Gespräch mit Experten – Dr. Katja Heubach zum Palmengarten am Main

Dr. Katja Heubach ist seit 2018 Direktorin des Palmengartens in Frankfurt am Main. Unter ihrer Leitung feierte die städtische Gartenanlage 2021 ihr 150-jähriges Bestehen – trotz der Herausforderungen durch die Pandemie. Dieser Erfolg ist kein Zufall: Der Frankfurter Palmengarten hat sich im Laufe der Geschichte immer wieder erfolgreich gegen widrige Umstände behauptet. Als ein Wahrzeichen der Stadt genießt er starken Rückhalt in der Bürgerschaft. Dieser Geist prägt auch ihre Arbeit, die darauf abzielt, die botanische Gartenanlage den Herausforderungen der Zeit anzupassen und mit den Frankfurtern gemeinsam zu bewahren. Frau Dr. Heubach, vielen Dank, dass Sie sich die Zeit für dieses Interview nehmen und uns über den Frankfurter Palmengarten informieren. 1899 diente dieser schließlich als Vorbild für den Leipziger Palmengarten, der heute leider nicht mehr als botanische Gartenanlage existiert, aber einst große Bedeutung für die Leipziger Bürgerschaft hatte. Welche Rolle spielt der Palmengarten für die Stadt Frankfurt? Der Palmengarten gehört zu den historischen Frankfurter Institutionen, die wie Zoo, Städel Museum, Universität und Senckenbergische Stiftung auf bürgerliche Initiativen zurückgehen und fest in der Frankfurter Stadtgesellschaft verwurzelt sind. Die Verbundenheit der Bürgerinnen und Bürgern zum Palmengarten ist groß. Für viele ist der Garten „ihr“ grünes Wohnzimmer. Der erste Besuch findet oft mit der Schule oder den Eltern statt. Später geht man dann zu Festen oder Konzerten in den Garten oder lässt sich im Haus Rosenbrunn trauen – nachdem man im Palmengarten den Heiratsantrag gemacht hat. Neben ausgesprochenen Pflanzenkennern und -liebhaberinnen, die sich informieren und nach Neuerungen schauen wollen, zieht der Garten vor allem Erholungssuchende an. Der Garten passt sich seit anderthalb Jahrhunderten den Bedürfnissen seines Publikums und den jeweiligen Erfordernissen der Zeit immer wieder neu an. Dazu gehören heutzutage auch zum Beispiel digitale Bildungsangebote; die Stärke des Gartens ist und bleibt aber das Analoge. Welche Schlüsselereignisse oder -phasen waren in den letzten 150 Jahren entscheidend für die Entwicklung und das Wachstum des Frankfurter Palmengartens? Ein Schlüsselereignis für die Gründung war 1866 die Besetzung der ehemals Freien Reichsstadt Frankfurt durch die Preußen. Im selben Zusammenhang musste auch Herzog Adolph von Hessen-Nassau abdanken und seine berühmte Pflanzensammlung verkaufen. Der Gartenkünstler Heinrich Siesmayer konnte sie glücklicherweise für Frankfurt erwerben, finanziert wurde alles von einer extra dafür gegründeten Aktiengesellschaft. Für diese Pflanzensammlung wurde der Palmengarten mit seinem Herzstück, dem Palmenhaus, eigentlich angelegt. Weil die Sammlung stetig wuchs, bekam sie Anfang des 20. Jahrhunderts eine damals hochmoderne Schauhausanlage. Dann kam der Einschnitt von Inflation und Weltwirtschaftskrise, die tragende Gesellschaft musste den Palmengarten abgeben. Seitdem ist der Palmengarten städtisch. Die Amerikaner, die kurzzeitig aus dem Garten ein Recreation Center für ihre GIs gemacht hatten, halfen, die Folgen des Kriegs abzupuffern. Später ging es im Palmengarten gesellschaftlich wieder ähnlich hoch her wie in seiner Anfangszeit. Regelrecht neu organisiert, auch baulich, hat dann Direktor Schoser den Garten in den 1970er und 80er Jahren. Der Palmengarten mit dem neugebauten Tropicarium und großen Blumenschauen war ungeheuer populär, regional wie international. Die Leute standen Schlange, um eine Orchideenausstellung zu sehen. Deutlich später, aber ebenso weitreichend war die 2012 umgesetzte Angliederung des angrenzenden Botanischen Gartens an den Palmengarten, der