Aus der Presse – Unsere Ausstellung V. Am Kneipenteich

Vorn an der Hauptallee, zu beiden Seiten des Kneipenteiches, liegen die runden Konzertpavillons, die recht ungeschickt dort ihren Platz gefunden haben, da alle, die in das nasse Viertel wollen, durch die wandelnde musikfreundliche Menge sich drängen müssen. Wiederum ist es durch dieses Durchdrängen unmöglich, eine ungestörte musikalische Promenade zu machen, wie es z.B. in Berlin möglich war, wo die Menge in einer langgezogenen Ellipse auf und nieder wandeln konnte. Das erste Gebäude links, das die Ecke der Hauptallee und des Kneipenteichweges bildet, ist das große Hauptrestaurant, in dessen vorderer, der Hauptallee zugewendeter Hälfte nur Wein ausgeschänkt wird und der Genußbürger, der über das nötige geprägte Metall verfügt, Table d’hote speisen kann. In der hinteren Hälfte giebt es aber ein nicht übles Münchener. Hinter dem Hauptrestaurant ist ein geschmackvoll verkleidetes Maschinenhaus und gegenüber, am Teichufer, legen die Spreewälderinnen mit ihren Flachkähnen an, mit denen man eine Rundfahrt auf dem Teiche machen kann, die in abendlicher Dunkelheit am reizvollsten ist. Dann werden leuchtende Lampions an den Baldachinen über den Kähnen aufgehängt – langsam geht es am Ufer entlang, vorbei an den lichthellen Kneipen und den bunten Glühlichtgewinden der Ruine Schlosseck. In der Mitte des Teiches sprudeln plötzlich die Lichtfluten der Leuchtfontäne auf. Hellblau und hellgrün – rosa – flammenrot – in allen Farben schillernd quellen sie aus dem Wasser auf, überschlagen sich und fallen, Gischt spritzend, zurück. – Prächtige neue Farbenwirkungen werden dort erzielt. Hinter dem Maschinenhaus liegt das einfache, anheimelnde Holländerhäuschen von Erben Lucas Bols, in dem es einen ausgesucht vornehmen Schnaps giebt. Daneben ist der Pavillon der Kaffeefirma Richard Poeßsch. Steigt man die wenigen Stufen zum Türmchen hinauf, so kann man eine große, elektrisch betriebene Kaffee-Röstmaschine sehen, in deren Trommel zwanzig bis achtzig Pfund Kaffeebohnen mit einemmal über einem Coaksfeuer geröstet werden können. Unter der Trommel ist ein flacher Kessel, in dem der Kaffee gleich nach dem Rösten abgekühlt und durch ein in ihm mündendes Rohr sofort nach dem unteren Verkaufsraum hinabgleitet, wo er in einem Sacke aufgefangen wird. Man kann hier sehen, wie bequem, wie einfach der Großbetrieb ist, wie er des Menschen mühselige Arbeit von Maschinen verrichten läßt, ihn so zu einem immer vollendeteren Herren und Meistern der Natur macht und dem Sozialismus vorarbeitet. Gegenüber dem Kaffeetürmchen liegt am Teichufer die idealisierte Nachahmung der Ruine Schlosseck bei Dürkheim. Dort trinkt man unter Laubengängen einen 2/10 Römer Dürkheimer für 40-50 Pfennige und muß dann aber auch hineingehen in die Ruine, um die Wandmalereien des Münchener Malers Toni Aron zu sehen. Da ist unter anderem ein mit einer Sektflasche tanzendes Mädchen, dessen warmblütiger Leib aus der leicht lila gefärbten, duftigen Gaze-Bekleidung hervorleuchtet, und eine ganze Menge in Linien und Farben merkwürdiger Scenen, von denen manche aussehen wie vergrößerte Ausschnitte aus der Jugend und aus dem Simplicissimus. Unstreitig erkennt man in den Einfluß des Th. Th. Heine. Am gleichen Ende des Teiches, gewissermaßen als Gegenstück zu Schlosseck, ist die italienische Osteria, von der schon in