Aus der Presse – Beitrag von Ernst Kiesling zum Gohliser Schloß

Mit sichtlichem Eifer ist unsere Zeit bemüht, Kunstwerke früherer Zeiten zu sammeln, alte Baudenkmäler vor dem Verfall zu bewahren und soviel als möglich davon zu retten, was entweder durch die Greuel des Krieges oder den Unverstand gelitten. So ist es denn auch mit Freuden zu begrüßen, daß das vom ehemaligen Kammerrath und Rathsbaumeister Caspar Richter in den Jahren 1755-1756 erbaute Gohliser Schloß durch den hiesigen Architekten Alfons Berger einer durchgreifenden Renovation unterzogen und somit auf lange Zeit hinaus aufs Neue gefestigt worden ist. Ueber die Geschichte dieses interessanten Bauwerkes ist bereits früher an dieser Stelle berichtet worden; nur soviel sei heute noch ergänzend hinzugefügt, daß das Schloß nebst dazu gehörigem Gut (das Ganze wird bezeichnet als „Thurmgut“) im Jahre 1863 durch Kaufmann Nitzsche von dem damaligen Besitzer Domherrn von Alvensleben erworben wurde. Eine Zeit lang im Besitze der Nitzsche‘schen Erben, ging das Schloßgut am 1. Januar 1900 in die Hände des Herrn Amtmanns Carl Georg Nitzsche, Rittergutspächters auf Thonberg, über. Ende Juni 1900 wurde auf dem Gut der landwirthschaftliche Betrieb eingestellt und im darauf folgenden Monat mit den Abbruchsarbeiten der dem Schlosse vorgelagerten Viehställe und Scheunen, sowie mit der Renovation des Schlosses selbst begonnen. In vergangener Woche sind die Ausschachtungsarbeiten in Angriff genommen worden, welche sich für die Ausführung der neuen Baulichkeiten nöthig machten, die das Schloß nach der Menckestraße zu umrahmen werden. Diese Gebäude werden sich den Architekturformen des Schlosses in feinsinniger Weise anschließen und mit demselben ein reizvolles architektonisches Gesammtbild darbieten. Zu besonders wirkungsvoller Geltung wird jedoch die eigentliche, nach dem Poetenweg gelegene Hauptfaçade des Schlosses gelangen, wenn erst die bereits in Aussicht genommene Umwandlung dieses bisherigen Fußgängerweges in eine Straße durchgeführt worden ist. Der eigenartige Reiz, welchen die Rococoarchitektur birgt und der namentlich in der überaus wirksamen malerischen Gruppirung seiner Bautheile beruht, wird nach dieser Seite, erhöht durch die landschaftliche Umgebung, zu schönstem Ausdruck kommen. Die vor Kurzem vollendete Renovation des Schlosses zeigt, in wie pietät- und verständnißvoller Weise abgebrochene und theils zerstörte Details der Architektur wieder angebracht und ersetzt, und auch das Innere durch Wiederherstellung in der ursprünglichen Form, durch Restaurirung der Malereien, Befreiung der künstlerisch durchgeführten Thür- und Fensterbeschläge von dem überdeckenden Anstrich, der Ergänzung der schmiedeeisernen Gitter und Thüren, aufs Neue gewonnen hat. Ein hervorragendes Interesse der inneren Ausstattung des Schlosses nimmt der von Adam Friedrich Oeser mit Malereien decorirte Festsaal in Anspruch. Diese