Petition – Wiederherstellung der historischen Terrassen

Leipzig, die Stadt der Parks und Gärten, sollte um eine Besonderheit reicher werden: Dank einer erfolgreichen Petition im Jahr 2019 kehren die Terrassen am Ufer des vorderen Wasserbeckens in den heutigen Clara-Zetkin-Park zurück. Zumindest hatte der Stadtrat diesen Sachverhalt in seiner Sitzung am 13. Februar 2019 so beschlossen. Die Parkanlage, ursprünglich als König-Albert-Park bekannt und später in der DDR nach sowjetischem Vorbild umgestaltet und in Clara-Zetkin-Park umbenannt, hatte im Zuge dieser Umgestaltung die Terrassen am Ufer verloren. Der Clara-Zetkin-Park umfasst den Volkspark im Scheibenholz und verbindet als grüner Korridor den südlichen und nördlichen Teil des Leipziger Auwaldes. Zusammen mit dem Johannapark, dem Leipziger Palmengarten sowie dem Klinger- und Richard-Wagner-Hain im Leipziger Westen bildet dieses Ensemble ein großes Kulturdenkmal, das im ausführlichen Denkmalverzeichnis des Sächsischen Landesamtes für Denkmalpflege als besonders schützenswert eingestuft wird (SächsDenkmSchG § 2, 1). Besonders hervorgehoben werden Vegetation und Gewässer, Wege und Plätze, Bauten und Skulpturen sowie topografische Besonderheiten. Alle einzelnen Bauwerke, Steinmale und sonstige Werke der bildenden Kunst und des Kunsthandwerks stehen zudem als Einzeldenkmale gesondert unter Denkmalschutz (SächsDenkmSchG § 2, 5, c). Wesentliche Wegebeziehungen, Sichtachsen und Gestaltungsbauten im Clara-Zetkin-Park sind auf die Sächsisch-Thüringische Industrie- und Gewerbeausstellung 1897 in Leipzig (STIGA) zurückzuführen. Die Stadt stellte damals eine 40 Hektar große Wald- und Wiesenfläche zwischen dem Bach- und dem Musikviertel am Elsterflutbett zur Verfügung und beteiligte sich finanziell am Gartenbau des Gesamtareals. Zur landschaftlichen Ausgestaltung des Geländes wurde ein Masterplan vom Königlich Sächsischen Baurat Arwed Rossbach erarbeitet. Ein Konsortium ausgewählter Architekten realisierte den Bau der zuvor festgelegten Ausstellungsbereiche. Dabei wurde darauf geachtet, dass die Anlagen einen parkartigen Charakter behielten. Ursprünglich gehörten die Terrassen beidseitig am Ufer des Wasserbeckens zum Ausstellungspark und waren ein Teil der Parkanlage bei der Umgestaltung zum damaligen König-Albert-Park bis 1904. „Wenn dann nach einem Jahre voll Glanz und Jubel und Triumph die stolzen Paläste gesunken und dem Erdboden gleichgemacht sein werden und keine hindernde Schranke mehr den freien Zutritt wehrt, wenn Jung und Alt, Arm und Reich sich in den herrlichen Anlagen ergeht, um fern und doch nah bei der Stadt geschäftigem Getriebe in freier, frischer Luft Erquickung zu suchen, dann wird die Erinnerung an die Ausstellung, die Schöpferin dieses zum Gemeingut gewordenen Erholungsplatzes, neu aufleben in den Herzen der genießenden Bürger und man wird dankbar preisen ihr Vermächtnis – das Gebliebene.