Die internationale Jubiläums-Gartenbau-Ausstellung in Leipzig

Wir vermeiden es sonst sehr gerne, inbezug auf die noch in der Vorbereitung befindlichen Gartenbau-Ausstellungen unseren Lesern vorzeitige Versprechungen darzubringen. Die heute den Vorarbeiten für die vom 25. August bis 5. September in Leipzig stattfindende Jubiläums-Gartenbau-Ausstellung zugestandene Ausnahme erschien uns jedoch durch verschiedene Wahrnehmungen geboten, die wir auf mancherlei in der letzten Zeit ausgeführte Reisen machten und die uns allerorten ein sehr reges Interesse für diese Ausstellung und die bestimmte Absicht, dieselbe zu besuchen, erkennen liessen. Sodann haben wir bis heute die Meinung, dass den Vorarbeiten für diese Ausstellung ein dem Unternehmen angemessener grosser Zug eigen und die Erwartung berechtigt ist, dass die Ausstellung in Leipzig für die Handelsgärtner Deutschlands eine sehr hervorragende Bedeutung haben und einen gewaltigen Zusammenfluss der Fachmänner des In- und Auslandes bewirken wird. Wir geben aber dennoch der Hoffnung Ausdruck, dass nicht noch zuguterletzt kleinlicher Krimskram den guten Eindruck, den die Vorarbeiten bis jetzt gemacht haben, schädigen oder zerstören wird. Die Ausstellung wird stattfinden auf einer vom Rat der Stadt Leipzig überlassenen, etwa 14 ha grossen, von einem prächtigen Baumbestande begrenzten Grundfläche. Die Erdarbeiten sind beendet. Gegenwärtig wird der ungefähr 6000 qm Fläche umfassende Teich gedichtet. In der Nähe desselben beginnen die Vorarbeiten zu dem Aufbau des Königspavillons, der von dem leipziger Verein für Kunsthandwerk »Albrecht Dürer« als Ausstellungsgegenstand errichtet wird und der Zeichnung nach eine Zierde der Ausstellung zu werden verspricht. Ferner ist man mit dem Aufbau einer Grotte aus Bruchsteinen beschäftigt, die so geräumig wird, dass sie für die Besucher zugängig ist; sie soll durch Wasser und elektrische Lichtwirkungen Reiz erhalten. — Ueber der Grotte wird sich ein Tempel erheben, bezüglich desselben, sowie des einzuhaltenden Baustils jedoch noch die Verhandlungen schweben, da sich das erste Projekt als nicht geeignet erwies. — Das Wasser für die Teichanlage wird mittelst eines Motors aus dem die Ausstellung umgrenzenden Luppen-Flüsschen gehoben, fällt über die Grotte und ergiesst sich dem Wasserlauf entlang in den Teich. Der Wasserlauf wird durch 2 Brücken überspannt. Nahe den Wasserpartien sind bereits Steingruppen für Alpinen und dergleichen errichtet. Auch ist ein grosser Teil der m der Nähe gelegenen Blumenzwiebeln- und Knollengruppen bereits bepflanzt. Für die Bepflanzung der Wasserpartien ist ebenfalls angemeldet. Eine leipziger Firma stellt einen Wintergarten aus. Einige grössere und kleinere Gewächshäuser sind ebenfalls fest angemeldet. Eine auswärtige Firma hat das Material zu einer grossen Staudengruppe bereits eingesandt.Die Pflanzenanmeldungen für die Ausstellung im Freien bewegen sich von der Beanspruchung kleinerer Flächen bis zu solchen von 1000 qm. Auch für die Haupthalle sind mehrere Hundert Quadratmeter bereits fest angemeldet. Coniferen und Rosen scheinen in reicher Anzahl zu kommen. Die in ihrer Vorderansicht obenstehend veranschaulichte Haupthalle besitzt eine Frontlänge von 100 m und eine Tiefe von 25 m; an der Rückfront ist ein Ausbau von 20 X 20 m beabsichtigt. Der Haupteingang besitzt eine Vorlagenbreite von 20 m bei 8 m Vorsprung, einschliesslich der mächtigen, 12 m hohen Säulenstellungen. Hinter dem Haupteingang schliesst sich der gewölbte Empfangsraum von etwa 12 X 12 m Grundfläche und 15 m Höhe an, welcher Raum die Grundfläche des bis zur Fahnenspitze 41 m und bis zur Laterne 34 m hohen Turmes bildet. Im übrigen umfasst die grosse Halle einen