Ein Blick in die Literatur – Jubiläum-Gartenbau-Ausstellung in Leipzig

Zu den ältesten Bauten Leipzigs zählt der Kuhthurm, der sich am Eingang zu dem Vororte Lindenau erhebt. Vor acht Jahrhunderten zum Schutze der auf benachbarten Wiesen weidenden Viehherden errichtet, war er in letzter Zeit der Sitz einer landwirthschaftlichen Versuchsanstalt. Dicht an diesen Bau schließt sich ein Grundstück von etwa 136000 Quadratmetern Fläche, das, von einem Gürtel prachtvoller Baumgruppen eingerahmt, jahrzehntelang in stiller Abgeschiedenheit lag und selbst dem größten Theil der Leipziger Bürger so gut wie unbekannt war. Und doch ist es eine Perle voll landschaftlichen Reizes, in der unmittelbarsten Nähe der Altstadt, werth, zum Anziehungspunkt der Tausende zu werden, die nach des Tages Last und Mühe in frischer Luft, in Gottes freier Natur aufathmen möchten. Das hat man in jüngster Zeit erkannt und darum beschlossen, dieser Perle würdige Einfassung zu geben. Auf dem Kuhthurmgrundstücke soll sich demnächst ein Palmengarten erheben, und die weiten Wiesen, die sich zwischen Lindenau und Leipzig erstrecken, beabsichtigt man in große Wasserbecken, die sogenannten „Elsterbassins“, zu verwandeln. Ein glückliches Zusammentreffen von Umständen brachte es mit sich, daß wir schon heute die voraussichtliche Wirkung der geplanten Anlagen uns vergegenwärtigen können; denn das Kuhthurmgrundstück wurde in diesem Frühjahr und Sommer zum Schauplatz einer überaus regen gärtnerischen Thätigkeit. In diesem Jahre feiert der „Leipziger Gärtner-Verein“ das fünfzigjährige Jubelfest seiner Gründung, und seine Mitglieder faßten den Entschluß, dieses Fest mit einer Internationalen Jubiläums-Gartenbau-Ausstellung zu verbinden; in dankenswerther Weise wurde ihnen zu diesem Zwecke die Umgebung des Kuhthurms zur Verfügung gestellt, und Leipziger Gärtner schritten nun mit unverdrossenem Fleiß und echtem Kunstsinn ans Werk und zauberten in der kurzen Zeit von wenigen Monaten nicht nur eine „Ausstellung“, sondern einen wirklichen Lustgarten inmitten der von der Natur gegebenen Parkeinfassung hervor. In der That war diese Ausstellung, zu welcher in der Zeit vom 25. August bis 5. September Tausende und Abertausende von nah und fern herbeiströmten, eine landschaftliche Sehenswürdigkeit ersten Ranges. Das beweisen die naturgetreuen Abbildungen unseres Zeichners, denen leider eines – die Farbenpracht fehlt, die wir auch durch Worte nicht zu ersetzen vermöchten. Wandelte man auf den Kieswegen durch die weiten Anlagen, so entzückten stets neue Bilder das Auge, und es war schwierig, einen Standpunkt zu finden, von dem aus man das Ganze am besten überschauen konnte. Am günstigsten erwies sich der Ausblick von dem am äußersten Ende aufgestellten Pavillon, unter dem eine Wasserkaskade hervorbrach, und auch unser Zeichner hat diese Ansicht von der „Grotte“ aus zum Hauptstück seiner Darstellung gewählt. Drei Leipziger Kunstgärtner, J. C. Hanisch, Albert Wagner und Otto Mann, hatten sich hier in die Aufgabe getheilt, die weiten ehemaligen landwirthschaftlichen Versuchsfelder in eine entzückende Gartenanlage zu verwandeln, zwischen deren Baum-, Strauch- und Blumengruppen die gefälligen Ausstellungshallen, Kioske und Pavillons malerisch hervorragten. Alle Welttheile, alle Zonen des Erdreichs hatten zur Schmückung dieser Rasenflächen beigetragen. In den Gruppen der Nadelhölzer standen traut vereint neben der ehrwürdigen aussterbenden Eibe unseres Nordens und dem duftigen Wachholder die Cypressen Asiens, die Wellingtonien Kaliforniens und die symmetrischen Araucarien. Dazwischen erhoben Palmen aller Art ihre Wedel; unter alten deutschen Eichen sah man das größte Kraut der Erde, die riesige Banane, Musa Ensete, deren gewaltige Blätter der Wind zerrissen hatte, daß sie dahinflatterten wie zerfetzte Standarten, und tief im Grase staken die Zwergorangen Chinas mit ihren goldenen Früchten. Nicht minder reich an Ueberraschungen und lehrreich in hohem Grade war ein Gang an den Teich und Bach der Ausstellung; denn hier schwammen auf dem klaren Spiegel oder umsäumten das Ufer allerlei seltene Wasser- und Sumpfpflanzen, hier wiegte sich, alle überragend, der schlanke goldene Bambus Ostasiens. Auf künstlichen Felsen fand man Anlagen von Alpenpflanzen, und unter ihnen sahen wir neben dem schönen Edelweiß auch eine Blüthe der Carlina acaulis, der Wetterdistel, die als Wetterprophetin unter unseren heimischen Pflanzen gilt – diesmal aber nur selten ihre weißen Zungenblüthen