Aus der Presse – Vortrag vom Gartenarchitekt zum Palmengarten

Aus Leipzig und die Leipziger 1906. Georg Müller-Heim, S. 151.

Der Leipziger Palmengarten wurde von Herrn Moosdorf, Vorsitzendem der kürzlich beendeten internationalen Gartenbau-Ausstellung, in der letzten Sitzung des Hausbesitzer-Vereins in Leipzig-Lindenau in einem Vortrage behandelt, und es äußerte sich der Redner über dieses Project etwa wie folgt:

Bei dem allgemeinen Interesse, welches das Project eines Palmengartens erregt, wird natürlich die Frage aufgeworfen: wie ist diese Idee entstanden? Palmengärten giebt es schon seit längerer Zeit in anderen Städten, z. B. in Köln, Frankfurt a. M., Charlottenburg, Hannover, und was dort möglich war, müßte doch auch hier in Leipzig zu schaffen sein. Als im vorigen Jahre im Gärtner-Verein der Plan einer internationalen Gartenbau-Ausstellung entstand, wurde Herr Moosdorf beauftragt, den hierfür passenden Platz vorzuschlagen. Bei den Verhandlungen, welche darüber mit dem Herrn Oberbürgermeister Dr. Georgi gepflogen wurden, schlug dieser das Kuhthurmgrundstück vor, zugleich den Wunsch äußernd, dort vielleicht noch einmal einen Palmengarten erstehen zu sehen. So entstand die Gartenbau-Ausstellung und dem Publicum ist hierbei die Gelegenheit geboten worden, zu sehen, wie ein Palmengarten sich vielleicht präsentiren würde.

Bei der Frage nach der Berechtigung der Idee ist eine ideale Seite und reale Seite in das Auge zu fassen. Mancher fragt, wozu brauchen wir einen Palmengarten? Jeden Menschen erfreut der Anblick der Natur. Deshalb ist es das Bestreben der Reichen, sich mit Naturanlagen zu umgeben und selbst die ärmeren Classen versuchen, so weit ihre Mittel reichen, sich ein Gärtchen zu schaffen.

Besonders in den großen Städten ist das Bedürfniß nach einem Garten vorhanden. Diejenigen, welche Gelegenheit hatten, in ihrer Jugend die Natur in vollen Zügen zu genießen und deren Wiege nicht in einer großen Stadt stand, wissen das zu würdigen. Der Verkehr mit der Natur ist für die ideale Entwickelung des Menschen von Vortheil, und wie wohlthuend in sanitärer Hinsicht die Natur auf das Gedeihen der Kinderwelt wirkt, ist Jedem bekannt. Um nun den Stadtbewohnern Gelegenheit zu geben, den Genuß eines Gartens zu haben, aber nicht nur im Sommer, sondern auch in der rauhen Jahreszeit, empfiehlt es sich, Anlagen, wie der projectirte Palmengarten, in das Leben zu rufen. Wenn man die reale Seite betrachtet, so entsteht die Frage: Wenn eine Stadt wie Leipzig einen Palmengarten schafft, was nützt derselbe?

In erster Linie wird die Stadt dadurch verschönert und für die Fremden ein neuer Anziehungspunct geschaffen. Dieselben verweilen dann länger hier und dadurch wird der Stadt Geld zugeführt. Die Gartenbau-Ausstellung hat so recht den Fremdenzufluß illustrirt, haben doch etwa 150 000 Personen die Ausstellung besucht.

Zieht man nun eine Parallele zwischen dem hier geplanten und anderen Palmengärten, so ist das Resultat ein für Leipzig günstiges. Frankfurt a. M. hatte zuerst wenig Mittel zur Verfügung und das kleine Grundstück war ein vollständig kahler Platz. Vortheilhafter liegen die Verhältnisse hier. Es ist schon landschaftliche Schönheit vorhanden, die dort erst geschaffen werden mußte, wie die schöne Umrahmung des Platzes und die vorhandenen Anlagen der Ausstellung. In Frankfurt hat z.B. die Herstellung des Teiches circa 400 000 Mark gekostet. Hier ist das Terrain ganz von Wasser umgeben und wenn auch der in der Ausstellung angelegte Teich vertieft werden muß, um Gondelfahrten zu ermöglichen, so ist die Ausführung doch keine so schwierige. Der ganze Plan der Ausstellung war so zugeschnitten, daß er als Grundlage für den Palmengarten dienen kann. In 4-5 Jahren läßt sich ein Palmengarten schaffen, welcher mit jedem andern concurriren kann. Die schon vorhandenen alten Bäume und der für Neupflanzungen so günstige Boden sind ein großer Vortheil, den wir vor anderen derartigen Anlagen voraus haben.