den vohergehenden Ausstellungsberichten genug gesagt ist. Nur noch soviel: Es giebt dort nur Wein. Hinter diesen beiden Lokalen dehnt sich ein weiter, halbrunder Platz, in dessen Mitte eine hölzerne Musikhalle steht, die einzige in der ganzen Ausstellung, um die man eine Musik-Promenade machen kann. Den Platz säumen im Halbkreis eine Menge Kneipen ein. Da ist erst links die Fischkosthalle, daneben liegt das Café zum Rothenburger Erker. Dieses Café birgt für Nichtkenner ein sonderbares, unangenehmes Geheimnis. Wenn man sich dort mit müden Beinen niedergelassen hat, bringt der Kellner verschmitzt lächelnd die verlangte Portion Kaffee. Das Zeug schmeckt merkwürdig friedlich und dünn – der Kellner wendet sich mit ganz unschuldig aussehendem Gesicht ab, wenn man ihn ansieht. Die Provinzialen trinken ihr Schälchen Kaffee ganz ohne Arg, bis ihnen der Kellner beim Fortgehen ein kleines Andenken an den Rothenburger Erker überreicht. Aus dem kleinen Heftchen erfahren sie, daß sie – Kneipp-Kaffee getrunken haben, ohne es zu schmecken. Ja, das soll nun ein Scherz sein, die Gäste so zum Narren zu halten. Neben dem Café liegt das Tucherbräu, einige Schritte weiter der Ausschank der Brauerei Zwenkau. Wer dort aufmerksam hineinsieht, findet gewiß Bekannte dort. Wer das ist, wird nicht verraten – es sind jedenfalls ganz populäre Leutchen. Hieran reiht sich das Münchener Löwenbräu, in dessen heller Halle die weiche Musik eines Streichorchesters ertönt und wo echte Bayerinnen bedienen. Dann kommt die hellgraue Terrassen-Burg des Kulmbacher Petzbräu und dahinter, am Rande des Hochflutbettes, an der Brücke nach dem Thüringer Dörfchen das Münchener Bürgerbräu im Bratwurstglöckle. Gegenüber liegt hinter der Riebeckschen Brauerei der Wartburgturm, dessen Fahrstuhl noch nicht fertig ist, so daß man die Üebersicht über den Kneipenteich noch nicht genießen kann. Aber den daran angebauten Rittersaal der Wartburg muß man sich ansehen. Die an Ketten hängenden Deckenleuchter und die bunten, verschlungenen Ornamente und Figuren der Wandmalereien zeugen von einer so reichen, fruchtbaren Phantasie der Zeit des gotischen Stiles, daß man nur wünschen kann, auch unsere Künstler und Kunstgewerbler möchten aus der Wiederbelebung und der Hineinziehung des Natürlichen in die Kunstformen, ebenso wie die Künstler der Gotik, so mannigfache Formen erreichen. Unten in den Rundgewölben und auf den Terrassen bedienen freundliche Thüringerinnen, von denen man nach der Kneipenreife durch sämtliche aufgeführten Lokale ungern Abschied nimmt, um im Hauptcafé, das mit der Front nach der Hauptallee liegt, sich durch einen Kaffee wieder ins geistige Gleichgewicht zu bringen. In den luftigen Holzhallen sitzen die Damen unserer Geldbürger – mit Lorgnetten fixieren sie die gegenüber sitzenden, die gekleideten, halb übermütig, halb verächtlich lächelnden Freundinnen der Liebe, die von der gleichen Torte essen wie ihr unwillig und neugierig blickendes Gegenüber. – Aber abends und bei kühlerem Wetter kann man nicht in diesem Café sitzen, denn seine Hallen sind doch gar zu luftig. Man muß dann schon wo anders den Schluß eines Ganges um den Kneipenteich machen. Von Perkeo. Leipzig, 8. Mai 1897. Unsere Ausstellung V. Am Kneipenteich, in: SLUB Dresden. Leipziger Volkszeitung vom 8. Mai 1897. Sonnabend, S. 3.

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