“ Leipziger Ausstellungszeitung Nr. 101, 1. November 1896. Die Wiederherstellung der historischen Terrassen wäre ein bedeutender Schritt in der Denkmalpflege, da die grundhafte Sanierung der Parkanlage und ihrer baulichen Anlagen wie dem Wasserbecken an der Anton-Bruckner-Allee wichtige Entwicklungsziele der Stadt sind. Der Clara-Zetkin-Park ist ein Kulturdenkmal, das aus über 100 Jahren künstlerischer Garten- und Landschaftsgestaltung besteht und städtebauliche Bedeutung hat. Daher gibt es ein öffentliches Interesse an seinem Schutz und seiner Pflege. Zum Online-Artikel: https://www.l-iz.de/politik/brennpunkt/2019/01/Die-Wiederherstellung-der-Terrassen Beschlussvorlage Nr. VI-P-05928-DS-03 am 13. Februar 2019 einstimmig so beschlossen: „Die Wiederherstellung der historischen Terrassen ist Inhalt der Denkmalpflegerischen Zielstellung. In den Jahren 2023 bis 2026 werden schrittweise Planungs- und Sanierungsmaßnahmen durchgeführt. Die Bepflanzung wird entsprechend den Vorgaben der Zielstellung verändert. Die Finanzierung erfolgt über das Förderprogramm „Zukunft Stadtgrün“ in Höhe von 430.000,00 €. Folgende finanziellen Mittel sind für diesen Bereich in den Jahren 2023 bis 2026 vorgesehen:2023 – 50.000,00 €2024 – 150.000,00 €2025 – 150.000,00 €2026 – 80.000,00 €. Ein konkreter Zeithorizont für die Umsetzung der einzelnen Maßnahmen kann erst nach Erstellung der Planung gegeben werden. Die Finanzierung der Planung ist Bestandteil des Budgets ab 2023.“ * Anmerkung: Bei einem Akteurstreffen Clara-Zetkin-Park und Johannapark am 28. April 2023 im Rahmen der Unser Park–Kampagne unter der Leitung von Amtsleiter Rüdiger Dittmar wurde mitgeteilt, dass die Obere Denkmalschutzbehörde in Dresden der Wiederherstellung der historischen Terrassen im Clara-Zetkin-Park ablehnend gegenübersteht. Die Gründe sollten hierzu gesondert mitgeteilt werden. Eine offizielle Begründung liegt aktuell nicht vor. Und die Bitte um eine schriftliche Begründung, warum die Terrassen abgelehnt worden, wurde bislang vom Amt für Stadtgrün und Gewässer nicht beantwortet. Vgl. Landesamt für Denkmalpflege Sachsen. Clara-Zetkin-Park, in: Ausführliches Denkmalverzeichnis. OBJ-Dok-Nr. 09295784, Stand: 7. März 2012. StadtAL, Kap. 75 A Nr. 33 Bd. 2, Die Industrie und Gewerbeausstellung in Leipzig im Jahr 1897, in: Leipziger Ausstellungszeitung Nr. 101 vom 1. November 1896. Das Bleibende, S. 134.

Leipziger Palmengarten – War der schönste Ort der Stadt

Der Leipziger Palmengarten ist in vielerlei Hinsicht mit der Entstehungsgeschichte des Clara-Zetkin-Parks und der Sächsisch-Thüringischen Industrie- und Gewerbeausstellung von 1897 verbunden. Sie war mit mehr als zwei Millionen Besuchern und über 3.000 Ausstellern die größte Ausstellung, die Leipzig und Sachsen bis dato erlebt haben. Nach Ende der Ausstellung wurden alle Gebäude wie Ausstellungshallen, Pavillons und Restaurants bis 1898 zurückgebaut und das Gelände bis 1904 in einen öffentlichen Park umgewandelt, der nach dem sächsischen König den Namen König-Albert-Park erhielt. Ein Großteil der heutigen Wegführung des Clara-Zetkin-Parks geht auf den Grundriss des damaligen Ausstellungsgeländes zurück. Beim Rückbau wanderten Teile der Ausstellung in den Aufbau des Palmengartens, so dass dieser schon im April 1899 feierlich eröffnet werden konnte. Das Gelände des Palmengartens westlich des heutigen Elsterflutbeckens war bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts hinein großflächiges Weideland. Nach Lindenau kam man von Leipzig aus nur über einen schmalen Damm über die sogenannten Frankfurter Wiesen, die häufig von Hochwasser überschwemmt waren. Für eine internationale Gartenbauausstellung vom 25. August bis zum 5. September 1893 wurde das Gebiet im Norden von der heutigen Jahnallee am Westufer der