In welcher Weise wird nun ein Palmengarten geschaffen? Das ist die nächste Frage. In Köln z. B. ist der Garten sehr beschränkt, und wenn auch in Frankfurt a. M. derselbe größer ist, so ist er doch immer noch zu klein, um den richtigen Genuß eines Gartens eintreten zu lassen. Denn die meisten existirenden Palmengärten sind mehr Palmenhäuser und die darin enthaltene drückende Atmosphäre wirkt nicht erquickend. In einem Palmengarten muß eine angenehme Luft sein. Man hat sich verleiten lassen, um der Seltenheit willen, solchen Pflanzen den Vorzug zu geben, welche eine hohe Temperatur gebrauchen.

Es giebt aber viele Pflanzen, welche nur einer niedrigen Temperatur bedürfen, und der hier geplante Palmengarten soll eben vorzugsweise solche Pflanzen enthalten, er soll anders aussehen, als andere Palmengärten, das Publicum soll wirklich den Genuß eines Gartens haben. Wenn der Garten nach diesem Plane ausgeführt wird, so muß er ohne Zweifel die anderen Anlagen übertreffen, und trotzdem werden die Herstellungskosten nicht so viel betragen.

Wenn das Project des Palmengartens zur Ausführung kommt, so wird, so schloß der Redner unter lebhaftem Beifall seinen Vortrag, unstreitig Leipzig dadurch gewinnen und insonderheit der westliche Stadttheil wird großen Vortheil davon haben. [1]

Am gestrigen Abend hielt der Bezirks-Verein West-Leipzig im Gosenschlößchen zu Plagwitz seine Hauptversammlung ab. Dieselbe wurde in Vertretung des Vorsitzenden Herrn Weyrauch von Herrn Knoll mit einer kurzen begrüßenden Ansprache eröffnet […] Hierauf nahm Herr Handelsgärtner Moßdorf sen. das Wort zu dem zugesagten Vortrag über den „Leipziger Palmengarten“. Die Idee, einen Palmengarten zu schaffen, geht bis in die siebziger Jahre zurück, wo sie schon im Leipziger Gärtner-Verein erörtert wurde. Aber erst 1893 kam die Angelegenheit in Fluß, als gelegentlich der Jubiläums-Ausstellung des Gärtner-Vereins Herr Oberbürgermeister Dr. Georgi das Kuhturmareal als das geeignetste in Vorschlag brachte. Dasselbe war bereits für die Ausstellung von 1884 in Vorschlag gebracht, damals aber wegen der Hochwassergefahr abgelehnt worden. Ein jetzt angefertigter Nivellirungsplan ergab aber, daß dieselbe nur eine illusorische war. Etwaige noch vorhandene Bedenken wurden durch Erhöhung des dem Luppen-Ufer entlang führenden Dammes um 50 cm und durch die neuerbaute große Vorfluthschleuße beseitigt. Das Kuhthurmareal eignet sich für den Palmengarten wie kein zweites, da es einen prachtvollen landschaftlichen Hintergrund und außerordentlich werthvolles altes Baummaterial bietet. Nach der 1893er Gartenbau-Ausstellung wurde daher eine Actiengesellschaft begründet. Die Zeichnung der Actien verzögerte sich etwas, da gegen den neuen Palmengarten von manchen Seiten Bedenken geltend gemacht wurden, namentlich hieß es, der neue Palmengarten wird nur eine neue Kneipe. Dem ist aber nicht so, denn wenn in einem Gartenlocal das Restaurant die Hauptsache und der Garten nur Nebensache ist, so ist das Verhältniß beim Palmengarten, wie aus § 1 der Statuten hervorgeht, gerade umgekehrt. Die Gesellschaft will auch keine hohe Dividende erzielen, sondern nur zu Nutz und Frommen des Publicums eine Erholungsstätte schaffen, die auch als Anziehungspunct für Fremde dienen soll. Die zur Gewinnung von Plänen ausgeschriebene Concurrenz war sehr zahlreich beschickt. Vom Redner wurde in Gemeinschaft mit der Architektenfirma Schmidt und Johlige der endgiltige Plan festgestellt, der dann auch von dem Aufsichtsrath und der Gesellschaft genehmigt wurde.

