Es ist ein erfreulicher Empfang am Ausstellungsgelände in Leipzig. Besucher, die aus der Karl-Tauchnitz-Straße oder aus der Edvard-Grieg-Allee in Scharen am Haupttor eintrafen, geduldig um Eintritt baten, sahen das mit Wappen und Fahnen der ausstellenden Städte und Länder reich geschmückte Einfallstor. Über dem Tor flankierten zwei hohe Obelisken eine jugendlich anmutende, weibliche Figur mit einer siegverheißenden Palme in ihren Händen. Im Inneren dehnte sich eine Landschaft mit dekorativ geschmückten Wiesenflächen, kleinen Kiosken und Gärtnerkunst aus. Schon beim Betreten zeigte sich in der Ferne das imposante Hauptgebäude der Industrie- und Maschinenhalle im hinteren Teil der Ausstellung. Der Blick fiel aber zunächst auf einen großen Schwanenteich, in dessen Mitte sich aus dem Wasser heraus ein Triumphschiff mit allegorischen Figuren erhob. Die Ufer rundum waren mit Statuen, Urnen, Koniferen und in Halbkreis angelegten Balustraden verziert. Auffällig daran waren auch die gegenüberliegenden Terrassen mit zwei großen in Kupfer getriebenen Vasen. Der Weg zum Hauptgebäude führte entlang einer breiten Lindenallee, die so genannte König-Albert-Allee, von der aus man über etliche Wegverzweigungen zu allen Orten problemlos gelangen konnte. Der vom Veranstalter vorgeschlagene Rundgang sollte bestenfalls auf der rechten Seite beginnen. Dort fiel sofort ein weiß schimmernder altgriechischer Tempel ins Auge, der sich in seiner Größe und Gestaltung von anderen kleineren Tempeln auf dem Gelände abhob. Idyllisch vor einer Wasserfontäne gelegen, umrahmten ihn Koniferen, Sträucher, Stauden, Lorbeerbäume und Rosen.
Neben dem Eingangstor lag der aus dem 16. Jahrhundert angelegte Nachbau des Altleipziger Messviertels. Im Inneren sah man den Auerbachs Hof, den Naschmarkt, einen damals bekannten Bettelbrunnen und zwischen schmalen Fachwerkhäusern das Abbild des altgotischen Rathauses von 1549. Auszugsweise zeigte man hier und da Wappen alter Patrizierfamilien, Sammlungen aus den letzten Feldzügen, Leipziger Altertümer, ein Reliefbild der Stadt zur Völkerschlacht und eine Statue Kaiser Maximilians I. Gleich dahinter war auf einer Linie mit dem altgriechischen Tempel der Eingang der Gartenbauhalle. Neben Bamberg, Erfurt, Quedlinburg und Dresden etablierte sich auch in Leipzig ein eifrig betriebenes Gartengewerbe. Die herausragende Rolle der Gartenkultur für Leipzig zeigte sich, sowohl in der Gestaltung des Ausstellungsparks, als auch in der zentralen Lage der Gartenbauhalle im vorderen Teil der Ausstellung. Ein besonderes Highlight bot das Tropendiorama, das mit vielen Schaubildern die Vegetation in Übersee zeigte. Genauso wichtig waren kleine und große Sonderausstellungen beispielsweise zu Jagdtrophäen, Handwerksschulen, Amateurfotografie und Briefmarken, um die Vielfalt des Gewerbes, der Botanik und der Tierwelt vorzustellen. Seitwärts befand sich die Kunsthalle. Eine dauernde Verkaufsausstellung ihrerseits zeigte deutsche Werke zeitgenössischer Kunst, insbesondere des sächsisch und thüringischen Kunstschaffens. Der Leipziger Max Klinger präsentierte dort erstmals sein neuestes Werk „Christus im Olymp“. Danach erhob sich der geschmackvolle Bau der Textilhalle. Hier wurde der gesamte Fabrikationsprozess der Branche vorgestellt. Bei Betreten der Halle lag auf der linken Seite die Spinnerei, auf der rechten Seite die Weberei. In gleicher Linie lag die Halle für Landwirtschaft, Sport und Hygiene. Sie stellte landwirtschaftliche Maschinen, Geräte und Erzeugnisse der Fischerei und Imkereigeräte, Gebrauchsartikel für Gesundheitspflege sowie Jagd-, Schieß- und Fahrsportutensilien vor.