Elster-Pleißen-Aue anlässlich des 50. Jubiläums des Leipziger Gärtnervereins trockengelegt. Die Gestaltung der Anlage übernahm der Landschaftsarchitekt und Vorsitzende des Gartenvereins Otto Moßdorf. „Die Gartenlaube“ sprach seinerzeit sogar von einem landschaftlich außerordentlich reizvoll gestalteten Lustgarten. Bereits in der Festrede zur Eröffnung der Gartenbauausstellung regte der damalige Oberbürgermeister Georgi an, dieses Areal zu einer ständigen Erholungsstätte für die Leipziger Bürger weiterzuentwickeln. Er kannte den Frankfurter Palmengarten gut und die Leipziger Bürger sollten ebenso in den Genuss der vormals so ausgeprägten Leipziger Gartenkultur kommen. Er konnte 60 finanzstarke Leipziger für die Idee eines „Palmengartenprojekts“ gewinnen. Ein Aufruf in der Tagespresse zum Erwerb von Aktien für den Bau des Palmengartens erbrachte innerhalb von vierzehn Tagen über 350.000 Euro. Auch die Stadt Leipzig beteiligte sich an dieser Aktiengesellschaft. Ein Wettbewerb zur Gestaltung der geplanten Anlage wurde danach ausgelobt. Diesen konnte der Lindenauer Otto Moßdorf zwar nicht gewinnen, aber er wurde mit der Realisierung des Siegerentwurfs beauftragt, der sich sehr stark am Frankfurter Palmengarten orientierte. Damals wie heute umfasst der Park ein Areal von 22,5 Hektar. Die Hauptwege des Parks lassen sich noch auf die Zeit seiner Entstehung zurückführen. Der Park hatte zwei Eingänge – einen im Norden, an der Frankfurter Straße, der heutigen Jahnallee, und einen im Süden, an der Plagwitzer Straße, der heutigen Käthe-Kollwitz-Straße. Beide Eingänge waren mit rotem Backstein und schmiedeeisernen Toren gestaltet. Die Straßenbahn brachte die Besucher über die Frankfurter Straße bequem direkt bis vor den Park. Wer am Kassenhäuschen den Eintritt bezahlt hatte wurde von einem großflächig angelegten Teppichbeet mit arrangierten Blumenbeeten empfangen. Dahinter war ein palastähnliches Gesellschafts- mit integriertem Palmenhaus zu sehen. Zur Linken befand sich das Konzertgelände mit einem muschelförmigen Konzertpavillon für verschiedenste Aufführungen lokaler und regionaler Orchester für tägliche Vorstellungen. Um die Jahre 1900 kostete ein Tagesticket für den Leipziger Palmengarten nach heutigem Gesichtspunkten genauso viel wie ein Tagesticket für den Belantis Freizeitpark. Entlang des Gesellschaftshauses befanden sich viele Freisitze mit Gastronomieangeboten. Auf einem nahegelegenen Spielplatz konnten Kinder von ausgebildeten Kindergärtnerinnen betreut werden. Der Weg führte vorbei an verschiedenen Skulpturen zum großen Weiher hin, an dem Boote ausgeliehen werden konnten. Von dem auf einem Hügel erhöht stehenden Pavillon aus bot sich ein fantastischer Blick zurück über den Teich zum Palmenhaus. Die Wasserfläche war damals größer als wir sie heute kennen und reichte im Süden bis zu einer seit 1893 bestehenden Grotte mit künstlichem Wasserfall. Zum heutigen Klingerhain führte der Weg zur Plagwitzer Straße über die Vier-Jahreszeiten-Brücke. Diese war sehr wahrscheinlich erst für den Palmengarten errichtet worden, um beide Parkbereiche miteinander zu verbinden. Die vier Figuren an den Brückenenden, die die vier Jahreszeiten symbolisieren, sind heute noch sehr gut erhalten. Trat man am Südeingang aus dem Palmengarten hinaus, befand sich zur Linken das Karl-Heine-Denkmal, das erst