die Pleißestadt ist durch ihre Bedeutung als alte Handelsempore und durch die centrale Lage im Reiche wie kein anderer Platz geeignet, den Industrie- und Gewerbefleiß der arbeitsamen Bevölkerung Mitteldeutschlands in einem großartigen Gesamtbilde der Welt vorzuführen, und der Aufruf Leipzigs zur Veranstaltung eines friedlichen Wettbewerbs innerhalb seiner Mauern verhallte denn auch nicht ungehört. Das ursprünglich in beschränkterem Rahmen schon für das Jahr 1895 geplante Unternehmen wurde aufgeschoben, wuchs sich aus und gestaltete sich nun zu einer weit über das gewöhnliche Maß hinausgehenden Ausstellung, an der nicht allein das Königreich Sachsen und die Thüringischen Staaten, sondern auch das Herzogtum Anhalt, die preußischen Provinzen Sachsen, Brandenburg (mit Ausnahme Berlins), der Regierungsbezirk Liegnitz von Schlesien und die drei fränkischen Kreise Bayerns beteiligt sind. Wie die Ausstellungen von jeher gern an ein geschichtlich wichtiges Ereignis anknüpften so ist auch die Leipziger Ausstellung in Erinnerung an das Jahr 1497, in dem die bedeutungsvolle Einrichtung der Leipziger Messen von Kaiser Maximilian I. bestätigt und konfirmiert wurde, ins Leben gerufen worden. Die Ausstellung, welche am 24. April dieses Jahres in Anwesenheit des Königs Albert von Sachsen feierlichst eröffnet wurde, hat ihren Platz im westlichen Teile der Stadt auf den zwischen Karl Tauchnitz- und Bismarckstraße sich hinziehenden Parkwiesen erhalten. Sie ist also für den Besucher leicht erreichbar, dem überdies durch elektrische Bahnen jederzeit die schnellste Fahrgelegenheit nach allen Himmelsrichtungen geboten wird. Treten wir durch das von zwei hohen Obelisken flankierte Hauptthor in den Ausstellungspark ein, dessen Fläche 400 000 qm umfaßt, so wird uns ein überraschend schöner Anblick zu teil. Vor uns dehnt sich eine überaus reizvolle Landschaft aus. Inmitten herrlicher Anpflanzungen liegt ein blinkender Weiher eingebettet, der von Schwänen belebt und von zierlichen Statuen umrahmt ist, und im Hintergrunde ist das imposante Hauptgebäude sichtbar, das wie ein weißes Schloß zu uns herübergrüßt. Das ist unser Ziel. Wir schreiten die um das Wasser führende breite Lindenallee entlang, die sich durch prächtige Gartenanlagen hinzieht, in denen Kioske und Tempelchen malerisch verstreut liegen, und gelangen über die Flutkanalbrücke, die mit Statuen geschmückt ist, welche Sachsen und Thüringen, Industrie und Gewerbe verkörpern, bis vor das mächtige Hauptgebäude. Dicht vor demselben ist ein Reiterstandbild des Protektors der Ausstellung, König Alberts von Sachsen, errichtet. Das in Renaissancestil gehaltene Bauwerk selbst, das samt der mit ihm vereinigten Maschinenhalle einen Flächenraum von über 40 000 qm einnimmt, ist mit einer Anzahl kleiner Türmchen geziert und zeigt vor der Front die von Säulen getragenen allegorischen Figuren der Städte Dresden, Leipzig, Chemnitz und Erfurt. Wir begeben uns durch das mittelste der drei Portale in den hochgewölbten Kuppelbau, dessen Decken- und Wandmalerei einen hübschen Gedanken zum Ausdruck bringt. Vier mächtige Eichbäume, deren Zweige Putten mit den bezüglichen Attributen beleben, sollen die einzelnen Gewerbarten darstellen. Sie wachsen an den Wänden zur Decke empor, an der sich ihre Laubkronen zur Umkränzung des Symbols der Industrie, eines großen Zahnrades mit dem sächsischen Wappen, vereinen. An der dem Eingang gegenüberliegenden Galeriewand ist eine Orgel