Von der Vision einer Weltausstellung in Sachsen

Grafik Tino Enterlein

Die Idee für eine internationale Ausstellung in Leipzig kam 1893 aus einem Kreis von Leipziger Gastwirten und Hoteliers an die Leipziger Handelskammer. Ein nationales Ereignis mit großer Ausstrahlungskraft für die alte Handels- und neu aufstrebende Industriestadt sollte es werden, am besten eine Weltausstellung. An den Erfolg glaubte die Handelskammer (noch) nicht und befürwortete höchstens eine lokale Gewerbeausstellung. Schließlich befand man sich in einer schwierigen Zeit. Aufgrund der Cholera wurde 1892 die Leipziger Michaelis-Messe abgesagt. Eine Katastrophe für alle Beteiligten. Zu jener Zeit war die Infektionskrankheit eine neuartige Epidemie, die sich durch verunreinigtes Trinkwasser und infizierte Nahrung schnell über die Grenzen hinaus übertragen hat. Die gesundheitlichen Sorgen waren berechtigt, der Gewerbe- und Messestandort in der Krise. [1] Eine Gruppe von Gewerbetreibenden um den Kaufmann und Stadtverordneten Blanke propagierte vielleicht auch deswegen die Idee einer größeren Gewerbeausstellung. Hinzu kam, dass Sachsen keine solche Ausstellung seit langer Zeit veranstaltet hatte. Nach intensiven Verhandlungen einigten sich die verschiedenen Interessengruppen mit der Stadt auf die Durchführung einer erweiterten Sächsischen Landesausstellung. Neben dem Königreich Sachsen sollte die Umsetzung gemeinsam mit den sieben Thüringischen Staaten gelingen (Herzogtümer Sachsen-Altenburg, Sachsen-Coburg und Gotha sowie Sachsen-Meiningen, die Fürstentümer ältere und jüngere Linie zu Reuß, Schwarzburg-Rudolstadt und Schwarzburg-Sondershausen). Zugleich befürwortete man die Teilnahme anderer Staaten (der preußischen Provinz Sachsen, des Herzogtums Anhalt, den preußischen Regierungsbezirk Liegnitz, der Mark Brandenburg ohne Berlin und die drei fränkischen Kreise Bayerns). Der Ausstellerkreis sollte über die mitteldeutsche Region hinausgehen. Das erklärte Ziel war es, verstärkt kleine- und mittelständische Unternehmen miteinzubeziehen und zu fördern. Ebenso war beabsichtigt, die Synergien einer Messe in beide Richtungen mitzudenken und die Ausstellungsdauer so zu gestalten, dass Frühjahrs- und Herbstmesse parallel partizipieren können. [2]

Schließlich wurde das Ausstellungsjahr 1897 bewusst ausgewählt. In diesem Jahr gab es deutschlandweit keine Konkurrenz zu anderen Ausstellungen. Passend dazu war es ein 400-jähriges Jubiläumsjahr der kaiserlichen Verleihung des Messeprivilegs an Leipzig. Man konnte das Jubiläum angemessen dafür einsetzen, um die Sächsisch-Thüringische Industrie- und Gewerbeausstellung (Länderausstellung) in ihrer überregionalen Bedeutung aufzuwerten. Denn „Ehre, wem Ehre gebührt“ – Kaiser Maximilian hatte 1497 mit der Verleihung des Messeprivilegs schließlich die Grundlage für das Wachstum und das große Ansehen Leipzigs als Handels- und Messestadt gelegt. Die Fürsprecher bekamen 1894 durch eine Umfrage viel Rückenwind. Über 80 Prozent der befragten Wirtschafts- und Industriekreise in Sachsen und Thüringen befürworteten das Vorhaben. König Albert von Sachsen übernahm daraufhin höchst selbst die Schirmherrschaft und verlieh dem ambitionierten Vorhaben 1895 königliche Relevanz und Legitimation. Daneben bildeten sich eine Reihe von Fachausschüssen und Komitees. Es gab ein Ehrenpräsidium, dem der Leipziger OBM Dr. Georgi und auch die Vorsitzenden der Handelskammer und Gewerbekammer sowie bedeutende Staatsminister angehörten, und ein Ehrenkomitee mit Mitgliedern aus Botschaften europäischer und amerikanischer Staaten etc. [3] Die Direktion übernahm der Rechtsanwalt Dr. Küstner. Ihm zur Seite standen ein geschäftsführender Ausschuss aus den so genannten „besten Kreisen der Stadt“ – Stadtrat Dodel (1. Vorsitzender), Kgl. Kommerzienrat Mey und Fabrikbesitzer Sening (stellv. Vorsitzende), Justizrat Dr. Colditz, Stadtrat Ehmig, Kgl. Kommerzienrat Kirchner, Bankdirektor Dr. Messerschmidt (Stadtrat a. D.), Stadtrat Dr. Schanz und Fabrikbesitzer Waselewsky. Die Finanzierung organisierte sich über einen von der Deutschen Kreditanstalt und der Leipziger Bank aufgelegten Garantiefond. An ihm beteiligten sich die Leipziger Bürger mit Garantiescheinen in Höhe von etwa 1.750.000 Mark. Die städtischen Behörden übernahmen ebenfalls Garantiescheine im Wert von 250.000 Mark. Weitere 80.000 Mark kamen aus der Grassi-Stiftung dazu. [4]