später auf die andere Straßenseite versetzt wurde. Die Hauptattraktion des Leipziger Palmengartens war das palastartige Gesellschaftshaus mit dem angegliederten Palmenhaus, das dem Park seinen Namen gab. Der prachtvolle historistische Bau empfing die Besucher, die den Park vom Haupteingang an der Frankfurter Straße her betraten. Das Gebäude bestand aus einem quadratischen vorderen Teil und einer nach Süden daran anschließenden 60 m langen gläsernen Halle, in welcher exotische Bäume und Pflanzen gezeigt wurden. Vier Türme von je 30 m Höhe krönten die Ecken des Gesellschaftshauses. Die Architekten des Gesellschaftshauses waren die Leipziger August Hermann Schmidt und Arthur Johlige. Beide hatten bereits für die Sächsisch-Thüringische Industrie- und Gewerbeausstellung von 1897 die monumentale Industriehalle entworfen. Nun konnten nach Rückbau dieser Ausstellung Bauteile für das in ähnlichem Stil gehaltene Gesellschaftshaus im Palmengarten verwendet werden. Das Gesellschaftshaus bestand aus einem riesigen zentralen Festsaal und verschiedenen kleineren Sälen, in denen auch Jugendstilelemente verwendet wurden. Die kleineren Säle trugen Namen wie Roter Saal, Spiegelsaal, Weißer Saal. Der 15 m hohe große prunkvolle Festsaal verfügte über eine Galerie und war mit vier riesigen Kronleuchtern geschmückt. Im Gesellschaftshaus sorgte ein Restaurantbetrieb für das leibliche Wohl – eine „Gastwirtschaft 1. Ranges“. Die bestens ausgestattete Küche genügte höchsten Ansprüchen. Die Leitung hatte der international renommierte Kochkünstler Alfred Harrer inne, der Referenzen aus vornehmsten Hotels und Lokalen vorweisen konnte. Bei schönem Wetter wurde auch eine große Terrasse zum östlichen Hauptweg hin mitbetreut. Darüber hinaus soll es im Gebäude auch eine Konditorei und einen Weinkeller gegeben haben. Alle Räume konnten für Feierlichkeiten und verschiedenste Veranstaltungen gemietet werden. Das Gesellschaftshaus war ein wichtiges Zentrum des gesellschaftlichen Lebens in Leipzigs. Hier wurden Firmenfeiern ausgerichtet, Abschlussbälle, Wohltätigkeitsfeste. Veranstalter waren z.B. der Börsenverein des Deutschen Buchhandels, die Königliche Akademie für graphische Künste und Buchgewerbe, der B.G. Teubner-Verlag, die Städtische Schule für Frauenberufe, das Rote Kreuz, Leipziger Burschenschaften und viele mehr. Im Februar 1909 gründete sich im Gesellschaftshaus des Palmengartens der Richard-Wagner-Verband Deutscher Frauen, ein Vorläufer des heutigen Richard-Wagner-Verbandes. Im Juli des Jahres 1909 feierte die Universität Leipzig ihr 500-jähriges Jubiläum im Palmengarten mit einem Festabend. Im großen Saal waren an festlich gedeckten Tischen über 800 Gäste versammelt. Das Palmenhaus mit einer Vielzahl an exotischen Gewächsen war vom Gesellschaftshaus durch eine 15 m hohe Glasfront abgetrennt, durch die man … Weiterlesen

Gespräch mit Experten – Daniela Neumann zum Palmengarten