Malereien sind auf Veranlassung des damaligen, durch seine Beziehungen zu Goethe bekannten Professors und Hofraths Johann Gottlieb Böhme entstanden. Kreuchauff schreibt in seiner Abhandlung „Oeser‘s neueste Allegoriegemälde“ (Leipzig 1782, Seite 45-52) darüber: „Hier hat sich eine der Bestimmung des Ortes und der Würde des Besitzers gemäße Mahlerey an Decken und Wänden ausgebreitet. Der Pinsel täuscht an den Wänden das Auge durch architektonische Decorirung. Die Ordnung ist ionisch, die Capitäle der umher vertheilten Pfeiler antik: die in der Manier des De Witt gemalten Büsten und Genien, an den Kaminen und Thürstücken haben, wie die Blumen, Früchte und alle an den Schlußsteinen der Arkaden angebrachten Ornamente, Beziehungen auf die an der Decke ausgeführten Ideen. Hier, wo sich der Bau mit einer Galerie über seiner Kuppel endigt, welcher eine einfache Mosaik die edelste Zierde giebt, ist dem Auge und Geiste eine neue ernstlichere Beschäftigung angewiesen. „Nimm, edle Seele“, sagt das Gemälde, „des Lebens rechten Zeitpunct wahr, in welchem Du am fähigsten bist, Wahrheiten zu erforschen, und durch die Erkenntnis weise und glücklich zu werden!“ Hierauf beschreibt Kreuchauff das Gemälde eingehend, dessen Inhalt hier nur kurz angedeutet sei: Die Betrachtung zieht der Natur von der denkenden Seele den Schleier zurück. Psyche entschwebt mit dem Mittag des Lebens, in Gestalt des Sonnengottes, in lichtvolle Höhen; ihre Erzieherinnen, die Musen, und deren schützende Mächte, Apollo und Herkules (Verstand und Tugend) unter sich lassend. Oeser‘s Stellung in der Kunstgeschichte ist längst gekennzeichnet, und so wissen auch wir heute, daß seinem Werke ein mehr kunsthistorischer als künstlerischer Werth innewohnt. Treffender als Chodwiecki es gethan, kann man seine künstlerische Thätigkeit nicht charakterisiren, und deshalb möge sein Urtheil hier Platz finden. Er sagt u. A.: „Man sieht es dem Manne an, daß er viel Genie hat, aber die Cultur desselben vernachlässigt hat; in seinen Köpfen ist großer Sinn, aber keine Physiognomie, es ist nur der Gedanke eines Gesichts, überhaupt nichts Individuelles. Eben das findet man auch in seinen Figuren, es ist eine Idee von schöner Natur darinnen, zuweilen gut, zuweilen auch sehr fehlerhaft gezeichnet und ohne alle Präcision.“ …. Die beiden Wandbilder mit landschaftlichen Motiven, die „Wartburg“ und den „Kyffhäuser“ darstellend, rühren von der Hand des früheren Leipziger Malers Cellarius her, desselben Künstlers, der die Decken- und Wandbilder im „Café Français“ ausgeführt hat. Die beiden hier in Frage kommenden Bilder sind sehr geschickt behandelt und von guter Gesammtstimmung, freilich ebenfalls ohne tieferen künstlerischen Werth. Die Renovirung sämmtlicher Malereien ist vom Dekorationsmaler Schweikart ausgeführt. Von Ernst Kiesling. Das Gohliser Schloß, in: SLUB Dresden. Leipziger Tageblatt und Anzeiger vom 14. Juli 1901, S. 5058.