Das Gelände am Scheibenholz und Johannapark

Die Stadtverwaltung beteiligte sich, nicht nur mit Garantiescheinen, sondern überließ der zukünftigen Bauleitung 1895 auch eine rund 40 ha große Weide- und Wiesenfläche am Elsterflutbett. Das sumpfige Gelände lag nahe dem reich geschmückten Villen-Viertel am Johannapark in unmittelbarer Nähe zur Innenstadt. Nicht ohne Grund, denn die Stadtverordneten stimmten diesem Vorschlag zu, auch deshalb, weil dieses Areal nach Ende der Ausstellung als Stadtpark einen bleibenden Charakter einnehmen sollte. Es war ein gleichmäßiges Gelände, das hier und da etwas abfällt. Anstelle holpriger Wege und tiefgelegenen Wiesen traten festgebaute Straßen, üppige Promenadenwege und glitzernde Wasserflächen. Eine breite Brücke über das Elsterflutbett verbindet die innere Stadt noch heute mit ihren westlichen Vororten und feste Dämme schützen auf alle Zeiten gegen jedes Hochwasser, den Masterplan dazu erarbeitete Arwed Rossbach. [5]

„Wenn dann nach einem Jahre voll Glanz und Jubel und Triumph die stolzen Paläste gesunken und dem Erdboden gleichgemacht sein werden und keine hindernde Schranke mehr den freien Zutritt wehrt, wenn Jung und Alt, Arm und Reich sich in den herrlichen Anlagen ergeht, um fern und doch nah bei der Stadt geschäftigem Getriebe in freier, frischer Luft Erquickung zu suchen, dann wird die Erinnerung an die Ausstellung, die Schöpferin dieses zum Gemeingut gewordenen Erholungsplatzes, neu aufleben in den Herzen der genießenden Bürger und man wird dankbar preisen ihr Vermächtnis – das Gebliebene.“

Leipziger Ausstellungszeitung Nr. 101, 1. November 1896.

Mit Kosten in Höhe von etwa 530.000 Mark legte man das Gelände weitgehend trocken. Es entstanden Schleusenbauten, Brücken, Teiche, Gärten und eine eigene Strom- und Wasserversorgung. Der Ausstellungspark wurde in bevorzugter Weise an die städtische Straßenbahn und Sächsische Staatsbahn angebunden. Nach Zustimmung des Stadtrates lobte die Stadt 1895 einen Architekturwettbewerb aus. Am Ende des Wettbewerbs stand ein Konsortium aus ausgewählten Architekten, die den Bau der einzelnen Ausstellungsbereiche gemeinsam planten und beaufsichtigten. Die Juroren waren u.a. der Erbauer des Berliner Reichstages Wallott und der Leipziger Stadtbaurat Licht. Nach zwei Jahren Bauzeit präsentierte sich ein neuer Stadtteil. [6]

Die STIGA war vom 24. April bis zum 19. Oktober 1897 mit insgesamt 3.027 Ausstellern die in diesem Jahr einzig große Ausstellung in Deutschland. Herausragende Staatsgäste kamen zur feierlichen und festlich geschmückten Eröffnung auf Einladung der Sächsischen Königsfamilie.

Doch das ist eine andere Geschichte.


[1] StadtAL, Kap. 75 A Nr. 33 Bd. 2, Die Industrie und Gewerbeausstellung in Leipzig im Jahr 1897, in: Leipziger Ausstellungszeitung Nr. 133 vom 24. April 1897. Wie die Ausstellung ward, S. 351.

[2] Vgl. Hochmuth, Enrico 2012: Industrie- und Gewerbeausstellungen in Sachsen 1824-1914. Ihr Beitrag zur kommunalen und regionalen Standortbildung, in: Beiträge zur Wirtschaftsgeschichte Sachsens Band 9, S. 66 f.

[3] StadtAL, Kap. 75 A Nr. 33 Bd. 1, Die Industrie und Gewerbeausstellung in Leipzig im Jahr 1897, in: Leipziger Ausstellungszeitung Nr. 57 vom 26. August 1895. Ehren-Komitee, S. 191.

[4] Vgl. Offizieller Führer der Sächsisch-Thüringischen Industrie- und Gewerbe-Ausstellung zu Leipzig 1897, S.9 ff.

[5] StadtAL, Kap. 75 A Nr. 33 Bd. 2, Die Industrie und Gewerbeausstellung in Leipzig im Jahr 1897, in: Leipziger Ausstellungszeitung Nr. 101 vom 1. November 1896. Das Bleibende, S. 134.

[6] Vgl. Hochmuth, Enrico 2012: Industrie- und Gewerbeausstellungen in Sachsen 1824-1914. Ihr Beitrag zur kommunalen und regionalen Standortbildung, in: Beiträge zur Wirtschaftsgeschichte Sachsens Band 9, S. 67 ff.


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Autor/in

  • studierte Verlagswirtschaft, Hobbyhistoriker, Redakteur und Veranstalter in Leipzig. Über ein Jahrzehnt ist er beteiligt am Wiederaufbau des Leipziger Musikpavillons zu einem generationsübergreifenden Treffpunkt. In verschiedenen Engagements setzt er sich für Themen und Projekte ein, die einen lokalhistorischen Bezug haben. Ehrenamtliches Mitglied in mehreren Vereinen, Förderer und Jury-Mitglied beim Gert-Triller-Preis für Musikkultur der Leipziger Notenspur e.V.

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