einzigen, nirgends unterbrochenen Raum, welcher durch das einfache, aber in jeder Weise elegant und sicher konstruirte Dach mit seiner lichtspendenden Jutebedeckung abgeschlossen wird. Die Halle misst bis zum Hauptsims 8,50 m, bis zum Architrav 9,50 m und bis zum First 15,5 m Höhe. Die sämtlichen äusseren Fassaden werden in der Hauptsache durch gruppirte Türme, jonische Säulenstellungen, reiche allegorische Darstellungen u. dergl. gebildet. Das den Haupteingang von der lindenauer Chaussee bildende Haupttor besitzt eine Höhe von 12, eine Breite von 11,5 m; die Durchgangshöhe eine solche von 7 und eine Breite von 5 m. Dasselbe wird dem Charakter der grossen Halle entsprechend architektonisch ausgebildet. Ein schon bestehendes Steingebäude wird die Binderei aufnehmen; den einlaufenden Anmeldungen nach ist es keineswegs zu gross, wie man früher befürchtete. Bodenflächen für grössere Parterreanlagen sind vorhanden und könnten hier gartenkünstlerische Firmen, die sich diese Gelegenheit zur Veranschaulichung ihrer Leistungsfähigkeit nicht entgehen lassen sollten, vortreffliches vorführen. Es kann jetzt noch jeder Aussteller seinen Platz, soweit der Raum noch nicht vergeben ist, auswählen; natürlich müssen die Gegenstände einigermaßen auf den gewünschten Platz passen. In späterer Zeit muss diese Freiheit selbstverständlich beschränkt werden. Das kgl. sächsische Ministerium hat 15000 Mark und der Rat der Stadt Leipzig 12000 Mark zu dem Ausstellungsfonds gezeichnet; ersteres auch 15 silberne Staatsmedaillen, letzterer 3000 Mark zu Ehrenpreisen bewilligt. Das herzogl. Sachsen-Altenburgische Ministerium hat dieser Tage ebenfalls Ehrenpreise in Aussicht gestellt. Fernere Ehrenpreise wurden bewilligt vom Landesobstbau-Verein in Sachsen, ein Kunstgegenstand im Werte von 100 M. für die beste Leistung in der Anzucht von Obstbäumen, vom Geh. Kommerzienrat Dodel-Leipzig, ein silberner Pokal, von Alb. Wagner-Gohlis, zwei Preise zu je 500 M., von der kölner Gartenbau-Gesellschaft, drei silberne Medaillen, vom Gärtner-Verein zu Altenburg für ein Marktsortiment Remontantnelken, vom Verband der Handelsgärtner Deutschlands ein Verbandsdiplom (Bewerber müssen Verbandsmitglieder sein), vom Iindenauer Gärtner-Verein, ein Wertgegenstand von 50 M. für bestkultivirte Kalthauspflanzen für den Export in fünf Arten je zehn Stück (ausgenommen Azaleen, Camellien, Rhododendron, Eriken und Cyclamen), vom Gartenbau-Verein Hamburg-Altona und Umgegend, eine grosse goldene Medaille, vom Verein zittauer Gemüsegärtner, 30 M. Weitere Ehrenpreise stehen noch in Aussicht. Preisrichter werden etwa hundert in Tätigkeit treten und dürfen unter ihnen preiswerbende Aussteller nicht vorhanden sein. Hoffentlich wird auch jene Sorte von Privilegirten darunter fehlen, denen das Frühstücken und Redenhalten wichtiger wie das Arbeiten ist. Zurzeit der Ausstellung wird die deutsche dendrologische Gesellschaft am 27. August ihre Versammlung abhalten. Auch der Verein deutscher Gartenkünstler wird ein gleiches am 26. August tun. Einsichtige Mitglieder des HandeIsgärtner-Verbandes hatten gehofft, dass der Vorstand des Verbandes sich bemühen würde, besonders nachdem die in Frankfurt am Main von der Handelsgärtner-Verbindung vorbereitete Ausstellung so unrühmlich verkrachte, die der Versammlung von Frankfurt nach Leipzig zu betreiben, wohin dieselbe ursprünglich eingeladen worden war. Nichts von alledem! Weil ein halbes Dutzend Mitglieder mit einander im Streite liegen, muss der ganze Verband darunter leiden. Die Sache ist ja so sehr kläglich, aber weil sie auch so lehrreich ist, kommen … Weiterlesen

Von der Vision einer Weltausstellung in Sachsen