Daniela Neumann forscht seit 2016 zur Geschichte des Leipziger Palmengartens. In Ihren Rundgängen durch die Parkanlage vermittelt sie die fast vergessene Kulturgeschichte der einst „vornehmsten Erholungsstätte“ in Leipzig. Nicht viele Leipziger kennen die Anfänge und das Ende des Palmengartens. Im Interview zählt sie Gründe auf, warum es lohnenswert ist, die alte Parkanlage bei einem Rundgang neu kennenzulernen. Frau Neumann, Sie beschäftigen sich sehr intensiv und leidenschaftlich mit der Geschichte des Leipziger Palmengartens. Wie kamen Sie dazu? Ich wohne und arbeite in der Nähe der Parkanlage und irgendwann ist mir der Begriff Palmengarten aufgefallen, mit dem ich zunächst überhaupt nichts anfangen konnte. Erst seit 2011 wird ja der Palmengarten auch wieder so genannt, bis dahin war das Palmengartenwehr das einzige, das zumindest vom Namen her noch an die Vorgeschichte der nahe gelegenen Grünanlage erinnerte. 2015 wurden in der Käthe-Kollwitz-Straße die „Villen am Palmengarten“ fertiggestellt, und da habe ich mich dann endgültig gefragt, was es mit dem Palmengarten auf sich hat. Ich begann, im Internet zu recherchieren, landete bei historischen Postkarten und war fasziniert von der prächtigen Geschichte des Palmengartens und gleichzeitig auch überrascht, wie wenig davon doch öffentlich bekannt war. Es macht mir viel Spaß, z.B. auf Postkarten etwas über die frühere Gestaltung des Palmengartens herauszufinden. Inzwischen habe ich schon über 200 verschiedene Ansichtskarten vom Park, aber gewiss gibt es noch viele Dinge, die zu entdecken sind. Mein Interesse am Palmengarten rührt also nicht so konkret vom Palmengarten selbst her, sondern entstand deshalb, weil meine Neugier geweckt war, weil ich mir die Informationen dazu selbst beschaffen musste. Ähnlich geht es mir inzwischen mit dem Clara-Zetkin-Park, der ja aus der Sächsisch-Thüringischen Industrie- und Gewerbeausstellung von 1897 hervorgegangen ist, was heute auch nur wenigen bekannt ist. In dem Sinne gehört meine Leidenschaft eigentlich allen Dingen, die in unserer Stadt geschehen aber zu wenig bekannt sind, und die aus dem Vergessen geholt werden sollten. Sie erwähnten die STIGA 1897, spielte diese bei der Errichtung des Palmengartens eine Rolle? Gibt es noch Relikte aus dieser Zeit im heutigen Palmengarten zu sehen? Konkret zu sehen ist nur noch der eiserne Pavillon auf dem Hügel an dem Teich mit der Fontäne. Ich vermute, dass es sich hierbei um ein Ausstellungsstück handelt, das ursprünglich in einer der Hallen der Gewerbeausstellung gestanden hat, weil ich ihn auf offiziellen Fotos der Außenanlagen nie entdecken konnte. Es gibt aber weitere Zusammenhänge: Die Architekten des Gesellschaftshauses im Palmengarten waren die Leipziger August Hermann Schmidt und Arthur Johlige, die auch für den Entwurf der palastartigen Industrie- und Gewerbehalle, dem Wahrzeichen der Ausstellung von 1897, verantwortlich gewesen waren. Beim Vergleich von Fotos der Bauten lassen sich einige Parallelen erkennen. Durch den Rückbau des Ausstellungsgeländes konnte Baumaterial für das Gesellschafts- und das Palmenhaus wiederverwendet werden. Dem Lindenauer Gärtnermeister Otto Moßdorf, der 1897 an der Gestaltung der Außenanlagen der Gewerbeausstellung beteiligt war, wurde die komplette gärtnerische Gestaltung des Palmengartens übertragen, trotzdem der Sieger der Ausschreibung eigentlich ein Gärtner aus dem Frankfurter Palmengarten war und Moßdorf nur den zweiten Platz belegt hatte. Es ist auffällig, dass bei der Umsetzung diverser „Großprojekte“ damals immer auf die Kompetenz vor Ort zurückgegriffen wurde. Sie sprechen den Frankfurter Palmengarten an. Warum gab es in Leipzig überhaupt den Wunsch, einen Leipziger Palmengarten aufzubauen? Den Palmengarten in Frankfurt gab es seit 