aufgestellt und auch im übrigen haben hier besonders wirksam gruppierte und ins Auge fallende Gegenstände Platz gefunden. In einem der nächsten Räume nimmt die Ausstellung des Buchgewerbes ihren Anfang, als deren mächtigste Vertreterin Leipzig obenan steht. Die Halle, in deren Mitte sich die Statue Gutenbergs erhebt, und von deren Wänden die Riesenbilder der vier Evangelisten herabgrüßen, ist mit düsterer Holzdecke ausgestattet und mutet wie eine Klosterbibliothek an. Hier hat auch die Verlagshandlung unseres Blattes ausgestellt. In dem Bestreben, ihrem Platz ein gefälliges Aussehen zu verleihen, ist sie aus begreiflichen Gründen auf den Gedanken gekommen, ihn mit einer grün umrankten Gartenlaube zu umgeben. Hier finden wir sämtliche Jahrgänge der „Gartenlaube“, die seit ihrer Gründung durch Ernst Keil im Jahre 1853 erschienen sind, in stattlicher Reihe aufgestellt. Ein charakteristisches Bild Ernst Keils schmückt die Mittelwand der Laube und die übrige Wandfläche bedecken Originalbilder von berühmter Künstlerhand. Nebenan hat sich das graphische Gewerbe niedergelassen, das uns unter anderem den Dreifarbendruck praktisch vorführt und dem sich die photographischen Künste, die Papierfabrikation und sämtliche andere verwandte Geschäftszweige anschließen. Ein interessantes Bild gewährt der Raum, in dem uns klargemacht wird, welche große Bedeutung die Chemie für die Industrie gewonnen hat. Denken wir nur an das kleine Zündholz, dessen Erzeugung hierher gehört. Welche wichtige Rolle spielt es nicht in unserem Leben! Hat man doch ausgerechnet, daß auf den Kopf der Bevölkerung Deutschlands täglich 6 Zündhölzchen kommen, d. i. bei 52 247 000 Einwohnern also ein Verbrauch von 313 482 000 Stück. Ein hoher Obelisk, der aus Schachteln sogenannter Schwedischer Zündhölzer aufgebaut ist, erinnert zugleich daran, wie segensreich diese deutsche Erfindung wirkt, indem sie die gesundheitsschädliche Herstellung der giftigen Phosphorhölzer immer mehr verdrängt. Gut beschickt ist auch die Abteilung für Musikinstrumente, auf welchem Gebiete sich Klingenthal, Markneukirchen und andere Orte des Vogtlandes einen Weltruf erworben haben, ferner die für Pianofortebau, in dem wieder Leipzig Mustergültiges leistet. Unerreicht in der ganzen Welt steht die Uhrenfabrikation der sächsischen Stadt Glashütte da, die selbst den berühmten Genfer Erzeugnissen gegenüber den Vorzug genießt. Einen bedeutenden Industriezweig Sachsens und Thüringens bildet die Keramik. Allen anderen Städten voran marschiert hier Meißen mit seiner Königlichen Porzellanmanufaktur, die zahlreiche künstlerische Erzeugnisse aufgestellt hat. Ferner festigen die Galanterie- und Spielwarenindustrie des Ausstellungsgebietes durch das, was sie herbeigeschafft, die hohe Meinung, die man schon längst überall von ihnen hegt. Einen gewaltigen Eindruck hinterläßt die Gruppe „Berg-und Hüttenwesen“, deren Produkte ganz ausgezeichnete sind. Und auch die anderen Zweige alle sind vertreten und verdienen Anerkennung und vollstes Lob. Hervorragendes Interesse erweckt die Maschinenhalle mit ihren unzähligen großen und kleinen Betrieben. Eisenbahnzüge, die mit allen Ausrüstungen der Neuzeit versehen sind, können wir besteigen und besichtigen. Der Schnellzug mit seinen Brems- und … Weiterlesen

Aus der Presse – Letzte Worte zum Abschied der STIGA