Die Idee für eine internationale Ausstellung in Leipzig kam 1893 aus einem Kreis von Leipziger Gastwirten und Hoteliers an die Leipziger Handelskammer. Ein nationales Ereignis mit großer Ausstrahlungskraft für die alte Handels- und neu aufstrebende Industriestadt sollte es werden, am besten eine Weltausstellung. An den Erfolg glaubte die Handelskammer (noch) nicht und befürwortete höchstens eine lokale Gewerbeausstellung. Schließlich befand man sich in einer schwierigen Zeit. Aufgrund der Cholera wurde 1892 die Leipziger Michaelis-Messe abgesagt. Eine Katastrophe für alle Beteiligten. Zu jener Zeit war die Infektionskrankheit eine neuartige Epidemie, die sich durch verunreinigtes Trinkwasser und infizierte Nahrung schnell über die Grenzen hinaus übertragen hat. Die gesundheitlichen Sorgen waren berechtigt, der Gewerbe- und Messestandort in der Krise. [1] Eine Gruppe von Gewerbetreibenden um den Kaufmann und Stadtverordneten Blanke propagierte vielleicht auch deswegen die Idee einer größeren Gewerbeausstellung. Hinzu kam, dass Sachsen keine solche Ausstellung seit langer Zeit veranstaltet hatte. Nach intensiven Verhandlungen einigten sich die verschiedenen Interessengruppen mit der Stadt auf die Durchführung einer erweiterten Sächsischen Landesausstellung. Neben dem Königreich Sachsen sollte die Umsetzung gemeinsam mit den sieben Thüringischen Staaten gelingen (Herzogtümer Sachsen-Altenburg, Sachsen-Coburg und Gotha sowie Sachsen-Meiningen, die Fürstentümer ältere und jüngere Linie zu Reuß, Schwarzburg-Rudolstadt und Schwarzburg-Sondershausen). Zugleich befürwortete man die Teilnahme anderer Staaten (der preußischen Provinz Sachsen, des Herzogtums Anhalt, den preußischen Regierungsbezirk Liegnitz, der Mark Brandenburg ohne Berlin und die drei fränkischen Kreise Bayerns). Der Ausstellerkreis sollte über die mitteldeutsche Region hinausgehen. Das erklärte Ziel war es, verstärkt kleine- und mittelständische Unternehmen miteinzubeziehen und zu fördern. Ebenso war beabsichtigt, die Synergien einer Messe in beide Richtungen mitzudenken und die Ausstellungsdauer so zu gestalten, dass Frühjahrs- und Herbstmesse parallel partizipieren können. [2] Schließlich wurde das Ausstellungsjahr 1897 bewusst ausgewählt. In diesem Jahr gab es deutschlandweit keine Konkurrenz zu anderen Ausstellungen. Passend dazu war es ein 400-jähriges Jubiläumsjahr der kaiserlichen Verleihung des Messeprivilegs an Leipzig. Man konnte das Jubiläum angemessen dafür einsetzen, um die Sächsisch-Thüringische Industrie- und Gewerbeausstellung (Länderausstellung) in ihrer überregionalen Bedeutung aufzuwerten. Denn „Ehre, wem Ehre gebührt“ – Kaiser Maximilian hatte 1497 mit der Verleihung des Messeprivilegs schließlich die Grundlage für das Wachstum und das große Ansehen Leipzigs als Handels- und Messestadt gelegt. Die Fürsprecher bekamen 1894 durch eine Umfrage viel Rückenwind. Über 80 Prozent der befragten Wirtschafts- und Industriekreise in Sachsen und Thüringen befürworteten das Vorhaben. König Albert von Sachsen übernahm daraufhin höchst selbst die Schirmherrschaft und verlieh dem ambitionierten Vorhaben 1895 königliche Relevanz und Legitimation. Daneben bildeten sich eine Reihe von Fachausschüssen und Komitees. Es gab ein Ehrenpräsidium, dem der Leipziger OBM Dr. Georgi und auch die Vorsitzenden der Handelskammer und Gewerbekammer sowie bedeutende Staatsminister angehörten, und ein Ehrenkomitee mit Mitgliedern aus Botschaften europäischer und amerikanischer Staaten etc. [3] Die Direktion übernahm der Rechtsanwalt Dr. Küstner. Ihm zur Seite standen ein geschäftsführender Ausschuss aus den so genannten „besten Kreisen der Stadt“ – Stadtrat Dodel (1. Vorsitzender), Kgl. Kommerzienrat Mey und Fabrikbesitzer Sening (stellv. Vorsitzende), Justizrat