entfaltete, denn nur zu oft zogen über dem Himmel dieses Lustgartens düstere Regenwolken dahin. Einen Gegensatz zu dieser einfachen deutschen Distel bildeten die stachligen fremdländischen Kakteen, die einen stangenhoch, mit weißen Haaren bedeckt, die anderen dicht auf dem Boden wie friedliche Igelfamilien zusammengerollt. Im Mittelpunkt dieses Panoramas erhob sich der Königspavillon, ein Schmuck, den der „Verein für Kunsthandwerk Albrecht Dürer zu Leipzig“ beigetragen hatte – ein mit prachtvollen Möbeln, Gobelins, Glasgemälden, Standuhren und anderen Erzeugnissen des blühenden Leipziger Kunstgewerbes ausgestatteter Raum. Der Ausblick von dem Kaskadenpavillon wurde durch Baumgruppen eingeschränkt; hinter ihnen leuchtete aber die mächtige Kuppel der Haupthalle der Ausstellung. Die Front dieser Halle bildete einen besonderen Theil der Ausstellung, der mit prachtvollen Rasen- und Blumenteppichanlagen Otto Moßdorfs, des Vorsitzenden des Leipziger Gärtner-Vereins, geschmückt war. Betrat man das Innere der Ausstellungshallen, so entzückten neue reizvolle Arrangements das Auge. Unser Zeichner hat versucht das Innere des Palmenhauses von J. C. Hanisch wiederzugeben. Die Blumenfreunde unter unseren Lesern mögen sich hier die Farbenpracht hinzudenken, welche eine äußerst künstlerische Gruppierung herrlicher Blumen und der nicht minder in allen Regenbogenlichtern glühenden Blattpflanzen hervorzurufen vermag! In der Ausstellungshalle von Moritz Jacob, die einen Säulengang darstellte, konnte man neben Photographien gelungener Gartenanlagen eine stimmungsvolle Grotte mit Moosen und Farnen betrachten und in einem von Albert Wagner errichteten, mit getrockneten Palmenblättern gedeckten Kiosk eine Gruppe reizender Araucarien bewundern. Eines sehr regen Zuspruchs erfreute sich namentlich von seiten der Frauenwelt die Abtheilung für Binderei. Die Aussteller hatten verschiedene Aufgaben zu lösen: es waren Preise ausgesetzt für die schönsten Trauerkränze, Kreuze, Blumenkissen, Lorbeerkränze, Tafelaufsätze, Bilddekorationen ec. Auch für eine vollständige Ballgarnitur winkte eine große silberne Medaille; geschmackvolle Geburtstags- und Ballsträuße waren gleichfalls vorhanden, und wie viele schöne Augen blickten auf den vollständigen Brautschmuck, der zwanzigmal vertreten war. Ob da die Preise gerecht vertheilt werden konnten? Der Geschmack ist ja sehr verschieden. Was uns beim Anblick der Kinder der Flora besticht, das ist nicht nur ihre Seltenheit, sondern auch ihre Schönheit, und für Wertschätzung der letzteren giebt es kein feststehendes Gesetz. Die Huldigungen der Menge schwanken je nach der Mode, und was heute als Schönstes verhimmelt wird, kann morgen unbeachtet bleiben. Damit muß auch der Gärtner rechnen und vieles zu bringen suchen, um jedem etwas zu bringen. Das thut auch unser deutscher Gartenbau, und seine Leistungen auf der Leipziger Ausstellung … Weiterlesen

Ein Rundgang durch das Kneipenviertel der STIGA

Ein großes Ereignis wie die STIGA erforderte von allen Beteiligten Ausdauer, Mut und Engagement. Hohe Besucherzahlen waren bei Gewerbeausstellungen keineswegs garantiert. Während beispielsweise die Berliner rund 50.000 Tagesbesucher verzeichneten, kamen die Dresdner im gleichen Jahr lediglich auf 15.000 Besucher. Es gab zwar keinen verlässlichen Richtwert, aber die Veranstalter in Leipzig erwarteten nicht weniger Besucher. Zumindest war das ihre Erwartungshaltung. Trotzdem hatten die Berliner mit anhaltend schlechtem Wetter zum Ende ihrer Ausstellung zu kämpfen, was sich verheerend auf ihre Besucherzahlen auswirkte. Der Erfolg einer Open-Air-Veranstaltung hing also maßgeblich vom Wetter ab. Keine Attraktion der Welt konnte das ändern, und auch die Leipziger hatten keinen Einfluss auf das Wetter. Es galt also, Kosten und Nutzen sorgfältig abzuwägen. Das erklärte Ziel war es, allen Besuchern einen attraktiven und bezahlbaren Aufenthalt zu bieten, um sie zu motivieren, den Ausstellungspark mehrmals zu besuchen. Neben den Leistungsschauen und gärtnerischen Kunstwerken spielte auch die Verköstigung mit landestypischen Speisen und Getränken eine wichtige Rolle. Das große Gelände bot viel Raum für Gastwirtschaften aller Art und vielfältige Folklore, nicht nur für kostspielige Inszenierungen und noch nie dagewesene Effekte. Rund um den großen Teich im Herzen des Ausstellungsparks entstanden zwölf repräsentative Gastwirtschaften im Stil verschiedener Länder und Regionen. Darüber hinaus wurden im Thüringer Dorf und