Der Leipziger Gärtnerverein, der in diesem Jahre auf eine 50jährige Vergangenheit zurückblickt, hatte schon vor längerer Zeit den Plan gefaßt, mit diesem Jubiläum eine Gartenbau-Ausstellung zu verbinden und dadurch demselben auch einen internationalen Charakter zu verleihen. Durch Umsicht und eigene Kraft der Unternehmer, die in den weitesten Kreisen sympathische Beihülfe zu ihren Bestrebungen fanden, kam dieser Plan zur Ausführung, nicht wenig begünstigt durch die städtischen Behörden, die zugleich auch für die Ausstellung, bei der sich zahlreiche Betheiligung erwarten ließ, ein geeignetes Areal zur Verfügung stellten. Es war dies der sogen. Kuhthurm, eine im 13. Jahrhundert erbaute Warte, deren Insassen die auf den angrenzenden Wiesen weidenden Stadtheerden vor diebischen Strauchrittern zu schützen hatten. Seit dem 16. Jahrhundert Wohnung des städtischen Oberförsters, nachher kurze Zeit ein Vergnügungsort und schießlich Sitz einer Landwirthschaftlichen Lehranstalt, erlangte der Kuhthurm durch die hierher verlegte Jubiläums-Gartenbau-Ausstellung eine neue, und zwar sehr erfolgreiche Bedeutung.
Jetzt erst erkannte man, daß seine mit uralten Bäumen, anmuthigen Gebüschen und Wiesenmatten abwechselnde Umgebung sich vortrefflich zu einer künstlerischen Parkanlage eigne, die ein würdiges Seitenstück zu dem kleinen See bilden würde, den man in östlicher Richtung anzulegen plant. Es war eine gewaltige Arbeitslast vom Gärtnerverein zu überwinden, um das Werk in entsprechender Weise durchzuführen; galt es doch, einen fast 14 Hektar umfassenden Platz einzutheilen, vorzurichten und mit den erforderlichen Baulichkeiten, Anlagen und fachlichen Durchführungen zu versehen. Die Sicherung dieses, alle Factoren zur günstigen Verfolgung des, hier des Leipziger Gärtnervereins harrenden Aufgaben in sich tragenden Grundes und Bodens durfte als eine seiner schätzenswerthesten Errungenschaften bezeichnet werden. Landschaftliche Schönheit verband sich mit ausgedehnter Raumausnutzung und mit der Annehmlichkeit bequemer Verkehrsverhältnisse. Zwischen zwei Pferdebahnlinien, Leipzig-Lindenau und Leipzig-Plagwitz, und sogar an einer Elsterdampfschiffslinie sowie großen Zugangsstraßen unweit der Stadt gelegen, bot sich das Terrain der schaffenden Hand, dem künstlerischen Auge des Gärtners dar. Und wie viel schönes und herrliches hat seine Kunst auf diese noch vor wenigen Wochen so stille Einöde hingezaubert! Neben dem Anmuthigen die Großartigkeit aller Anlagen und Baulichkeiten!
Dabei macht das Ganze keineswegs den sonst üblichen Eindruck einer Ausstellung mit ihren klappernden und schnurrenden Maschinen und betäubenden Dampfpfeifen, sondern man wähnt sich in ein Zauberland der Märchenwelt versetzt, wo die Blumenkönigin herrscht. Dort lagert ein riesiges Parterre, in den architektonischen Formen der großen Festhalle gehalten, die hier als Palmenhaus dient; dort liebliche Blumenanlagen, springende Wässer, inmitten smaragdgrüner Rasenplätze, Grotten und lauschiger Pavillons. Scheint es doch, als ob alles, was sich hier verbindet, von selbst und von vornherein hätte zusammenstimmen müssen, die hohen Baumgruppen zu den ausgedehnten mannigfaltigen Gruppen der Coniferen und Palmensorten, die imponirenden Ausstellungsbauten zum Weiher und endlich der baum- und buschreiche natürliche Pflanzenwall zur weitern Umgebung, aus der, das malerische Bild verfolgend, der plagwitzer Kirchthurm herüberschaut.
Freitag am 25. August ist die Ausstellung, über die König Albert von Sachsen das Protectorat angenommen hat, eröffnet und deren Schluß auf den 5. September festgesetzt worden. Der Besuch des Königs hat leider infolge des Todes Herzogs Ernst von Sachsen-Koburg und Gotha wegen Theilnahme an dessen Bestattungsfeierlichkeiten abgesagt werden müssen. Um jedem Interessenten billige Gelegenheit zum Besuche der Ausstellung zu verschaffen, haben sich einige Eisenbahngesellschaften auf Antrag bereit finden lassen, Extrazüge zu ermäßigten Preisen zu veranstalten. Durch die höchst werthvollen Ehrenpreise der Fürsten und hohen Interessenten wurde der Wetteifer der Bewerber sehr erfreulich unterstützt. Ueber das ganze Ausstellungsterrain vertheilt sich die große Restaurationshalle mit ihren vielen Nebenbüffets, sodaß überall bequeme Gelegenheit zur Erlangung von Erfrischungen winkt. Der doppelte Strang einer elektrischen Beleuchtung gestattet das Verweilen auf der Ausstellung bis abends 10 Uhr.
Wessen die moderne Gartenkunst fähig ist, was in ihr Formensinn und Erfindungskraft zu erreichen vermochten, das liegt hier offen vor jedermanns Auge in reichster Gestaltung, entworfen von dem ersten Vorsitzenden des Comités, dem Landschafts- und Handelsgärtner O. Moßdorf in Leipzig-Lindenau, vereinigt zum genialen Meisterwerk. Was die Opferfreudigkeit der Leipziger Gärtner hier geleistet hat, mag auch bezeugen, daß Mitglieder, wie Hanisch, Wagner und Mosenthin, aus eigenen Mitteln über 20 000 Mark dazu gestiftet haben.
Von Otto Moser
Die Internationale Jubiläums-Gartenbau-Ausstellung zu Leipzig, in: Illustrierte Zeitung Leipzig vom 2. September 1893. Band 101, 2. Halbjahr, Nr. 2618, S. 275 f.