ehemals zur Goethe Universität Frankfurt gehörte. Heutzutage treiben uns vor allem der Klimawandel und das Artensterben um, dazu gehören auch Themen wie Nachhaltigkeitsmanagement, besonders in den Bereichen Energie, Wasser und Materialeinsatz. Im Rahmen von mehrjährigen Leitthemen bringen wir komplexe Fragestellungen an das Publikum und schaffen damit gleichzeitig eine erkenntnisreiche Neuorientierung nach innen. Das erste Leitthema, das wir in diesem Jahr abbinden, heißt „Blüten- und Bestäuberökologie“. Anlass war 2021 das neue Blüten- und Schmetterlingshaus mitsamt der Dauerausstellung „Abgestaubt“ zur Welt der Insekten. Dazu gehören die insektenfreundliche Umgestaltung von Rasen zu Wiesenarealen mit unterschiedlichen Blühaspekten, eine meterlangen Nistwand mit Biodiversitätsdach, nektarreiche Unterpflanzungen bestehender Beetanlagen und vieles mehr. Begleitend wurden zahlreiche analoge und digitale Vermittlungsformate mit Augenmerk auf die verschiedenen Blickwinkel von Wissenschaft, Praxis, Kunst und Kultur entwickelt. So rundet unsere neue große Kunstausstellung „Verspielt? − Roulette mit der Insekten- und Pflanzenwelt“ das Leitthema mit einem fulminanten Paukenschlag ab – und zieht ein völlig anderes Publikum zur Auseinandersetzung mit dem Thema in den Garten. Gab es Persönlichkeiten, die eine Schlüsselrolle in der Geschichte des Frankfurter Palmengartens gespielt haben? Können Sie einige von ihnen nennen und ihre Beiträge näher erläutern? Außer Heinrich Siesmayer, dem Gründungsdirektor, dem wir den Garten im Stil des englischen Landschaftsparks verdanken, ist zum Beispiel sein unmittelbarer Nachfolge August Siebert zu nennen, der die Pläne Siesmayers weiterentwickelte. Er machte den Garten um 1900 zu einem wahren Sportlerparadies mit Rudern auf dem Weiher, Tennis, Eislaufen, Fahrradrennen und Wettkämpfen. Direktor Fritz Encke sorgte für den Wiederaufbau des Gartens nach dem 2. Weltkrieg. Für immer mit dem Namen Gustav Schoser verbunden bleibt die grundlegende Erneuerung und die sogenannte „innere Erweiterung“ der Anlage ab Ende der 1960er Jahre. Der Palmengarten erhielt damals sein Erscheinungsbild, wie es in etwa noch heute besteht. Es kamen Gebäude wie das Subantarktishaus und das Haus Rosenbrunn hinzu, andere wurden umgebaut oder versetzt. Die Tennisplätze wurden entfernt und durch eine Steppenanlage ersetzt. Das in den 1980er Jahren errichtete Tropicarium war wirklich ein großer Coup, an dem wir bis heute Freude haben. Es beherbergt Gewächse aus den Feuchten sowie Trockenen Tropen, die nach Klima- und Vegetationszonen geografisch sortiert gepflanzt sind. Außerdem wurden unter Schosers Leitung besonders viele seltene und vom Aussterben bedrohte Pflanzen kultiviert, wie aus der Familie der Bromelien, Orchideen und der Gruppe der Sukkulenten. Der weitere Ausbau der wissenschaftlichen Sammlung ist auch mir besonders wichtig. Wir haben im letzten Jahr zum ersten Mal in der Geschichte des Palmengartens ein Sammlungskonzept erarbeitet. 2021 feierte der Frankfurter Palmengarten sein 150-jähriges Jubiläum. Wie haben Sie dieses besondere Ereignis begangen? Wir haben groß gefeiert, gemessen an Vielfalt des Programms, besonders, wenn man die Umstände bedenkt – mitten in der Pandemie. Zum Jubiläum gab es einen umfassenden Jubiläumsband, der die Geschichte des Palmengartens und seiner Sammlungen darstellt, Geschichten aus der Gegenwart des Gartens erzählt, mit großformatigen ansprechenden Bildern. Dazu hat die Autorin die Mitarbeitenden, aber auch unser Publikum befragt. Passend dazu gab es eine umfangreiche Ausstellung zur Geschichte– auch ein Novum in der Palmengartengeschichte. Ein weiteres Highlight war die Eröffnung … Weiterlesen

Der Frankfurter Palmengarten – historischer Garten mit Weltruf