in der Alt-Leipzig-Nachbildung weitere fünf Gastwirtschaften errichtet, die das Thema der Ausstellung widerspiegelten. Zusätzlich waren dezentrale Ausschänke in den Gebäuden und auf dem Vergnügungsparkgelände vorgesehen. Die Vergabe der Pacht erfolgte nicht mehr an den Meistbietenden, sondern gegen eine niedrige Pachtsumme und eine Umsatzpacht auf die verkauften Getränke. Angesichts der Wetterabhängigkeit und der Unwägbarkeiten beschlossen die Verantwortlichen, das unternehmerische Risiko zwischen Pächtern und Verpächtern aufzuteilen. Dieses Prinzip hatte bei früheren Ausstellungen keinen hohen Stellenwert, aber diesmal lag der Fokus darauf, im Interesse der Pächter zu handeln. Die Pächter waren verpflichtet, ortsübliche Preise festzulegen, um den Besuchern einen erschwinglichen Aufenthalt zu ermöglichen. Dies führte auch zu einem erhöhten Wettbewerbsdruck mit anderen Lokalitäten in der nahegelegenen Innenstadt. Die Überlebensfähigkeit aller Gastwirtschaften stand im Vordergrund, weshalb ihre Anzahl auf dem Gelände begrenzt wurde, auch wenn die Zahl der Besucher an Wochenenden so hoch sein würde, dass alle Lokale überfüllt waren. Der Erfolg hing von der guten Leistung aller Parteien ab. [1] Für die Besucher bot sich ein lohnender Rundgang durch das Kneipenviertel. Der eigentliche Eingang befand sich zwar hinter dem Teich im Süden, aber schon entlang der König-Albert-Allee begann die Gastromeile. Dort stand die Hauptgastwirtschaft im Jugendstil an einem Ufer des großen Teichs. Auf der gegenüberliegenden Seite ragte der von vier Kuppeln gekrönte Bau des Wiener Cafés empor. An den schattigen Veranden und luftigen Terrassen beider Wirtschaften befanden sich zudem zwei kleinere Musikpavillons, von denen aus die Gäste einen freien Blick auf das bunte Treiben einer fröhlichen Menge hatten. Neben einer Nachbildung der Wartburg, die nicht nur einen Bergfried und andere originalgetreue Elemente bot, sondern auch einer der zwei Gastwirtschaften der Kulmbacher Exportbrauerei beherbergte, gab es entlang des Geländes eine Vielzahl verschiedener Gastwirtschaften um einen großen Musikpavillon herum. Dazu gehörten unter anderem die Bierstube der Leipziger Bierbrauerei Riebeck & Co. AG, der Kapellenbau vom Nürnberger Bratwurstglöckle, das Brauhaus „Zum Pilsner“, der Hallenbau der Dampfbrauerei Zwenkau, die Bierhalle „Zum Feldschlösschen“, das Kaffee-Haus zum Rothenburger Erker, das Weinrestaurant „Zum Dürkheimer“ in einer Burgruine und die italienische Weinbar „Aqua sola“. [2] Hier konnte man das Erlebte großschreiben und in vollen Zügen genießen. Auf dem großen Teich befand sich eine riesige Leuchtfontäne im Zentrum, deren imposante Wasserstrahlen aus allen Richtungen zu sehen waren. Neue Apparate ermöglichten beeindruckende mehrfarbige Lichteffekte mit vielen Scheinwerfern und erzeugten bis zu 40 Meter hohe Ringstrahlen. Am Abend erstrahlten sie abwechselnd in allen Farben des Regenbogens. Eine solch große und beeindruckende Leuchtfontäne hatte es weder auf der Pariser- noch auf der Berliner Ausstellung oder anderen Weltausstellungen zuvor gegeben. [3] Weitere Illuminationen boten ein regelmäßiges Farbspiel wie aus Tausend und einer Nacht. Eine erste Illumination nach der Eröffnung der STIGA zog tausende Gäste in ihren Bann. Rund um die Bordkappen der Teiche wurden Tausende von Kerzen (mind. 20.000) in mehreren Reihen angebracht. Tausende Girlanden aus bunten Lampions säumten die Allee, und Lämpchen in grünen und gelben Gläsern schmückten die Blumenbeete und Rasenflächen. Zeitzeugen beschrieben die Szenerie als fröhliches Vergnügen mit einer jubelnden Menge. Aber das ist eine andere Geschichte. [1] Vgl. StadtAL, Kap. 75 A Nr. 33 Bd. 2, Die Industrie und Gewerbeausstellung in Leipzig im Jahr 1897, in: Leipziger Ausstellungszeitung Sonderausgabe im Oktober 1896. Zur Verpflegungsfrage, S. 104 f. [2] Vgl. Offizieller Führer der Sächsisch-Thüringischen Industrie- und Gewerbeausstellung 1897, S. 90-94. [3] Vgl. StadtAL, Kap. 75 A Nr. 33 Bd. 2, Die Industrie und Gewerbeausstellung in Leipzig im Jahr 1897, in: Leipziger Ausstellungszeitung 29. August 1896. Von unserer Ausstellung S. 54. © 2022 is licensed under CC BY-NC-SA 4.0 Namensnennung – Nicht-kommerziell – Weitergabe unter gleichen Bedingungen

Aus der Presse – Letzte Worte zum Abschied der STIGA