Aus der Presse – Wiedereröffnung nach der Palmengarten-Katastrophe

Die frühlingsmilden Weihnachtsfeiertage waren in der That verlockend genug, um unsere Bewohnerschaft zu einem Gange nach dem Palmengarten und seinem neueröffneten Gesellschaftshause zu bewegen. Nach einer mehrmonatlichen Pause dem großen Verkehre wieder zurückgegeben und in neuer, glänzender Gestalt entstanden, hatte dieser Hauptraum durch sein verändertes Gewand und seine neue decorative Ausschmückung wohlberechtigten Anlaß zu einem erhöhten Besuche des Etablissements gegeben. Man war dabei allseitig überrascht, eine so wirkungsvolle, malerische Anordnung der Deckendecoration und ihrer Umgebung zu finden. Drei bewährte Kräfte haben in erstaunlich kurzer Zeit die überraschende Metamorphose herbeiführen helfen: nach dem Abbruch des plastischen Plasonds durch Maurermeister Eduard Steyer schuf Zimmermeister Franz Linke die vollständig neue, platte Holzdecke, malte Richard Hesse auf dieser, mit Leinwand überspannten, quadratischen Fläche in großen, kraftvollen Zügen ein höchst vornehm gegebenes Ornamentenwerk, das die vier mächtigen Kronen des Saales an ihren Ausläufern mit einem feinen, goldenen Linienwerk kreisförmig umzieht und daneben auf dunkelblauem Grunde eine Fülle goldener Blüthen in symmetrischer Anordnung mit zarten Goldfäden verbindet, so daß die Gesammtwirkung eine außerordentlich anziehende wird. Den Abschluß der Deckenbemalung bildet ein schweres, aus stilisirten Lorbeergewinden gebildetes, goldenes Ornament, das an nordische Motive gemahnt. Ebenso fein stilisirt erweisen sich die Malereien der in Holz construirten Plasondkehlen. Vor Allem wurde mit dieser neuen malerischen Decoration eine vollständige Uebereinstimmung mit der vorhandenen Ausschmückung des prachtvollen Festsaales erreicht, ja, es dürfte nicht zu viel gesagt sein, wenn betont wird, daß mit den veränderten malerischen Momenten unstreitig eine Steigerung des Effectes erreicht worden ist. Alle coloristischen Reize stimmen hier ungemein lebendig zusammen, und in das Blau und Gold der Decke, in den vornehmen Bronzeton der Galerien trägt durch die großen Scheiben des Palmenhauses das leuchtende Grün einer üppigen Tropenflora ein weiteres, wohlthuendes, farbiges Element. Mächtige Palmen und Baumfarne winken herein: die hoch emporgeschossene Kentia belmoreana mit breitem Schopf, die riesige Musa violacea und die herrliche Lévistonia chinensis – – – Für die Weihnachtsfeiertage war das Winderstein-Orchester für eine Reihe von Concerten gewonnen worden. Die Wahl der einzelnen Programmnummern deutete dabei darauf hin, daß nur Erlesenes in musikalischer Beziehung geboten werden sollte. Dem entsprach auch allenthalben die Ausführung. Nach der wirthschaftlichen Seite hin trat bei der Wiedereröffnung der Räume Herr Albin Oertel, eine allen Leipzigern wohlbekannte und auf gastronomischen Gebiete hervorragende Persönlichkeit, als Leiter der Gastwirthschaft zur Zufriedenheit aller Gäste in Function. – Leipzig, 26. December 1901. Leipziger Palmengarten, in: SLUB Dresden. Leipziger Tageblatt und Anzeiger vom 27. Dezember 1901. Abendausgabe, S. 9232.

Aus der Presse – Palmengarten-Katastrophe im Gesellschaftshaus