Sechs Monate lang hat der braune Jüngling im grünen Grunde mit der Rechten den Lorbeer emporgehoben, und mit diesem Attribut stolzer Ehrung auf die goldenen Früchte gedeutet, die im Wipfel des Baumes schimmerten. Während die Einen diesen reichen Obstsegen des Placates als den Erfolg ehrlichen, rühmlichen Strebens aus allen auf der Ausstellung vertretenen Gebieten der Industrie und des Gewerbes nunmehr gedeutet wissen wollen, weisen tiefsinnigere Naturen damit den über alles Erwarten reich ausgefallenen Besuch nach, bei dem in der That „kein Apfel zur Erde konnte“. Dir Symboliker beider Anschauungen dürfen und müssen Recht behalten: Ehre und Ruhm wurde allen Betheiligten an dem glanzvollen Werke zu Theil, reger Zufluß von Besuchern aus allen deutschen Gauen und vom Auslande her ließ die Wallfahrt an manchen Tagen zu einem riesigen Umfang anwachsen. Jetzt, wo es an‘s Scheiden geht, überkommt Manchem eine gewisse Wehmuth über das Zerstören, Auflösen, Vergehen eines glänzenden Werkes, welches, das darf man bedingungslos aussprechen, unserer Leipziger Bewohnerschaft so ganz ans Herz gewachsen war und der letzteren ein Semester lang immer den willkommensten und freudigsten Anlaß gegeben hatte, weitesten Kreisen außerhalb der freundlichen Lindenstadt die Schönheit und Gediegenheit ihrer in jeder Beziehung wohlgelungenen Ausstellung bewußt werden zu lassen. Je nach der individuellen Geschmacksrichtung fand zudem dort Jeder seine Rechnung, der eine im ästhetischen Genuß ausgiebige Anschauung Dessen, was Natur, Kunst, Gewerbe und Industrie geschaffen, der andere in der Huldigung des Gedankens, daß neben der Betrachtung, sollte sie eindrucksvoll bleiben, auch der materiellen Stärkung zu ihrem Jahrtausende alten Recht verholfen werde. An Mitteln zur Ausführung dieser Idee hat es wahrlich nicht gefehlt. Am südöstlichen Uferrand des großen Sees von der Stelle an, wo der „Dürkheimer“ den Weg wie ein Raubritter verlegte, um frohe Bacchusjünger zu fangen, bis hin zum „Bratwurst-Glöckli“, dessen letzte Stunde jüngst schon geschlagen, legte sich bogenförmig das Kneipenviertel, der beliebte Treffpunct aller durstigen Seelen. Es war die Mausefalle für Hunderttausende. Wer einmal drin saß, kam nicht wieder heraus. Nun sind auch die Herrlichkeiten aller dieser Stätten im Schwinden. Es wird die Facade des freundlichen „Tucherbräu“ mit der gemalten Mohrenkopfmarke in Trümmer sinken, es wird der von der Leipziger Damenwelt in täglichem Ansturm seiner Küchenbuffets genommene „Rothenburger Erker“, den Stunde für Stunde schrille Zigeunermusik „umsäuselte“, den Weg alles Gipses wandeln, und die grellweiß getünchte Osteria am Teichgestade vergehen, dort, wo das weithinleuchtende Wort Aqua sola den Unkundigen zu der Meinung führte, daß der gewässerte Titel gleichwerthig mit Aqua soda, Sodawasser, sei. Wo einst das „Willkommen“ zum Eintritt und zum Beschauen winkte, macht sich seit Kurzem das häßliche „Verkäuflich“ breit. Allerorten wird ausverkauft. Die Fischkosthalle sucht für ihre 15 000 Biermarken Abnehmer; alles kommt zum Angebot: Pavillons, Schränke, Tische, Stühle, Palmen, Büsten, Villen, Bänke, Gläser und Flaschen, denn die Uhr ist abgelaufen und die Logis sind gekündigt. Ungern trennt man sich von dem köstlichen architektonischen Bilde auf waldumzogenem Plan. Wie oft hat der alte, von flatternden Wimpeln gekrönte Wartburgthurm freudig auslugende Bewunderer auf seinen Zinnen gesehen, Hunderte von idealen „Strebern“, die im Innern des viereckigen Kolosses langsam zur ersehnten Höhe emporgewunden wurden. Was sie sahen, das war