Hauptgesichtspuncte bei Ausarbeitung desselben waren, daß bei den Bodenbewegungen das alte schöne Baummaterial gewahrt und geschont werde. Es macht sich die Anlegung eines Teiches und einer theilweisen Erhöhung der ebenen Fläche nothwendig, eine Abwechslung zu schaffen, das Gesellschafts- und Palmenhaus mußte möglichst an die Verkehrsstraße zu liegen kommen, das Palmenhaus in seiner Hauptrichtung nach Süden, der Concertplatz mußte in die Nähe des Gesellschaftshauses gerückt werden. Ferner war auch damit zu rechnen, daß das Terrain beim Haupteingang einen Fall von 1,5 m hatte. Allen diesen Umständen ist bei Ausarbeitung des Planes Rechnung getragen worden. An das Gesellschaftshaus schließt sich eine Terrasse von 2m 40cm über dem jetzigen Terrain. Um die Eintönigkeit der ebenen Fläche zu beseitigen, wurden Erhöhungen bis zu 3 m vorgesehen. Es waren 64 000 Kubikmeter Boden zu bewegen, der, um die Kosten zu sparen, nur aus dem Areale selbst genommen wurde. Das Gesammtareal beträgt 189 777 qm, davon entfallen auf den Kuhthurmantheil 157 490 qm, auf den Ritterwerder 32 287 qm; das Gesellschaftshaus ist 1750, das Palmenhaus 1276 qm groß, also größer als das Frankfurter mit 1092 qm. Der Frankfurter Teich ist 8200 qm groß, der Leipziger übertrifft ihn weit, er wird 12 749 qm umfassen; der große Ausstellungsteich hat nur 11 200, der Johannaparkteich 9000, der Schwanenteich 4000 qm. Die Terrasse ist 2055 qm, der Concertplatz 9129 qm groß. Die Wege nehmen 25 088 qm in Anspruch. Man kann 6 km darin spazieren gehen. 123 963 qm sind mit Rasen und Pflanzungen bedeckt. Der Leipziger Palmengarten wird daher einen weit großartigeren Eindruck machen als der Frankfurter. Die Verwaltungsgebäude sind schon vorhanden und werden nur restaurirt und umgebaut. Der alte Saal wird im Wesentlichen erhalten und als Orangerie verwendet, das Kuhthurmgrundstück als alter Gutshof ausgebaut. Im Anschluß an den Concertplotz ist ein Spielplatz vorgesehen, an den sich dann ein Rosengarten anschließt. Kleine Gartenhäuschen dienen zur Ausschmückung des Areals. Nach der Seite des Ritterwerders wird ein zweiter Concertpavillon errichtet. Die elektrische Beleuchtung des Palmengartens ist vorgesehen, ebenso sollen die Fontaine und der vergrößerte Wasserfall elektrisch beleuchtet werden. Die hierfür nöthigen Maschinen werden in einem eigenen schmucken Häuschen untergebracht. Der Ritterwerder ist in einen Waldpark umgewandelt, das Unterholz beseitigt, Rasenflächen hergestellt und Wege durchgeführt. Das dabei gewonnene Land hat bei der Erhöhung des Dammes gegen die Ueberschwemmungsgefahr Verwendung gefunden. Sonst ist wegen der alten Bäume die Bodenbewegung ziemlich Null gewesen. Vom Ritterwerder nach dem Palmengarten führt eine von Herrn Wolle ausgeführte Monierbrücke von 30 m Wölbung über die Elster.

Um den in den Palmenhäusern gewöhnlich vorgefundenen Uebelstand einer zu hohen Temperatur zu beseitigen, werden nur Palmenarten gewählt werden, die keiner so hohen Temperatur bedürfen, so daß sich dieselbe mir auf 15-16 Grad stellen wird. Allenthalben wird Rücksicht darauf genommen, daß hier nicht bloß ein Gewächshaus in Frage kommt, in welchem man Palmen zieht, sondern auch eine Stätte, wo dem Publicum hübsche tropische Bilder geboten werden sollen. Es wird daher auch Sorge getragen, daß das Palmenhaus mit Pflanzen nicht überfüllt wird. Redner schloß seinen hochinteressanten und fesselnden Vortrag mit der Versicherung, daß der Leipziger Palmengarten jedenfalls ein ganz angenehmer Aufenthalt werden wird. An der Hand von Zeichnungen und perspectivischen Aquarellskizzen ging Herr Moßdorf dann noch kurz auf einzelne Details ein. Lebhafter Beifall folgte seinen Ausführungen, und Herr Knoll sprach im Namen des Vereins dem Redner herzlichen Dank aus. Herr Dr. med. Ihle fragte an, ob auch die Anlage einer Gondelstation vorgesehen worden sei, Herr Moßdorf stellte dies in seiner Antwort für später in Aussicht […]

Leipzig, 2. Februar 1898. [2]


[1] Der Leipziger Palmengarten, in: SLUB Dresden. Leipziger Tageblatt und Anzeiger vom 3. Oktober 1893. Frühausgabe, S. 6997.

[2] Bezirksverein West-Leipzig, in: SLUB Dresden. Leipziger Tageblatt und Anzeiger vom 3. Februar 1898. Frühausgabe, S. 850.


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