Leipzig, 15. October 1901. — Das Gesellschafts-Concert im Palmengarten am heutigen Nachmittage erfuhr eine recht betrübende Unterbrechung dadurch, daß im zweiten Theile, kurz vor dem angekündigten Auftreten einer Sängerin, von der Wand nach dem Palmenhause zu ein etwa 3 Meter langes Stück Stuck des Deckensimses herabfiel, mehrere darunter stehende Tische mit Gypsstücken überschüttete, die auf den Tischen befindlichen Geschirre zum Theil zerschlug und drei Damen, die an diesen Tischen Platz genommen hatten, verletzte. Das Concert wurde abgebrochen. Die Besucher verließen sofort den Saal, da sich ergeben hatte, daß ein zwanzigjähriges Mädchen aus Stettin tödlich verunglückt war, anscheinend infolge des Schreckes, da eine äußere Verletzung an der Todten bei vorläufiger Besichtigung durch eingetroffene Aerzte nicht constatirt werden konnte. Eine der Damen hatte einen Beinbruch erlitten und konnte erst später in ihre Behausung gebracht werden, während zwei anscheinend leichter verletzte Damen sich entfernt hatten. Nachdem der Saal geräumt worden war, konnten die polizeilichen Erörterungen sofort beginnen, und wurde auch die verstorbene junge Dame mittels Siechkorbes fortgebracht. Selbstverständlich können in dem großen Saale des Palmengartens bis auf Weiteres gesellige Veranstaltungen nicht abgehalten werden. [1] Leipzig, 16. October 1901. — Mit inniger Theilnahme hat heute unsere Bewohnerschaft die schmerzliche Kunde von dem bedauernswerthen Schicksal einer jungen Dame vernommen, die gestern Abend das Opfer eines noch unaufgeklärten Unglücksfalles im Leipziger Palmengarten geworden und in Folge des Herabstürzens einer Stuckdekoration in wenig Minuten ihr junges Leben aushauchen mußte, während eine dicht neben ihr sitzende zweite Dame durch die Katastrophe den Bruch des linken Oberschenkels zu beklagen hatte. Das III. Gesellschaftsconcert im Leipziger Palmengarten, das, vom Günther Coblenz-Orchester ausgeführt, gestern Nachmittag 4 Uhr begann, hatte eine außergewöhnlich starke Zuhörerschaft, darunter, wie dies stets der Fall zu sein pflegt, viele Damen, nach den Räumen des großen Gesellschaftshauses gezogen, so daß bei Beginn der musikalischen Aufführung, zu welcher gleichzeitig die Mitwirkung der Sängerin Fräulein Leontine Kiesling vom Leipziger Stadttheater in Aussicht genommen war, alle Säle, sowie die Gallerien dicht besetzt sich erwiesen. Man schätzte die Besucherzahl auf etwa 1200 Personen. Es mochte etwa gegen ¾ 6 Uhr sein, – das Orchester hatte eben Weber’s „Aufforderung zum Tanz“ unter stürmischem Applaus des Auditoriums gespielt und Fräulein Kiesling schickte sich an, die Juwelen-Arie aus „Margarethe“ zu singen –, als in dieser Pause sich plötzlich ein etwa 3 m langes Stück der aus Stuck bestehenden Unterplatte des Deckengesimses vom Plasond löste und in mächtigen Stücken rapid 15 m herab in den Concertsaal sauste, mitten in eine Gruppe von Damen hinein, zwei von ihnen schwer verletzend, sowie Tischplatten und Eßgeräth zerschmetternd. Das geschah in wenig Secunden. Ueber den Umfang der Katastrophe selbst hatten bei dem Eintreten des Unglücksfalles die übrigen Anwesenden keine rechte Vorstellung, erst als nach einem gewaltigen Krach eine dichte Staubwolke an der Unglücksstelle aufwirbelte, als man die schwer Verletzten aus dem Saale trug, erkannte man ihre Größe. Der im Saal anwesende Director des Leipziger Palmengartens, Herr H. Miederer, welcher sofort vom Orchester aus Signal blasen ließ und die bestürzte und aufgeregte Zuschauerschaft zu Ruhe und Besonnenheit ermahnte, leitete unter Assistenz eines Herrn aus dem Publicum rasch die Ueberführung der beiden schwer verletzten Damen nach dem Weinzimmer des Restaurants an, während Herr Direktor Doebner sofort die nöthigen Absperrungsmaßregeln und die Räumung des Saales verfügte. Bewußtlos wurde ein junges blühendes Mädchen von 20 Jahren, Fräulein Frieda Klaus, das einzige Kind des