Mit einer Größe von rund 20 Hektar ist der Frankfurter Palmengarten einer der größten Botanischen Gärten Deutschlands mitten in der Metropolregion RheinMain. Seine umfangreichen Pflanzensammlungen, die rund 13 000 Arten im Freien und unter Glas umfassen, genießen Weltruf. Hinzugekommen ist 2012 der benachbarte, etwa 8 Hektar große Botanische Garten, der zuvor der Goethe-Universität angegliedert war. Die Geschichte des Palmengartens begann 1871. Dabei spielten zwei Herren eine entscheidende Rolle. Einer davon ist der pflanzenbegeisterte Herzog Adolph von Nassau in Wiesbaden-Biebrich, der 1866 wegen der Annexion der Preußen abdanken musste und in Folge seine umfangreiche Pflanzensammlung im Schloss Wiesbaden-Biebrich veräußern musste. Der andere ist der Kunstgärtner und Gartenplaner Heinrich Siesmayer aus Bockenheim, heute ein Stadtteil von Frankfurt, der für den Herzog gearbeitet hatte. Ihm war der Wert der Sammlung bewusst – sie umfasste auch eine große, überregional bekannte Kameliensammlung mit über 100 Jahre alten Exemplaren – weshalb er sich dafür stark machte, die komplette Sammlung für Frankfurt zu erwerben. Damit wurde er zum Initiator des Palmengartens. Um das Geld für den Kauf zusammenzubringen, gründete er eine Aktiengesellschaft, in der sich Frankfurter Bürgerinnen und Bürger am Aufbau des Palmengartens beteiligen konnten. Von Anfang an identifizierten sie sich mit dem Gartenprojekt, das gegen eine kleine Eintrittsgebühr für jeden zugänglich war. Noch heute ist der Palmengarten für die Frankfurter Bevölkerung einer der bekanntesten und beliebtesten Orte der Stadt. Als zentraler Ort der Naherholung und der Naturerfahrung mitten in der Stadt rangiert er sogar noch vor dem Frankfurter Zoo. Feierlich eröffnet wurde der Palmengarten am 16. März 1871. Im Gegensatz zu den klassischen Botanischen Gärten der Universitäten diente der Palmengarten nicht primär der Forschung und Lehre, sondern war ein Bürgergarten. Mit seinen üppigen Pflanzensammlungen und Blumenausstellungen sowie einem ansprechenden Musikprogramm und Tanzveranstaltungen im Gesellschaftshaus war er ein Schau- und Erholungsgarten, in der ersten Zeit mehr für das gehobene Bürgertum, heute für Menschen mit verschiedensten Interessen von Jung bis Alt. In der „Frankfurter Institution“ wurde so manche Ehe angebahnt, im Hochzeitsgarten trafen sich Mütter und ihre Töchter mit potenziellen Heiratskandidaten. Neben dem kulturellen Programm und einer gehobenen Gastronomie wurden auch sportliche Aktivitäten wie das Rudern auf dem Weiher, Tennis, Eislaufen oder Fahrradrennen angeboten. Das besondere Konzept des Palmengartens besteht bis heute darin, dass er viele verschiedene Aspekte miteinander verbindet: Er ist nicht nur ein wissenschaftlich betreuter Botanischer Garten und Ort der außerschulischen Bildung, sondern vereint zudem Erholung und Unterhaltung. Das Herz des Gartens schlägt bis heute im Palmenhaus, das 1869 gebaut wurde, um die Biebricher Pflanzen aufzunehmen. Zusammen mit dem angegliederten Gesellschaftshaus bildet es ein einmaliges, für den Palmengarten bezeichnendes Ensemble (Flora-Bau). Das Frankfurter Palmenhaus zählt zu den drei größten erhaltenen historischen Palmenhäusern weltweit. Die beiden anderen stehen in Kew Gardens (London) und in Wien-Schönbrunn. Im prächtigen Festsaal wurde große Feste gefeiert, dabei konnte man in das tropisch-exotische Ambiente des Palmenhauses eintauchen und unter Palmen flanieren. Der umgebende Park wurde von Heinrich Siesmayer als englischer Landschaftspark angelegt, mit klassischen Elementen wie Weiher, Steingarten mit Grotte, Schweizerhaus, Hängebrücke sowie verschlungenen Wegen. Im 19. Jahrhundert galt die Schweiz als das Idealbild einer romantischen Alpenlandschaft. Aus