Als es sich im Jahre 1893 darum handelte, einen Platz ausfindig zu machen, um zur 50 jährigen Jubelfeier des Leipziger Gärtnervereins eine Jubiläums-Gartenbau-Ausstellung grofsen Stiles zu veranstalten, erwies sich das Kuhturmgrundstück, dicht vor Lindenau gelegen, als in jeder Hinsicht vorteilhaft für diesen Zweck. Sehr vielen deutschen Gärtnern wird diese Ausstellung noch lebendig vor Augen stehen. Es ist das Areal, auf dem sich jetzt der Leipziger Palmengarten entwickelt und seiner vorläufigen Vollendung entgegensieht. Mächtige Baumgruppen, besonders aus alten Eichen bestehend, umgrenzen das Gelände oder sind in Gruppen in demselben zerstreut. Sie schauten auch schon als alte Knaben ein grofses Stück Weltgeschichte, sie waren Zeugen des Rückzuges der französischen Armee des weltbeherrschenden Korsen nach der Leipziger Völkerschlacht. Die Ausstellung von 1893 förderte ungemein die Idee, auf diesem von Natur aus herrlich gelegenen und historischen Platze einen Palmengarten zu schaffen. Besonders war es der Oberbürgermeister von Leipzig, Herr Dr. Georgi, welcher in seiner damaligen Eröffnungsrede darauf hinwies, dafs es für die Stadt Leipzig angebracht sei, die temporäre Ausstellung in einen ständigen Palmengarten umzuwandeln. So hat denn auch Herr Dr. Georgi in diesem Sinne weiter gewirkt, der Leipziger Palmengarten sieht seiner Vollendung entgegen. Grosse Projekte waren es, welche sich in letzter Zeit mit der direkten Umgebung des Palmengarten-Areals beschäftigten. Die grossen, vom Frankfurter Thore aus beginnenden, saftig-grünen Wiesen wollte man in ein mächtiges Elster-Bassin verwandeln; dem Palmengarten gegenüber, dem Rosenthale zu, liegt der Leipziger Sportplatz, dessen weitere Umgebung für die National-Festspiele in Aussicht genommen war. Es ist in der That zu bedauern, dass besonders das letztere Projekt durch die Nichtannahme der darüber zu beschliessenden Versammlung nicht zur Ausführung kommt. Liegt der Leipziger Palmengarten vom Mittelpunkte der Stadt etwas weit entfernt, so gleichen doch die vorzüglichen Verbindungen durch die elektrische Strassenbahn diesen etwaigen Nachteil (?) wieder vollständig aus; die russgeschwängerte Luft macht sich wenig geltend, für Koniferen und ähnliche Pflanzen, die in der Stadt Leipzig nur ein dürftiges Wachstum zeigen, sind hier weit vorteilhaftere Vegetationsbedingungen vorhanden. Prächtige Spaziergänge durch den in der Nähe des Palmengartens liegenden Johanna-Park, welche durch den zu schaffenden Ausstellungspark fortgeführt werden, führen uns direkt zum Palmengarten und lassen uns letzteren als beliebtes Endziel einer angenehmen Fusswanderung erscheinen. Aus diesen Notizen ersehen wir, dafs die natürliche Lage des Palmengartens in jeder Beziehung befriedigen mufs. Die gesamte Arealgrösse beträgt 189 777 qm. Der prächtige alte Waldbestand, der sogenannte Ritterwerder an der Plagwitzer Brücke, umfafst 32 287 qm. Er ist zumeist mit alten Eichen, Linden, Hainbuchen, Eschen, Erlen und Buchen bestanden. Früher bildete er ein undurchdringliches Dickicht, welches nach gehöriger Auslichtung und nach Schaffung breiter schattiger Wege einen selten schönen Eingang zu diesem Etablissement bildet. Der Erschaffer des Palmengartens, Herr Landschaftsgärtner Otto Mossdorf, unterstützt von seinem Sohne, hat es verstanden, die alten Baumbestände in jeder Weise vorteilhaft der Neuanlage anzugliedern, so dafs das ganze Bild schon in der ersten Anlage einen ziemlich fertigen Eindruck macht. Wir sind ja von Herrn Mossdorf vorzügliche Leistungen in der Landschaftsgärtnerei gewohnt, durch seine langjährigen praktischen Arbeiten auf diesem Gebiete