Uhrmachers Klaus in Stettin, das in Leipzig zum Besuche weilte, aus Mund und Nase blutend aus dem Saal nach dem Weinrestaurant getragen. Dort verstarb die junge Dame schon nach wenigen Minuten, so daß der sofort herbeigerufene Arzt Herr Dr. Kloberg nur noch den Tod zu constatiren vermochte. Vermuthlich ist die Beklagenswerthe durch ein herabfallendes schweres Stuckstück im Genick tödtlich verletzt worden. Eine mit ihr gleichfalls an demselben Tische sitzende Dame, Frau Schuldirector Steinkopf aus Leipzig-Gohlis, erlitt oberhalb des Knies einen Bruch des linken Oberschenkels; trotz der großen Schmerzen, die sie auszustehen hatte, war sie doch sehr gefaßt. Sie wurde in Begleitung ihres herbeigerufenen Gatten mittels Krankenwagens nach ihrer Wohnung befördert, während man die Leiche des Fräulein Klaus dem Pathologischen Institut zuführte. Eine dritte Dame kam, zitternd und bebend, mit dem Schreck davon. Kurz nach der Katastrophe entfernte sich das gesammte Concertpublicum, so daß gegen ½ 8 Uhr bereits alle Säle geräumt waren. Bald nach Bekanntwerden der Katastrophe nahmen die Herren Polizeidirector Bretschneider, Baucommissar Haubold und Criminalcommissar Dr. Fincke die Unglücksstelle in Augenschein, wie auch heute Vormittag Herr Oberstaatsanwalt Böhme, sowie weiter die Herren Baurevisor Striegel, Baurath Johlige, Architekt Schmidt, Zimmermeister Lincke in Begleitung der Directoren Miederer und Doebner zur Besichtigung erschienen. Es wurde zunächst eine eingehende Untersuchung der gesammten Stuckarbeit im Concertsaale angeordnet und zu diesem Zwecke ein fahrbares Gerüst vorbereitet. Ueber die Ursache der Katastrophe selbst läßt sich vorläufig gar kein bestimmtes Urtheil abgeben. Soviel steht aber jetzt schon fest, daß das Eindringen von Feuchtigkeit aus dem neben den Concertsaal befindlichen Palmenhause ganz zur Unmöglichkeit gehört, da ein etwa 3 Meter starkes Mauerwerk die Stuckdecoration von der Palmenhauswand trennt. Die Decoration, seiner Zeit von der renommirten Firma Bosmau & Knauer in solider Weise hergestellt, bildete gleichsam den Abschluß der Kassettendecke und lief oberhalb des Tonnengewölbes über den großen südlichen Glasfenstern vor dem Palmenhause; sie trennte sich dicht neben der Cartouche oberhalb des Gewölbes in einer Länge von circa 3 m und fiel dann mit voller Wucht in mächtigen Stücken herab. Morgen wird die Baubehörde eine erneute Untersuchung des bis auf Weiteres geschlossenen Concertsaales vornehmen. — m. [2] Leipzig, 17. Oktober 1901. — Die außer dem getödteten Fräulein Frieda Klaus aus Stettin und der Frau Schuldirektor Steinkopf aus L.-Gohlis bei der Katastrophe im Palmengarten verletzte dritte Dame ist die Tochter des Postrathes Wichura, Fräulein Gertrud Wichura. Sie saß mit ihrer Mutter und drei Brüdern mit unter der Stelle, von welcher sich der Stuck abgelöst hat und wurde von einem größeren Stücke so heftig am Hinterkopfe getroffen, daß sie ihrem neben ihr sitzenden Bruder besinnungslos in die Arme fiel. Den Bemühungen ihrer Angehörigen gelang es zwar, die junge Dame bald wieder zur Besinnung zu bringen, die Verletzung erwies sich jedoch bei … Weiterlesen

Aus der Presse – Marine-Schauspiele gegenüber dem Palmengarten