Sechs Monate lang hat der braune Jüngling im grünen Grunde mit der Rechten den Lorbeer emporgehoben, und mit diesem Attribut stolzer Ehrung auf die goldenen Früchte gedeutet, die im Wipfel des Baumes schimmerten. Während die Einen diesen reichen Obstsegen des Placates als den Erfolg ehrlichen, rühmlichen Strebens aus allen auf der Ausstellung vertretenen Gebieten der Industrie und des Gewerbes nunmehr gedeutet wissen wollen, weisen tiefsinnigere Naturen damit den über alles Erwarten reich ausgefallenen Besuch nach, bei dem in der That „kein Apfel zur Erde konnte“. Dir Symboliker beider Anschauungen dürfen und müssen Recht behalten: Ehre und Ruhm wurde allen Betheiligten an dem glanzvollen Werke zu Theil, reger Zufluß von Besuchern aus allen deutschen Gauen und vom Auslande her ließ die Wallfahrt an manchen Tagen zu einem riesigen Umfang anwachsen. Jetzt, wo es an‘s Scheiden geht, überkommt Manchem eine gewisse Wehmuth über das Zerstören, Auflösen, Vergehen eines glänzenden Werkes, welches, das darf man bedingungslos aussprechen, unserer Leipziger Bewohnerschaft so ganz ans Herz gewachsen war und der letzteren ein Semester lang immer den willkommensten und freudigsten Anlaß gegeben hatte, weitesten Kreisen außerhalb der freundlichen Lindenstadt die Schönheit und Gediegenheit ihrer in jeder Beziehung wohlgelungenen Ausstellung bewußt werden zu lassen. Je nach der individuellen Geschmacksrichtung fand zudem dort Jeder seine Rechnung, der eine im ästhetischen Genuß ausgiebige Anschauung Dessen, was Natur, Kunst, Gewerbe und Industrie geschaffen, der andere in der Huldigung des Gedankens, daß neben der Betrachtung, sollte sie eindrucksvoll bleiben, auch der materiellen Stärkung zu ihrem Jahrtausende alten Recht verholfen werde. An Mitteln zur Ausführung dieser Idee hat es wahrlich nicht gefehlt. Am südöstlichen Uferrand des großen Sees von der Stelle an, wo der „Dürkheimer“ den Weg wie ein Raubritter verlegte, um frohe Bacchusjünger zu fangen, bis hin zum „Bratwurst-Glöckli“, dessen letzte Stunde jüngst schon geschlagen, legte sich bogenförmig das Kneipenviertel, der beliebte Treffpunct aller durstigen Seelen. Es war die Mausefalle für Hunderttausende. Wer einmal drin saß, kam nicht wieder heraus. Nun sind auch die Herrlichkeiten aller dieser Stätten im Schwinden. Es wird die Facade des freundlichen „Tucherbräu“ mit der gemalten Mohrenkopfmarke in Trümmer sinken, es wird der von der Leipziger Damenwelt in täglichem Ansturm seiner Küchenbuffets genommene „Rothenburger Erker“, den Stunde für Stunde schrille Zigeunermusik „umsäuselte“, den Weg alles Gipses wandeln, und die grellweiß getünchte Osteria am Teichgestade vergehen, dort, wo das weithinleuchtende Wort Aqua sola den Unkundigen zu der Meinung führte, daß der gewässerte Titel gleichwerthig mit Aqua soda, Sodawasser, sei. Wo einst das „Willkommen“ zum Eintritt und zum Beschauen winkte, macht sich seit Kurzem das häßliche „Verkäuflich“ breit. Allerorten wird ausverkauft. Die Fischkosthalle sucht für ihre 15 000 Biermarken Abnehmer; alles kommt zum Angebot: Pavillons, Schränke, Tische, Stühle, Palmen, Büsten, Villen, Bänke, Gläser und Flaschen, denn die Uhr ist abgelaufen und die Logis sind gekündigt. Ungern trennt man sich von dem köstlichen architektonischen Bilde auf waldumzogenem Plan. Wie oft hat der alte, von flatternden Wimpeln gekrönte Wartburgthurm freudig auslugende Bewunderer auf seinen Zinnen gesehen, Hunderte von idealen „Strebern“, die im Innern des viereckigen Kolosses langsam zur ersehnten Höhe emporgewunden wurden. Was sie sahen, das war bezaubernd. Vor sich Wasser und Wald, dazwischen farbig aufleuchtende Bauten mit Kuppeln, Thürmen und Thürmchen, Kiosken und Tempeln, Brücken und Terrassen, mit einem Wort eine herrliche Welt, in der nur Freude und Vergnügen zu Worte kamen, hinter sich aber bis zur Grenze des idyllischen Blockhauses das Thüringer Dörfchen in der ganzen Ursprünglichkeit von Raum und Form. Jetzt steht das Mühlrad still; der Esel, diese reizende Staffage der Lindenmühle, hat seine Schuldigkeit gethan und geht, auch ist das Schicksal der wohlgemästeten Gänsecolonie im Dorfteich, dem heiligen Martinus zu Ehren geopfert zu werden, nunmehr unwiderruflich besiegelt, der Dorfteich selbst dem Austrocknen verfallen. Bei den letzten Gemeinderaths-Sitzungen im Gemeindehause tauchte bei feurigem Most der Wunsch auf, Manches erhalten zu sehen, was für die Nachwelt als Relicten-Architektur von Werth sein könne, doch resignirt blieb Alles bei Wunsch und Most. „Menschen, Menschen sein mer Alle, Fehler hat a Jeder gnua, Alle können doch nicht gleich sein, das liegt schon in der Natur“ sang noch einmal die