konnte es ihm nicht schwer fallen, hier etwas Vorzügliches zu liefern, seinen bisherigen Werken durch die Anlage des Palmengartens die Krone aufzusetzen. Haben wir den Ritterwerder durchschritten, so blicken wir von der über die Elster führenden Brücke über weit ausgedehnte Wiesenflächen bis auf das Rosenthal auf der einen Seite, auf Villen und prächtige Flusspartien auf der andern. Manchen der Leser wird es interessieren, dafs der Brücke gegenüber die „Villa Klinger“ liegt, des Heims jenes berühmten Leipziger Malers und Bildhauers, dessen Werke, wie z. B. sein Kolossalgemälde „Christus im Olymp“, die ganze Kunstwelt in Aufregung gebracht haben. Man sieht oft von der Brücke aus diesen hervorragenden Leipziger Künstler in Hemdsärmeln in seinem Atelier an seinen Neuschöpfungen arbeiten. Treten wir nun in den eigentlichen Palmengarten ein, so haben wir zunächst linker Hand eine grofse Grottenanlage, ein Überbleibsel der Leipziger Ausstellung. Koniferen bilden ihre Einrahmung, ein Wasserfall wird in elektrischer Beleuchtung seine Wassermassen herabwerfen. Die Teichanlage hat die beträchtliche Ausdehnung von 12 749 qm, eine Lichtfontäne wird künftig die Wasserstrahlen in allen Farben in die Höhe schleudern. Im Sommer werden Kähne den grofsen Teich beleben, im Winter Schlittschuhläufer sich auf spiegelblankem Eise umhertummeln. Der mächtige Bau des Palmenhauses (Abb. Seite 6), welcher sich dem Gesellschaftshause angliedert, ist von der bekannten Firma Mosenthin in Leipzig-Eutritzsch ausgeführt und harrt zur Zeit der Verglasung. Das Palmenhaus hat eine Grundfläche von 1276 qm, die Höhe des Hauses beträgt 22 m, die Länge 44 m und die Breite 29 m. Grosse Glaswände bringen es in unmittelbaren Zusammenhang mit dem grofsen Konzert- und Gesellschaftssaale. Das von den Architekten Schmidt und Johlige in Leipzig ausgeführte Gesellschaftshaus hat eine Grundfläche von 1780 qm. Es wirkt in seiner Gesamterscheinung sehr vornehm, wie die beigegebene Abbildung Seite 6 bestätigt. Anerkennenswert ist, dass Garten- und Bauarchitekten bei dieser grossen Anlage stets Hand in Hand gearbeitet haben, nur so kann etwas Erspriessliches geleistet werden. Breite Terrassen umgeben das Gesellschaftshaus, von denen man einen Überblick auf die mit Rhododendron-Gruppen eingefafsten Parterre-Anlagen geniesst, während die junge Welt, wenn sie sich im Konzertparke tummelt, von diesen erhöhten Sitzplätzen aus stets zu beobachten ist. An den alten historischen Burghof grenzt das Orangeriegebäude, dem sich die Kulturhäuser und der Anzuchtsgarten anschliessen. Die Gewächshäuser sind von Fränkel & Co, in Leipzig-Lindenau erbaut und werden mit Fränkels Patent-Rostfeuerung erwärmt. Gute Kulturhäuser sind ja für eine derartige Anlage eine Hauptbedingung, um stets ein vorzügliches Schaumaterial für das Palmenhaus heranzuziehen, erkrankten Pflanzen wieder auf die Wurzeln zu helfen u. s. w. Um die nötige Terrainbewegung zu schaffen, waren etwa 80 000 Kubikmeter Erde zu bewältigen; die sämtlichen Wege haben die beträchtliche Länge von 6 Kilometern, während 100 Bogenlampen den Park erhellen werden. Das ganze Unternehmen ist ein Aktien-Unternehmen. Die Aktie ist auf 600 Mark normiert. Nach Fertigstellung der ganzen Anlage ist Herrn Döbner die praktische Leitung und Unterhaltung derselben anvertraut, während Herr Justizrat Colditz aus Leipzig, ein grosser Gartenfreund, die Seele des Ganzen ist. Das Interesse für den Leipziger Palmengarten, welcher ein gemeinnütziges Institut vorstellt, macht sich im Publikum bereits durch wertvolle Schenkungen bemerkbar. Freilich haben wir dort auch manche Schenkungen gesehen, … Weiterlesen