Dr. Colditz, Stadtrat Ehmig, Kgl. Kommerzienrat Kirchner, Bankdirektor Dr. Messerschmidt (Stadtrat a. D.), Stadtrat Dr. Schanz und Fabrikbesitzer Waselewsky. Die Finanzierung organisierte sich über einen von der Deutschen Kreditanstalt und der Leipziger Bank aufgelegten Garantiefond. An ihm beteiligten sich die Leipziger Bürger mit Garantiescheinen in Höhe von etwa 1.750.000 Mark. Die städtischen Behörden übernahmen ebenfalls Garantiescheine im Wert von 250.000 Mark. Weitere 80.000 Mark kamen aus der Grassi-Stiftung dazu. [4] Das Gelände am Scheibenholz und Johannapark Die Stadtverwaltung beteiligte sich, nicht nur mit Garantiescheinen, sondern überließ der zukünftigen Bauleitung 1895 auch eine rund 40 ha große Weide- und Wiesenfläche am Elsterflutbett. Das sumpfige Gelände lag nahe dem reich geschmückten Villen-Viertel am Johannapark in unmittelbarer Nähe zur Innenstadt. Nicht ohne Grund, denn die Stadtverordneten stimmten diesem Vorschlag zu, auch deshalb, weil dieses Areal nach Ende der Ausstellung als Stadtpark einen bleibenden Charakter einnehmen sollte. Es war ein gleichmäßiges Gelände, das hier und da etwas abfällt. Anstelle holpriger Wege und tiefgelegenen Wiesen traten festgebaute Straßen, üppige Promenadenwege und glitzernde Wasserflächen. Eine breite Brücke über das Elsterflutbett verbindet die innere Stadt noch heute mit ihren westlichen Vororten und feste Dämme schützen auf alle Zeiten gegen jedes Hochwasser, den Masterplan dazu erarbeitete Arwed Rossbach. [5] „Wenn dann nach einem Jahre voll Glanz und Jubel und Triumph die stolzen Paläste gesunken und dem Erdboden gleichgemacht sein werden und keine hindernde Schranke mehr den freien Zutritt wehrt, wenn Jung und Alt, Arm und Reich sich in den herrlichen Anlagen ergeht, um fern und doch nah bei der Stadt geschäftigem Getriebe in freier, frischer Luft Erquickung zu suchen, dann wird die Erinnerung an die Ausstellung, die Schöpferin dieses zum Gemeingut gewordenen Erholungsplatzes, neu aufleben in den Herzen der genießenden Bürger und man wird dankbar preisen ihr Vermächtnis – das Gebliebene.“ Leipziger Ausstellungszeitung Nr. 101, 1. November 1896. Mit Kosten in Höhe von etwa 530.000 Mark legte man das Gelände weitgehend trocken. Es entstanden Schleusenbauten, Brücken, Teiche, Gärten und eine eigene Strom- und Wasserversorgung. Der Ausstellungspark wurde in bevorzugter Weise an die städtische Straßenbahn und Sächsische Staatsbahn angebunden. Nach Zustimmung des Stadtrates lobte die Stadt 1895 einen Architekturwettbewerb aus. Am Ende des Wettbewerbs stand ein Konsortium aus ausgewählten Architekten, die den Bau der einzelnen Ausstellungsbereiche gemeinsam planten und beaufsichtigten. Die Juroren waren u.a. der Erbauer des Berliner Reichstages Wallott und der Leipziger Stadtbaurat Licht. Nach zwei Jahren Bauzeit präsentierte sich ein neuer Stadtteil. [6] Die STIGA war vom 24. April bis zum 19. Oktober 1897 mit insgesamt 3.027 Ausstellern die in diesem Jahr einzig große Ausstellung in Deutschland. Herausragende Staatsgäste kamen zur feierlichen und festlich geschmückten Eröffnung auf Einladung der Sächsischen Königsfamilie. Doch das ist eine andere Geschichte. [1] StadtAL, Kap. 75 A Nr. 33 Bd. 2, Die Industrie und Gewerbeausstellung in Leipzig im Jahr 1897, in: Leipziger Ausstellungszeitung Nr. 133 vom 24. April 1897. Wie die Ausstellung ward, S. 351. [2] Vgl. Hochmuth, Enrico 2012: Industrie- und Gewerbeausstellungen in Sachsen 1824-1914. Ihr Beitrag zur kommunalen und regionalen Standortbildung, in: Beiträge zur Wirtschaftsgeschichte Sachsens Band 9, S. 66 f. [3] StadtAL, Kap. 75 A Nr. 33 Bd. 1, Die Industrie und Gewerbeausstellung in Leipzig im Jahr 1897, in: … Weiterlesen