lustige Capelle, dann schloß auch diese denkwürdige Sitzung. Noch einige Male wird der Tanzboden in der „Tanne“ schwanken, werden die Musikanten im Felsgewölbe der Wernesgrüner Schänke fiedeln, dann ist es aus. Was war das für ein Leben in diesem Sommer dort oben auf der Terrasse der Wernesgrüner Schänke, wie schäumte und perlte dort die Wernesgrüner Weiße! Herrliche Tage verleibt der Himmel auch jetzt noch in seiner Gunst dem Werke, Tage voll Sonnenscheins und wahrer Frühlingsstimmung, gleichsam als wollte er Das, was er in den letzten Wochen versagt, nun am Schlusse wieder in vollstem Maße gut machen und ein glänzendes sonniges „Finis coronat opus“ aufleuchten lassen. Und dankbar genießt unser Publicum diese Himmelsgunst und strömt in vollen Schaaren hinaus auf den Ausstellungsplatz, um den letzten wehmüthigen Abschied von den Herrlichkeiten zu nehmen, die unser Leipzig für ein halbes Jahr mit einem Leben erfüllt hatten, das uns sonst nur die Messen zu bringen pflegten. Vor einigen Tagen allerdings fröstelte es stark in der Natur. Es war Herbststimmung, es war ein anderes Bild. … Der Wind trug fahle Blätter aus dem „Scheibenholz“ herüber und streute sie auf Bank und Weg. Fast passagierlos polterte der Train der elektrischen Rundbahn durchs Gehölz, über die Fluthcanalbrücken, an der Boma der Schwarzen vorbei, am Alten Meßviertel vorüber, dann huschte sie hinter den Nietzschmann‘schen Wursttempel, hinter das Panorama und den anderen Kolossalbauten dieser Schaustellungslinie, um später am Eismeerpanorama wieder zum Vorschein zu kommen. Nun ist der Moment, an dem die imitirten Eisschollen zu Feuerholz zerhackt, die Eisbären und Seelöwen verpackt und die nimmersatten Möven und Taucher anderwärts einquartiert werden sollen, unwiderruflich gekommen. Welcher Ohrenschmaus bisher, als die Seelöwen in klagendem, abgehacktem Bellen theils Hunger, theils Wohlbefinden verriethen, als die Capelle der ihre Insassen quirlartig drehenden elektrischen Stufenbahn mit der zwingenden Gewalt des Bleches das Surren und Rasseln der mächtigen, mit Glühlampen überreich decorirten Drehscheibe übertönte, als das Schmettern der Trompeten das Einreiten sportkundiger Jünglinge und verwegener Amazonen in die Arena des Hippodroms verkündete. Jetzt wird an allen Ecken und Enden … Weiterlesen

Aus der Presse – Unsere Ausstellung V. Am Kneipenteich

Vorn an der Hauptallee, zu beiden Seiten des Kneipenteiches, liegen die runden Konzertpavillons, die recht ungeschickt dort ihren Platz gefunden haben, da alle, die in das nasse Viertel wollen, durch die wandelnde musikfreundliche Menge sich drängen müssen. Wiederum ist es durch dieses Durchdrängen unmöglich, eine ungestörte musikalische Promenade zu machen, wie es z.B. in Berlin möglich war, wo die Menge in einer langgezogenen Ellipse auf und nieder wandeln konnte. Das erste Gebäude links, das die Ecke der Hauptallee und des Kneipenteichweges bildet, ist das große Hauptrestaurant, in dessen vorderer, der Hauptallee zugewendeter Hälfte nur Wein ausgeschänkt wird und der Genußbürger, der über das nötige geprägte Metall verfügt, Table d’hote speisen kann. In der hinteren Hälfte giebt es aber ein nicht übles Münchener. Hinter dem Hauptrestaurant ist ein geschmackvoll verkleidetes Maschinenhaus und gegenüber, am Teichufer, legen die Spreewälderinnen mit ihren Flachkähnen an, mit denen man eine Rundfahrt auf dem Teiche machen kann, die in abendlicher Dunkelheit am reizvollsten ist. Dann werden leuchtende Lampions an den Baldachinen über den Kähnen aufgehängt – langsam geht es am Ufer entlang, vorbei an den lichthellen Kneipen und den bunten Glühlichtgewinden der Ruine Schlosseck. In der Mitte des Teiches sprudeln plötzlich die Lichtfluten der Leuchtfontäne auf. Hellblau und hellgrün – rosa – flammenrot – in allen Farben schillernd quellen sie aus dem Wasser auf, überschlagen sich und fallen, Gischt spritzend, zurück. – Prächtige neue Farbenwirkungen werden dort erzielt. Hinter dem Maschinenhaus liegt das einfache, anheimelnde Holländerhäuschen von Erben Lucas Bols, in dem es einen ausgesucht vornehmen Schnaps giebt. Daneben ist der Pavillon der Kaffeefirma Richard Poeßsch. Steigt man die wenigen Stufen zum Türmchen hinauf, so kann man eine große, elektrisch betriebene Kaffee-Röstmaschine sehen, in deren Trommel zwanzig bis achtzig Pfund Kaffeebohnen mit einemmal über einem Coaksfeuer geröstet werden können. Unter der Trommel ist ein flacher Kessel, in dem der Kaffee gleich nach dem Rösten