1871, und er entstand aus einer privaten Initiative heraus. In Leipzig wurde das Projekt von Bürgermeister Otto Georgi initiiert, der mit einigen Dutzend Mitstreitern eine Aktiengesellschaft zur Errichtung und Betreibung eines Palmengartens gründete. Ich denke, über das Verhältnis der zwei Messestädte Frankfurt und Leipzig muss ich nicht viel sagen. Der Leipziger Oberbürgermeister hatte aber mehr im Blick als nur mit Frankfurt gleichzuziehen, denn die Stadt hatte eine Vervielfachung der Einwohnerzahl zu bewältigen (1871: 107.000, 1899 450.000) und war eine aufsteigende Industriestadt. Der Bedarf an Erholung und Entspannung außerhalb der Fabriken und der engen Stadtmitte, die um die Jahrhundertwende eher einer Großbaustelle glich, war sehr hoch. Das gesellschaftliche Leben der Stadt war sehr vielfältig, es brauchte auch Raum für Veranstaltungen von Vereinen, Unternehmen, Studentenverbindungen, Chören, Logen u.v.a. mehr. Von Vorteil für die Umsetzung der Idee war auch, dass die geplante Fläche durch die Gartenbauausstellung von 1893 bereits größtenteils erschlossen war, und auch die Baumaterialien von der Gewerbeausstellung von 1897 wiederverwendet werden konnten. Man musste sozusagen nicht von Null anfangen. Von Anfang an hat die Stadt Leipzig dem Projekt wesentliche finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt. Es ging dem Bürgermeister aber ganz klar auch um die Aufwertung der Stadt als lohnendes Besuchsziel für auswärtige Gäste. Ich habe eine ganze Reihe von Postkarten, auf denen der Palmengarten gemeinsam mit dem Alten Rathaus, der Thomaskirche, dem Mendebrunnen, der Kongresshalle am Zoo und vielen anderen Sehenswürdigkeiten, die wir größtenteils heute noch kennen, abgebildet ist. Der Palmengarten war eine Attraktion nicht nur für die Leipziger. In den 30er Jahren ist z.B. auch der Stummfilmstar Henny Porten im Palmengarten gewesen und hat Autogramme gegeben. Der Park hat aber auch ausländische Besucher angezogen. In meinem Besitz sind Ansichtskarten, die in Englisch, Französisch, Niederländisch und sogar Japanisch geschrieben wurden! Würden Sie sagen, dass die Geschichte des Leipziger Palmengartens vergessen ist? Gibt es Gründe warum wir sie nicht vergessen sollten? Das kommt auf die Perspektive an. Für mich ist sie inzwischen kein Fragezeichen mehr und durch die regelmäßigen Führungen versuche ich meinen Beitrag dafür zu leisten, dass dieses Stück Stadtgeschichte in Erinnerung bleibt. Unbestritten ist das Potential vorhanden, im Park selbst die Vergangenheit ins Heute zu holen. Dabei denke ich nicht zwingend an Informationstafeln, sondern der bisher noch kaum konzeptionell gestaltete Park könnte als Modell für einen ganz modernen Park des 21. Jahrhunderts werden: interaktiv, multimedial. Ich habe zum Beispiel woanders schon Parkbänke gesehen, die auf Knopfdruck Musik spielen oder kleine Räume, in denen man per Augmented Reality in die Kostüme der Zeit schlüpfen kann. Die Aneignung von Geschichte muss nicht langweilig sein. Modernes Ausstellungsdesign kann hier vielfältige Anregungen bieten. Die Stadt Leipzig könnte in die Fußstapfen von Otto Georgi treten und einen Park kreieren, der wieder zum Anziehungspunkt nicht nur für Leipziger sondern auch auswärtige Gäste wird. Das wäre gleichermaßen eine … Weiterlesen

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