Das Interesse für unsere Marine, das seit Jahren beständig im Wachsen begriffen ist und in der Gegenwart noch besonders gesteigert wird durch die Vorkommnisse in China, hat ein Unternehmen gezeitigt, das der vollsten Sympathien aller Kreise sicher ist und das namentlich geeignet sein dürfte, im Inlande, fernab von der „Wasserkante“, wo man keine Gelegenheit hat, aus eigener Anschauung sich über unsere Kriegsschiffe zu informiren, die Urtheile über Marineverhältnisse zu klären. Ueber das Unternehmen der „Marine-Schauspiele“ ist schon Verschiedenes berichtet worden. Aus dem Terrain an der Plagwitzer Straße, dem Palmengarten gegenüber, ist ein See entstanden, dessen Ufer nördlich, östlich und südlich durch eine Gebirgslandschaft, mit einem Küstenfort, westlich durch eine etwa 3000 Personen fassende, gedeckte Zuschauer-Tribüne begrenzt worden, vor welchem sich breite Promenadenwege befinden, die mit Lorbeerbäumen, Palmen ec. geschmückt sind. Große elektrische Bogenlampen spenden der Scenerie Licht, während das Wasser durch am Rande desselben befindliche Glühlampen beleuchtet wird. Die Gesammtanlage macht einen sehr schönen Eindruck und bildet in der That einen geeigneten Schauplatz für Marine-Schauspiele. Zweifellos dürften diese eine große Anziehungskraft aus Einheimische und Fremde ausüben. Die bis ins Kleinste ihren großen Namensvettern nachgebildeten Miniatur-Kriegsschiffe sind von solchem Umfange, daß je ein Mann darin Platz findet, der das Fahrzeug steuert, die Signale giebt ec. Die Fahrzeuge befinden sich in dem im Hintergrunde errichteten Hafen, aus dem sie dann nach Beginn der Vorstellung hervorkommen, um auf dem See, der aus dem Pleißenfluthbett entnommenes Wasser enthält, zu manövriren. Eine von der Firma E. Bachmann & Reiter hier gestellte Locomobile mit Pumpe hat den See in gut 40 Stunden vollgeschaffen. Für die jedesmalige Vorstellung sind zwei Programm-Abtheilungen vorgesehen, deren eine die Marine im Frieden, die andere die Marine im Kriege vorführt. In der 1. Abtheilung sollen Bewegung einer Flotte von zwei Geschwadern, ein von diesen ausgeführtes Scheingefecht, Torpedobootsmanöver, Schießen nach der Scheibe, Unterseebootsmanöver, Parade der ganzen Flotte vor S. M. Yacht „Hohenzollern“, gezeigt werden, während an der 2. Abteilung der Krieg vorgeführt werden soll durch die Blockade eines Hafens durch eine Kreuzerflotte, Durchbruchversuch eines Segelschiffes, Angriff eines Geschwaders auf ein Küstenfort, Inbrandsetzen des Forts und Vernichtung der feindlichen Flotte, endlich Parade der ganzen Flotte, Illumination, Feuerwerk u. s. w. Es wird alio den Zuschauern die Aufgabe und Thätigkeit unserer Flotte nach jeder Richtung hin vor Augen geführt. Unter den Kriegsschiffen befinden sich „Kaiser Wilhelm II.“, „Kaiser Friedrich III.“, „Kurfürst Friedrich Wilhelm“, „Brandenburg“, „Wörth“, „Weißenburg“, „Aegir“, „Odin“, „Fürst Bismarck“, „Hansa“, „Hertha“, „Victoria Luise“, „Mars“, verschiedene Torpedoboote, Unterseeboot, feindliches Geschwader ec. Von besonderem Interesse ist das Torpedoschießen. Ganz prächtig gestaltet sich die der kaiserlichen Yacht dargebrachte Ovation. Ueber die Toppen geflaggt erscheinen die schweren Schlachtschiffe und gleich daraus taucht aus dem Dunkel des Geländes die „Hohenzollern“ auf. Salutschüsse begrüßen sie. Die Concertmusik wird von der aus 24 Personen bestehenden Marine-Capelle unter Leitung des Capellmeisters Herrn L. Kindermann ausgeführt. Die Eröffnungs-Vorstellung findet am Sonnabend Abends 8 Uhr und an den darauf folgenden Tagen finden je 2 Vorstellungen um 4 und 8:15 Uhr Nachmittag statt. An den Sonn- und Pfingstfeiertagen finden je 3 Vorstellungen um 3, 6 und 8:30 Uhr statt. Wir verweisen im Uebrigen auf das heutige Inserat. Marine-Schauspiele, in: SLUB Dresden. Leipziger Tageblatt und Anzeiger vom 25. Mai 1901, S. 3815/ 3820

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