abgekühlt und durch ein in ihm mündendes Rohr sofort nach dem unteren Verkaufsraum hinabgleitet, wo er in einem Sacke aufgefangen wird. Man kann hier sehen, wie bequem, wie einfach der Großbetrieb ist, wie er des Menschen mühselige Arbeit von Maschinen verrichten läßt, ihn so zu einem immer vollendeteren Herren und Meistern der Natur macht und dem Sozialismus vorarbeitet. Gegenüber dem Kaffeetürmchen liegt am Teichufer die idealisierte Nachahmung der Ruine Schlosseck bei Dürkheim. Dort trinkt man unter Laubengängen einen 2/10 Römer Dürkheimer für 40-50 Pfennige und muß dann aber auch hineingehen in die Ruine, um die Wandmalereien des Münchener Malers Toni Aron zu sehen. Da ist unter anderem ein mit einer Sektflasche tanzendes Mädchen, dessen warmblütiger Leib aus der leicht lila gefärbten, duftigen Gaze-Bekleidung hervorleuchtet, und eine ganze Menge in Linien und Farben merkwürdiger Scenen, von denen manche aussehen wie vergrößerte Ausschnitte aus der Jugend und aus dem Simplicissimus. Unstreitig erkennt man in den Einfluß des Th. Th. Heine. Am gleichen Ende des Teiches, gewissermaßen als Gegenstück zu Schlosseck, ist die italienische Osteria, von der schon in den vohergehenden Ausstellungsberichten genug gesagt ist. Nur noch soviel: Es giebt dort nur Wein. Hinter diesen beiden Lokalen dehnt sich ein weiter, halbrunder Platz, in dessen Mitte eine hölzerne Musikhalle steht, die einzige in der ganzen Ausstellung, um die man eine Musik-Promenade machen kann. Den Platz säumen im Halbkreis eine Menge Kneipen ein. Da ist erst links die Fischkosthalle, daneben liegt das Café zum Rothenburger Erker. Dieses Café birgt für Nichtkenner ein sonderbares, unangenehmes Geheimnis. Wenn man sich dort mit müden Beinen niedergelassen hat, bringt der Kellner verschmitzt lächelnd die verlangte Portion Kaffee. Das Zeug schmeckt merkwürdig friedlich und dünn – der Kellner wendet sich mit ganz unschuldig aussehendem Gesicht ab, wenn man ihn ansieht. Die Provinzialen trinken ihr Schälchen Kaffee ganz ohne Arg, bis ihnen der Kellner beim Fortgehen ein kleines Andenken an den Rothenburger Erker überreicht. Aus dem kleinen Heftchen erfahren sie, daß sie – Kneipp-Kaffee getrunken haben, ohne es zu schmecken. Ja, das soll nun ein Scherz sein, die Gäste so zum Narren zu halten. Neben dem Café liegt das Tucherbräu, einige Schritte weiter der Ausschank der Brauerei Zwenkau. Wer dort aufmerksam hineinsieht, findet gewiß Bekannte dort. Wer das ist, wird nicht verraten – es sind jedenfalls ganz populäre Leutchen. Hieran reiht sich das Münchener Löwenbräu, in dessen heller Halle die weiche Musik eines Streichorchesters ertönt und wo echte Bayerinnen bedienen. Dann kommt die hellgraue Terrassen-Burg des Kulmbacher Petzbräu und dahinter, am Rande des Hochflutbettes, an der Brücke nach dem Thüringer Dörfchen das Münchener Bürgerbräu im Bratwurstglöckle. Gegenüber liegt hinter der Riebeckschen Brauerei der Wartburgturm, dessen Fahrstuhl noch nicht fertig ist, so daß man die Üebersicht über den Kneipenteich noch nicht genießen kann. Aber den daran angebauten Rittersaal der Wartburg muß man sich ansehen. Die an Ketten hängenden Deckenleuchter und die bunten, verschlungenen Ornamente und Figuren der Wandmalereien zeugen von einer so reichen, fruchtbaren Phantasie der Zeit des gotischen Stiles, daß man nur wünschen kann, auch unsere Künstler und Kunstgewerbler möchten aus der Wiederbelebung und der Hineinziehung des Natürlichen in die Kunstformen, ebenso wie die Künstler der Gotik, so mannigfache Formen erreichen. Unten in den Rundgewölben und auf den Terrassen bedienen freundliche Thüringerinnen, von denen man nach der Kneipenreife durch sämtliche aufgeführten Lokale ungern Abschied nimmt, um im Hauptcafé, das mit der Front nach der Hauptallee liegt, sich durch einen Kaffee wieder ins geistige Gleichgewicht zu bringen. In den luftigen Holzhallen sitzen die Damen unserer Geldbürger – mit Lorgnetten fixieren sie die gegenüber sitzenden, die gekleideten, halb übermütig, halb verächtlich lächelnden Freundinnen der Liebe, die von der gleichen Torte essen wie ihr unwillig und neugierig blickendes Gegenüber. – Aber abends und bei kühlerem Wetter kann man nicht in diesem Café sitzen, denn seine Hallen sind doch gar zu luftig. Man muß dann schon wo anders den Schluß eines Ganges um den Kneipenteich machen. Von Perkeo. Leipzig, 8. Mai 1897. Unsere Ausstellung V. Am Kneipenteich, in: SLUB Dresden. Leipziger Volkszeitung vom 8. Mai 1897. Sonnabend, S. 3.