Ein Blick in die Literatur – STIGA in Leipzig

Die Ausstellungen, die ihren Ursprung den Museen verdanken, traten das erste Mal in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts in die Erscheinung. Sie haben sich seitdem zu einer Institution herausgebildet, die uns jetzt ein geradezu unentbehrliches Bedürfnis dünkt und unserer Zeit ihren eigenartigen Stempel unverkennbar aufdrückt, so daß wir das neunzehnte Jahrhundert das Zeitalter der Ausstellungen nennen könnten. Nachdem das Ausstellungstreiben vergangenes Jahr im Norden und Süden seinen Höhepunkt erreicht zu haben schien, pulsiert es heuer besonders lebhaft mitten im Herzen Deutschlands – in Leipzig. Die Pleißestadt ist durch ihre Bedeutung als alte Handelsempore und durch die centrale Lage im Reiche wie kein anderer Platz geeignet, den Industrie- und Gewerbefleiß der arbeitsamen Bevölkerung Mitteldeutschlands in einem großartigen Gesamtbilde der Welt vorzuführen, und der Aufruf Leipzigs zur Veranstaltung eines friedlichen Wettbewerbs innerhalb seiner Mauern verhallte denn auch nicht ungehört. Das ursprünglich in beschränkterem Rahmen schon für das Jahr 1895 geplante Unternehmen wurde aufgeschoben, wuchs sich aus und gestaltete sich nun zu einer weit über das gewöhnliche Maß hinausgehenden Ausstellung, an der nicht allein das Königreich Sachsen und die Thüringischen Staaten, sondern auch das Herzogtum Anhalt, die preußischen Provinzen Sachsen, Brandenburg (mit Ausnahme Berlins), der Regierungsbezirk Liegnitz von Schlesien und die drei fränkischen Kreise Bayerns beteiligt sind. Wie die Ausstellungen von jeher gern an ein geschichtlich wichtiges Ereignis anknüpften so ist auch die Leipziger Ausstellung in Erinnerung an das Jahr 1497, in dem die bedeutungsvolle Einrichtung der Leipziger Messen von Kaiser Maximilian I. bestätigt und konfirmiert wurde, ins Leben gerufen worden. Die Ausstellung, welche am 24. April dieses Jahres in Anwesenheit des Königs Albert von Sachsen feierlichst eröffnet wurde, hat ihren Platz im westlichen Teile der Stadt auf den zwischen Karl Tauchnitz- und Bismarckstraße sich hinziehenden Parkwiesen erhalten. Sie ist also für den Besucher leicht erreichbar, dem überdies durch elektrische Bahnen jederzeit die schnellste Fahrgelegenheit nach allen Himmelsrichtungen geboten wird. Treten wir durch das von zwei hohen Obelisken flankierte Hauptthor in den Ausstellungspark ein, dessen Fläche 400 000 qm umfaßt, so wird uns ein überraschend schöner Anblick zu teil. Vor uns dehnt sich eine überaus reizvolle Landschaft aus. Inmitten herrlicher Anpflanzungen liegt ein blinkender Weiher eingebettet, der von Schwänen belebt und von zierlichen Statuen umrahmt ist, und im Hintergrunde ist das imposante Hauptgebäude sichtbar, das wie ein weißes Schloß zu uns herübergrüßt. Das ist unser Ziel. Wir schreiten die um das Wasser führende breite Lindenallee entlang, die sich durch prächtige Gartenanlagen hinzieht, in denen Kioske und Tempelchen malerisch verstreut liegen, und gelangen über die Flutkanalbrücke, die mit Statuen geschmückt ist, welche Sachsen und Thüringen, Industrie und Gewerbe verkörpern, bis vor das mächtige Hauptgebäude. Dicht vor demselben ist ein Reiterstandbild des Protektors der Ausstellung, König Alberts von Sachsen, errichtet. Das in Renaissancestil gehaltene Bauwerk selbst, das samt der mit ihm vereinigten Maschinenhalle einen Flächenraum von über 40 000 qm einnimmt, ist mit einer Anzahl kleiner Türmchen geziert und zeigt vor der Front die von Säulen getragenen allegorischen Figuren der Städte Dresden, Leipzig, Chemnitz und Erfurt. Wir begeben uns durch das mittelste der drei Portale in den hochgewölbten Kuppelbau, dessen Decken- und Wandmalerei einen hübschen Gedanken