bezaubernd. Vor sich Wasser und Wald, dazwischen farbig aufleuchtende Bauten mit Kuppeln, Thürmen und Thürmchen, Kiosken und Tempeln, Brücken und Terrassen, mit einem Wort eine herrliche Welt, in der nur Freude und Vergnügen zu Worte kamen, hinter sich aber bis zur Grenze des idyllischen Blockhauses das Thüringer Dörfchen in der ganzen Ursprünglichkeit von Raum und Form. Jetzt steht das Mühlrad still; der Esel, diese reizende Staffage der Lindenmühle, hat seine Schuldigkeit gethan und geht, auch ist das Schicksal der wohlgemästeten Gänsecolonie im Dorfteich, dem heiligen Martinus zu Ehren geopfert zu werden, nunmehr unwiderruflich besiegelt, der Dorfteich selbst dem Austrocknen verfallen. Bei den letzten Gemeinderaths-Sitzungen im Gemeindehause tauchte bei feurigem Most der Wunsch auf, Manches erhalten zu sehen, was für die Nachwelt als Relicten-Architektur von Werth sein könne, doch resignirt blieb Alles bei Wunsch und Most. „Menschen, Menschen sein mer Alle, Fehler hat a Jeder gnua, Alle können doch nicht gleich sein, das liegt schon in der Natur“ sang noch einmal die lustige Capelle, dann schloß auch diese denkwürdige Sitzung. Noch einige Male wird der Tanzboden in der „Tanne“ schwanken, werden die Musikanten im Felsgewölbe der Wernesgrüner Schänke fiedeln, dann ist es aus. Was war das für ein Leben in diesem Sommer dort oben auf der Terrasse der Wernesgrüner Schänke, wie schäumte und perlte dort die Wernesgrüner Weiße! Herrliche Tage verleibt der Himmel auch jetzt noch in seiner Gunst dem Werke, Tage voll Sonnenscheins und wahrer Frühlingsstimmung, gleichsam als wollte er Das, was er in den letzten Wochen versagt, nun am Schlusse wieder in vollstem Maße gut machen und ein glänzendes sonniges „Finis coronat opus“ aufleuchten lassen. Und dankbar genießt unser Publicum diese Himmelsgunst und strömt in vollen Schaaren hinaus auf den Ausstellungsplatz, um den letzten wehmüthigen Abschied von den Herrlichkeiten zu nehmen, die unser Leipzig für ein halbes Jahr mit einem Leben erfüllt hatten, das uns sonst nur die Messen zu bringen pflegten. Vor einigen Tagen allerdings fröstelte es stark in der Natur. Es war Herbststimmung, es war ein anderes Bild. … Der Wind trug fahle Blätter aus dem „Scheibenholz“ herüber und streute sie auf Bank und Weg. Fast passagierlos polterte der Train der elektrischen Rundbahn durchs Gehölz, über die Fluthcanalbrücken, an der Boma der Schwarzen vorbei, am Alten Meßviertel vorüber, dann huschte sie hinter den Nietzschmann‘schen Wursttempel, hinter das Panorama und den anderen Kolossalbauten dieser Schaustellungslinie, um später am Eismeerpanorama wieder zum Vorschein zu kommen. Nun ist der Moment, an dem die imitirten Eisschollen zu Feuerholz zerhackt, die Eisbären und Seelöwen verpackt und die nimmersatten Möven und Taucher anderwärts einquartiert werden sollen, unwiderruflich gekommen. Welcher Ohrenschmaus bisher, als die Seelöwen in klagendem, abgehacktem Bellen theils Hunger, theils Wohlbefinden verriethen, als die Capelle der ihre Insassen quirlartig drehenden elektrischen Stufenbahn mit der zwingenden Gewalt des Bleches das Surren und Rasseln der mächtigen, mit Glühlampen überreich decorirten Drehscheibe übertönte, als das Schmettern der Trompeten das Einreiten sportkundiger Jünglinge und verwegener Amazonen in die Arena des Hippodroms verkündete. Jetzt wird an allen Ecken und Enden … Weiterlesen

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