Aus der Presse – Die Eröffnung der Leipziger Ausstellung

So ist denn der langerwartete große Tag herangekommen, an dem die „Sächsisch-Thüringische Industrie- und Gewerbe-Ausstellung“, die in kaum mehr als Jahresfrist in unserer Stadt erstanden ist, officiell eröffnet wird. In feierlicher Weise wird heute dieser Eröffnungsact vor sich gehen, in Gegenwart Sr. Majestät des Königs und der Prinzen des königlichen Hauses, der Mitglieder der Staatsregierung und der Spitzen der Behörden, unter Betheiliguug der ersten und führenden Kräfte auf commerziellem und industriellem Gebiete und unter der lebhaften, freudigen Antheilnahme der gesammten Bevölkerung unserer Stadt. Weitaus das bedeutsamste und größte Unternehmen, das Leipzig je begonnen und durchgeführt, stellt sich in unserer Ausstellung dar. Jahre hindurch lebte bereits der Gedanke einer großen Leipziger Ausstellung in einzelnen Kreisen unserer Bürgerschaft; das Nahen des 400. Jubiläums unserer Messen ließ ihn wachsen und weitere Kreise in seinen Bann ziehen, aber erst den uneigennützigen Männern voll Thatkraft und rastlosem Eifer, die heute als die Schöpfer der Ausstellung die gebührende Anerkennung ernten, war es vorbehalten, den Gedanken der Verwirklichung entgegenzuführen. Wie sie es gethan, wird heute jedem Auge sichtbar, daß sie es gethan, wird ihnen in Leipzig unvergessen bleiben. Denn sie luden eine Arbeitslast auf ihre Schultern, die zu tragen nur dadurch möglich wurde, daß sie all‘ ihre Liebe und Hingebung dem großen Werke zuwendeten, das der unter den deutschen Städten so hoch emporragenden Lipsia neuen Ruhm zuwenden soll und zuwenden wird. Trotz seiner Großartigkeit spricht das Geschaffene, das vom heutigen Tage an vor das Auge des Beschauers tritt, dennoch nur zu den Kennern eindringlich genug von den Mühen, die sich an die Schaffenszeit knüpften. Wir, die wir das Werk und seine Geschichte von Anfang an genau verfolgt haben, erfüllen daher eine Pflicht, wenn wir sagen, daß große Schwierigkeiten, mancher offene Widerstand, manche Lauheit und Zurückhaltung zu besiegen waren, ehe das Interesse an dem großen Unternehmen so in Fluß gerieth, daß es alle betheiligten Kreise mit sich fortriß, dem schönen Ziele zu. Dieses Ziel war klug und vernünftig begrenzt. Die Ausstellung sollte zeigen, was unser Sachsenland, was das ihm so eng verwandte Thüringen auf dem Gebiete der Industrie und des Gewerbes zu leisten vermögen. Und so eng auch gegenüber den Weltausstellungen dieses Ziel gesteckt war, welchen weiten Spielraum öffnete es trotzdem dem fruchtbringenden friedlichen Wettstreite innerhalb der zur Ausstellung herangezogenen Gebiete! Denn wo wären Industrie- und Gewerbefleiß entwickelter, wo bedeutsamer für den gesammten Welthandel als gerade in diesen? Als man begann, den Gedanken einer Leipziger Ausstellung in die That umzusetzen, konnte man deshalb von vornherein auch auf ein Interesse rechnen, das weit über die Grenzen der an der Ausstellung betheiligten Gebiete hinausging, ja das die fernen überseeischen Staaten direct ergriff, denen sich Sachsen-Thüringens Export zuwendet. Ist es also auch keine jener unübersehbaren Weltausstellungen, wozu Leipzig vom heutigen Tage ab einlädt, so bietet es doch eine Landesausstellung von solcher Vollkommenheit, von einer so harmonischen Schöne, wie sie wenig andere Ausstellungen gleicher Art auszeichnete. Wenn die letzte Maschine montirt, der letzte Ausstellungsschrank an seine Stelle gerückt sein wird, dann eröffnen die schimmernde Industrie- und die weite Maschinenhalle dem Blick ein so vollkommenes Bild heimischer hochentwickelter Industrie, auf hoher Stufe der Technik stehender Gewerbe, daß Sachsen-Thüringen mit gerechtem Selbstgefühl nicht nur allen deutschen Stämmen, sondern auch allen fremden Nationen zurufen kann: „Kommt, schaut und staunt!“ Wahrlich, es ist nicht kleinlicher und unkritischer Localpatriotismus, der uns dieses Urtheil fällen läßt. Vom ersten Spatenstich, von der ersten auf den Platz der Ausstellung gefahrenen Kieskarre an haben wir mit gewissenhafter Prüfung das Werk verfolgt und haben uns täglich inniger mit ihm verwachsen gefühlt, täglich mit größerer Freude die Bedeutung des Unternehmens sich steigern sehen. Und wie wir Zeugen gewesen sind der unendlichen Mühen, des rastlosen Ringens und Kämpfens für die glückliche Durchführung des Ausstellungsplanes, so treten wir auch heute in die erste Reihe der Anerkennenden: Ehre den Männern, die das gewaltige Werk glücklich zum Ziele führten! Lipsia vult exspectari! Das alte, von bedächtiger Zurückhaltung zeugende Wort wird für das neue Leipzig glücklicherweise immer weniger zutreffend. Nicht daß der Sinn, von dem es Kunde giebt, schon ganz verschwunden wäre; ein Rest davon klebt uns noch an, und es wäre unnatürlich gewesen, wenn das Leipziger Ausstellungsunternehmen nicht seine Wirkung verspürt hätte. Wie die Bedeutung alles Großen zuerst nur von Einzelnen richtig erfaßt und gewürdigt wird, so ging es auch dem großen Unternehmen, das jetzt vollendet vor uns steht. Selbst Viele von Jenen, denen der Plan durchaus sympathisch war, zagten vor der Ausführung. Wie hat