der Gründerzeit sind im Park noch einige Baumveteranen erhalten, was ihm seinen besonderen Charme verleiht. Auf dem Parterre vor dem Gesellschaftshaus ließ Siesmayer seine opulenten Teppichbeete anlegen. Mit der Zeit wurde der Palmengarten nach und nach bis auf seine heutige Fläche erweitert. Auch die Sammlung wuchs stetig, weshalb in den Jahren 1905/6 als Ersatz für die alten Biebricher Gewächshäuer eine neue repräsentative Schauhausanlage mit Mittelhalle und Glaskuppel sowie seitlichen Gewächshäusern entstand. Wenige Pflanzen aus den alten Sammlungen gibt es noch heute, so den vermutlich mindestens 200 Jahre alten Palmfarn Encephalartos altensteinii. In der 1. Hälfte des 20. Jahrhunderts änderte sich der Zeitgeist und man bevorzugte generell einen schlichteren Stil als zuvor. Die aufwändige Neorenaissance-Fassade des schlossartigen Gesellschaftshauses wurde Ende der 1920ger Jahre im geradlinigen Bauhaus-Stil nach dem Entwurf von Martin Elsässer erneuert, die Wechselflorbepflanzung auf dem Blumenparterre wurde stark reduziert und vereinfacht. Der prunkvolle Festsaal blieb nur deshalb erhalten, weil das Geld für den weiteren Umbau ausgegangen war. Die baufällige Hängebrücke und das Schweizerhaus wurden in den 1930er Jahren abgerissen. Weltwirtschaftskrise und erster Weltkrieg wirkten sich auf den Palmengarten negativ aus. Während des Krieges wurden im Garten Obst und Gemüse statt botanischer Raritäten angebaut, um die Lazarette mit frischen Lebensmitteln zu versorgen. Als die Aktiengesellschaft den Palmengarten schließlich nicht mehr finanzieren konnte, übernahm die Stadt 1931 den Palmengarten. Seitdem ist dieser ein städtisches Amt. Erster städtischer Direktor wurde Max Bromme (Direktionszeit von 1931-1945). Er gründete die noch heute existierende Gesellschaft der Freunde des Palmengartens, einen Verein, dem auch viele ehemalige Aktionäre des Palmengartens beitraten. Im Zweiten Weltkrieg wurde der Palmengarten und speziell auch das Palmenhaus durch einen Bombeneinschlag beschädigt, dabei erfror die tropische Bepflanzung im Palmenhaus aufgrund des Glasschadens komplett. Grundsätzlich blieb das Palmenhaus aber erhalten. Das war Glück, wenn man bedenkt, dass fast die ganze Frankfurter Innenstadt durch Bombenhagel in Schutt und Asche gelegt wurde. Nach Kriegsende wurde der Palmengarten von den Amerikanern besetzt, die dort einen Freizeitclub einrichteten. Es gab sogar die Idee, in das Palmenhaus ein Swimmingpool einzubauen. Der Pflanzenliebhaber Sergeant Gunn verhinderte dies jedoch. Und mit Hilfe der Amerikaner unter Anleitung des damaligen Direktors Fritz Encke konnten sogar die zerstörten Gewächshäuser wiederaufgebaut und bepflanzt werden. 1948 wurde er Palmengarten dann wieder den Frankfurter Bürgerinnen und Bürger zugänglich gemacht. Nach dem Krieg und vor allem seit den 1960er Jahren wurde der Palmengarten deutlich weiterentwickelt, besonders durch die Vergrößerung der Sammlungen, neue Gestaltungskonzepte und Neubauten. Direktor Dr. Gustav Schoser (Amtszeit von 1968 – 1992) setzte im Rahmen der „inneren Erweiterung“ das Subantarktishaus und das Haus Rosenbrunn um, und veranlasste den Umbau von Eingangsschauhaus und Haus Leonhardsbrunn. Aus den Tennisplätzen wurde eine Steppenanlage. Der in den 1980er Jahren errichtete Gewächshauskomplex des Tropicariums war ein großer Wurf. Er beherbergt Gewächse aus den Feuchten sowie Trockenen Tropen, die nach Klima- und Vegetationszonen geografisch sortiert gepflanzt sind. Ein Gang durch die großzügigen sternförmigen Häuser erweckt das Gefühl, durch reale Landschaften zu wandern, von der Wüste bis zum Regenwald, vorbei an riesigen „Schwiegermuttersitzen“, dem Affenbrotbaum, dem … Weiterlesen

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