zum Ausdruck bringt. Vier mächtige Eichbäume, deren Zweige Putten mit den bezüglichen Attributen beleben, sollen die einzelnen Gewerbarten darstellen. Sie wachsen an den Wänden zur Decke empor, an der sich ihre Laubkronen zur Umkränzung des Symbols der Industrie, eines großen Zahnrades mit dem sächsischen Wappen, vereinen. An der dem Eingang gegenüberliegenden Galeriewand ist eine Orgel aufgestellt und auch im übrigen haben hier besonders wirksam gruppierte und ins Auge fallende Gegenstände Platz gefunden. In einem der nächsten Räume nimmt die Ausstellung des Buchgewerbes ihren Anfang, als deren mächtigste Vertreterin Leipzig obenan steht. Die Halle, in deren Mitte sich die Statue Gutenbergs erhebt, und von deren Wänden die Riesenbilder der vier Evangelisten herabgrüßen, ist mit düsterer Holzdecke ausgestattet und mutet wie eine Klosterbibliothek an. Hier hat auch die Verlagshandlung unseres Blattes ausgestellt. In dem Bestreben, ihrem Platz ein gefälliges Aussehen zu verleihen, ist sie aus begreiflichen Gründen auf den Gedanken gekommen, ihn mit einer grün umrankten Gartenlaube zu umgeben. Hier finden wir sämtliche Jahrgänge der „Gartenlaube“, die seit ihrer Gründung durch Ernst Keil im Jahre 1853 erschienen sind, in stattlicher Reihe aufgestellt. Ein charakteristisches Bild Ernst Keils schmückt die Mittelwand der Laube und die übrige Wandfläche bedecken Originalbilder von berühmter Künstlerhand. Nebenan hat sich das graphische Gewerbe niedergelassen, das uns unter anderem den Dreifarbendruck praktisch vorführt und dem sich die photographischen Künste, die Papierfabrikation und sämtliche andere verwandte Geschäftszweige anschließen. Ein interessantes Bild gewährt der Raum, in dem uns klargemacht wird, welche große Bedeutung die Chemie für die Industrie gewonnen hat. Denken wir nur an das kleine Zündholz, dessen Erzeugung hierher gehört. Welche wichtige Rolle spielt es nicht in unserem Leben! Hat man doch ausgerechnet, daß auf den Kopf der Bevölkerung Deutschlands täglich 6 Zündhölzchen kommen, d. i. bei 52 247 000 Einwohnern also ein Verbrauch von 313 482 000 Stück. Ein hoher Obelisk, der aus Schachteln sogenannter Schwedischer Zündhölzer aufgebaut ist, erinnert zugleich daran, wie segensreich diese deutsche Erfindung wirkt, indem sie die gesundheitsschädliche Herstellung der giftigen Phosphorhölzer immer mehr verdrängt. Gut beschickt ist auch die Abteilung für Musikinstrumente, auf welchem Gebiete sich Klingenthal, Markneukirchen und andere Orte des Vogtlandes einen Weltruf erworben haben, ferner die für Pianofortebau, in dem wieder Leipzig Mustergültiges leistet. Unerreicht in der ganzen Welt steht die Uhrenfabrikation der sächsischen Stadt Glashütte da, die selbst den berühmten Genfer Erzeugnissen gegenüber den Vorzug genießt. Einen bedeutenden Industriezweig Sachsens und Thüringens bildet die Keramik. Allen anderen Städten voran marschiert hier Meißen mit seiner Königlichen Porzellanmanufaktur, die zahlreiche künstlerische Erzeugnisse aufgestellt hat. Ferner festigen die Galanterie- und Spielwarenindustrie des Ausstellungsgebietes durch das, was sie herbeigeschafft, die hohe Meinung, die man schon längst überall von ihnen hegt. Einen gewaltigen Eindruck hinterläßt die Gruppe „Berg-und Hüttenwesen“, deren Produkte ganz ausgezeichnete sind. Und auch die anderen Zweige alle sind vertreten und verdienen Anerkennung und vollstes Lob. Hervorragendes Interesse erweckt die Maschinenhalle mit ihren unzähligen großen und kleinen Betrieben. Eisenbahnzüge, die mit allen Ausrüstungen der Neuzeit versehen sind, können wir besteigen und besichtigen. Der Schnellzug mit seinen Brems- und … Weiterlesen

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