sich das in den letzten Monaten gewendet! Je mehr das Werk fortschritt, je verwunderter und erstaunter der Blick auf den imposanten, vielgestaltigen Bauten ruhte, die auf den noch vor Jahresfrist öde und nebelüberhangen am Waldrande liegenden Wiesen entstanden, die zu einem im Niveau einheitlichen großen Ausstellungsplatze durch eine Monate erfordernde Aufschüttung umgewandelt wurden, desto mehr verschwand der Einfluß jenes alten Wortes, desto reger wuchs das Interesse, desto antheilfreudiger ward die Stimmung in der ganzen Leipziger Bevölkerung. Und so ist „unsere Ausstellung“ heute ein Monument der Freude und des Stolzes Leipzigs für alle seine Bewohner! Nicht aus dem eitlen Gedanken, der Schaulust der Menge eine neue, flüchtige Unterhaltung zu gewähren, ist die Leipziger Ausstellung entstanden. In erster Linie will sie den friedlichen, so überaus anregenden und fördernden Wettstreit innerhalb der heimischen Industrie und des Gewerbes zur vollen Entfaltung bringen. Das Neueste auf allen diesen Gebieten, die reifsten Früchte menschlichen Sinnens und Schaffens will sie dem Besucher darbieten. So geht von ihr ein mächtiger Strom der Anregung zu neuen Plänen, neuem Wirken aus, befruchtend und belebend, neue Großthaten auf dem Gebiete heimischer Industrie vorbereitend und erzeugend. Dieser vornehmsten und bedeutungsvollsten Wirkung unserer Ausstellung stehen andere Wirkungen wenig nach. Mit verschwenderischer Hand streut sie den Samen nutzbringender Anregung auch auf zahlreichen anderen Gebieten aus. Was die Kunst in ihrer prangenden Halle an Herrlichkeiten vereint, wie Vielen wird es zu Herzen sprechen, den Sinn läutern, die Empfindungen veredeln! Was in der lieblichen Gärtnereihalle an Blumen und Blüthen tausendfarbig dem Auge entgegenlacht, wie Vielen, die im harten Tageskampfe den Sinn für die Natur und ihre unendlichen Schönheiten verloren haben, wird es die Liebe zu ihr aufs … Weiterlesen

Aus der Presse – Drei preisgekrönte Ausstellungsmärsche der STIGA

Aus Anlass der Sächsisch-Thüringischen Industrie- und Gewerbeausstellung zu Leipzig 1897 erlässt der unterzeichnete Ausschuss ein Preisausschreiben für die Komposition eines Ausstellungsmarsches, nach welchem drei der besten Kompositionen mit Preisen in der Höhe von 300, 200 und 100 Reichsmark ausgezeichnet und ausschließliches Eigentum der Ausstellung werden sollen. Die Art und Weise der Komposition soll eine leichte, gefällige sein, und es wird von sogen. großen Festmärschen abgesehen. Das Preisrichteramt haben die Herren [in Leipzig] Professor Carl ReineckeKapellmeister Hans SittKönigl. Musikdirektor C. Walther zu übernehmen die Güte gehabt. Die sich an dieser Preisbewerbung beteiligenden Komponisten werden ersucht, das Manuskript, bestehend aus einer Partitur für Streichorchester, desgleichen für Militärmusik und einem zweihändigen Klavierarrangement mit einem Motto versehen, und bis zum 15. Dezember 1896 an den Fest-Ausschuß der Sächsisch-Thüringischen Industrie- und Gewerbeausstellung zu Leipzig einzusenden. Der Fest-Ausschuss, Franz Waselewsky Am 19. Februar mittags 12 Uhr fand auf dem Ausstellungsplatze im großen Saale der Hauptgastwirtschaft unter Leitung des Kgl. Sächs. Musikdirektors Walther mit der Kapelle des Inf.-Reg. No. 107 eine erste Probe-Musikaufführung statt. Es wurden die von den Herren Preisrichtern Prof. Carl Reinecke, Kapellmeister Hans Sitt und Musikdirektor C. Walther unter 84 Kompositionen zur engeren Wahl empfohlen sechs Ausstellungsmärsche in Gegenwart der genannten Preisrichter sowie der Mitglieder des geschäftsführenden Ausschusses und des Fest-Ausschusses vorgetragen. Der erste Preis im Betrage von 300 Mk. wurde dem Marsche No.41 mit dem Motto: „Frisch gewagt“ zuerkannt, welcher Herrn Adam Hahn, Harfenspieler in Wien, zum Verfasser hat. Den zweiten Preis in Höhe von 200 Mk. erhielt der Einsender No. 53 mit dem Motto: „Sachsen-Thüringen“, über dessen Persönlichkeit sonst bisher jede weitere Angabe fehlt. Der dritte Preis (100 Mk.) fiel auf das Motto: „Immer lustig bei des Bechers Freuden, wenn harmonisch erklingen die Saiten“. Als Verfasser ergab sich der herzogl. Sächs. Musikdirektor Herr A. Trommer in Friedrichsroda. Nur diese drei Märsche wurden den Forderungen des Preisausschreibens: „frisch und lebendig“ voll gerecht. Marsch No. 22, in den die Sachsenhymne eingeflochten war, erwies sich als allzu hymnenartig und theatralisch für eine Ausstellung. Marsch No. 32, welcher durch Verwebung des thüringischen Volksliedes sympathisch berührte, stand in musik-theoretischer Hinsicht hinter den preisgekrönten Arbeiten zurück. No. 37 aber war von einer Länge, die Robert Schumann wohl kaum als göttlich bezeichnet haben würde. Dass alle diese Märsche von der genannten Kapelle mustergiltig zu Gehör gebracht wurden, bedarf wohl keiner besonderen Versicherung. StadtAL, Kap. 75 A Nr. 33 Bd. 2. Preisausschreiben, in: Leipziger Ausstellungszeitung vom 26. September 1896, S. 87. StadtAL, Kap. 75 A Nr. 33 Bd. 2. Der Ausstellungsmarsch, in: Leipziger Ausstellungszeitung vom 22. Februar 1897, S. 253.

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