Zwischen der Kunsthalle und der Halle für Landwirtschaft standen zwei privatbetriebene Pavillons. Der Eine war bestimmt zum Ausstellen von Maschinen und Einrichtungsgegenständen für die Wurstfabrikation der privaten Fleischerei. Hier verkaufte man gut für alle sichtbar eigene Fleisch- und Wurstwaren. Der Andere betrieb in ähnlicher Art und Weise eine villenartige private Musterbäckerei. Dahinter zeigte die Halle für Gas und Wasser die praktische Anwendung in der Hauswirtschaft beim Heizen und Backen oder allgemein die Verwendung der Rohstoffe in der industriellen Gasverarbeitung. Beim Eintritt der Ausstellungshalle der Leipziger Stadtverwaltung waren unter anderem Bauzeichnungen des Grassi-Museums, der Markthalle und Entwürfe des Leipziger Völkerschlachtdenkmals und neu geplanter Schmuckanlagen ausgestellt. Auf der Rückseite der Halle entstand ein Querschnitt wie sich die Stadt einen „modernen Straßenbau“ vorstellte. Auf der König-Albert-Allee zurück, sah man den Nachbau des Loreleybrünnleins aus Galvanoplastik, das zu Ehren Heines von der österreichischen Kaiserin Sissi erbaut wurde, und einen höhergelegten Rundbau mit einem mächtigen Kolossalgemälde der Kreuzigung Christi. Auf dem Bild waren unter anderem der Ölberg sowie die Moabitberge jenseits des Toten Meeres westlich der Stadt Jerusalem zu sehen. Vorbei am Krystallpalast-Varieté-Theater gelangten die Besucher zur Tiroler Bergfahrt. Auf hohem Fels erhob sich bis zum Ufer des Elsterflutbettes eine halbzerfallene Burgruine, ein Nachbau des bekannten „Schloss Taufers“ aus dem Mittelalter. Im Innern war ein Alpen-Diorama, eine bildhafte Alpenlandschaft, zu sehen. Mit einer Bergbahn konnte diese lebhaft erkundet werden.
Am Ende der König-Albert-Allee führte eine breite Brücke über das Elsterflutbett vorbei an vier Eckstatuen der zwei Skulpturengruppen „Saxonia“ und „Thuringia“ zum mächtigen Bau der Industrie- und Maschinenhalle. Nach allen Seiten hin war das Hauptgebäude der Ausstellung ein beherrschender und repräsentativer Bau. Über die so genannte König-Albert-Brücke gelangten die Besucher entlang eines großen Reiterstandbilds des Königs zum dreiteiligen Hauptportal. [1] Nach oben schauend sah man viele Türme und eine Aussichtsplattform mit Ferngläser-Automaten ausgestattet. Der Aufstieg versprach einen reizvollen Blick über den Ausstellungspark, die Stadt und ihre Umgebung. Im Innern waren Ein- und Ausgänge, Decken und Wände mit Malereien reichlich verziert, hervortretende Friesen zeigten bunte Mosaike und Fenster zahlreiche Glasmalereien. Dekorativ ausgestellte Statuen und verschiedenartige Pavillon-Systeme zeigten einen einzigartigen Präsentationswillen. Die beteiligten Vertreter vieler Industriezweige präsentierten ihre neuesten Errungenschaften. Im Vordergrund standen die Mechanik und Automatisierung. In der Maschinenhalle mussten alle Maschinen durch Transmission und Elektrizität dauerhaft betrieben werden, so dass sich verschiedenste Gesellschaften mit unterschiedlichen Antriebsystemen daran beteiligten. [2]
Doch das ist eine andere Geschichte.
[1] StadtAL, Kap. 75 A Nr. 33 Bd. 2, Die Industrie und Gewerbeausstellung in Leipzig im Jahr 1897, in: Leipziger Ausstellungszeitung Nr. 133 vom 24. April 1897. Der Ausstellungsplatz in letzter Stunde, S. 351.
[2] Vgl. Offizieller Führer der Sächsisch-Thüringischen Industrie- und Gewerbeausstellung 1897, S. 25-65.