Ein Blick in die Literatur – STIGA in Leipzig

Die Ausstellungen, die ihren Ursprung den Museen verdanken, traten das erste Mal in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts in die Erscheinung. Sie haben sich seitdem zu einer Institution herausgebildet, die uns jetzt ein geradezu unentbehrliches Bedürfnis dünkt und unserer Zeit ihren eigenartigen Stempel unverkennbar aufdrückt, so daß wir das neunzehnte Jahrhundert das Zeitalter der Ausstellungen nennen könnten. Nachdem das Ausstellungstreiben vergangenes Jahr im Norden und Süden seinen Höhepunkt erreicht zu haben schien, pulsiert es heuer besonders lebhaft mitten im Herzen Deutschlands – in Leipzig. Die Pleißestadt ist durch ihre Bedeutung als alte Handelsempore und durch die centrale Lage im Reiche wie kein anderer Platz geeignet, den Industrie- und Gewerbefleiß der arbeitsamen Bevölkerung Mitteldeutschlands in einem großartigen Gesamtbilde der Welt vorzuführen, und der Aufruf Leipzigs zur Veranstaltung eines friedlichen Wettbewerbs innerhalb seiner Mauern verhallte denn auch nicht ungehört. Das ursprünglich in beschränkterem Rahmen schon für das Jahr 1895 geplante Unternehmen wurde aufgeschoben, wuchs sich aus und gestaltete sich nun zu einer weit über das gewöhnliche Maß hinausgehenden Ausstellung, an der nicht allein das Königreich Sachsen und die Thüringischen Staaten, sondern auch das Herzogtum Anhalt, die preußischen Provinzen Sachsen, Brandenburg (mit Ausnahme Berlins), der Regierungsbezirk Liegnitz von Schlesien und die drei fränkischen Kreise Bayerns beteiligt sind. Wie die Ausstellungen von jeher gern an ein geschichtlich wichtiges Ereignis anknüpften so ist auch die Leipziger Ausstellung in Erinnerung an das Jahr 1497, in dem die bedeutungsvolle Einrichtung der Leipziger Messen von Kaiser Maximilian I. bestätigt und konfirmiert wurde, ins Leben gerufen worden. Die Ausstellung, welche am 24. April dieses Jahres in Anwesenheit des Königs Albert von Sachsen feierlichst eröffnet wurde, hat ihren Platz im westlichen Teile der Stadt auf den zwischen Karl Tauchnitz- und Bismarckstraße sich hinziehenden Parkwiesen erhalten. Sie ist also für den Besucher leicht erreichbar, dem überdies durch elektrische Bahnen jederzeit die schnellste Fahrgelegenheit nach allen Himmelsrichtungen geboten wird. Treten wir durch das von zwei hohen Obelisken flankierte Hauptthor in den Ausstellungspark ein, dessen Fläche 400 000 qm umfaßt, so wird uns ein überraschend schöner Anblick zu teil. Vor uns dehnt sich eine überaus reizvolle Landschaft aus. Inmitten herrlicher Anpflanzungen liegt ein blinkender Weiher eingebettet, der von Schwänen belebt und von zierlichen Statuen umrahmt ist, und im Hintergrunde ist das imposante Hauptgebäude sichtbar, das wie ein weißes Schloß zu uns herübergrüßt. Das ist unser Ziel. Wir schreiten die um das Wasser führende breite Lindenallee entlang, die sich durch prächtige Gartenanlagen hinzieht, in denen Kioske und Tempelchen malerisch verstreut liegen, und gelangen über die Flutkanalbrücke, die mit Statuen geschmückt ist, welche Sachsen und Thüringen, Industrie und Gewerbe verkörpern, bis vor das mächtige Hauptgebäude. Dicht vor demselben ist ein Reiterstandbild des Protektors der Ausstellung, König Alberts von Sachsen, errichtet. Das in Renaissancestil gehaltene Bauwerk selbst, das samt der mit ihm vereinigten Maschinenhalle einen Flächenraum von über 40 000 qm einnimmt, ist mit einer Anzahl kleiner Türmchen geziert und zeigt vor der Front die von Säulen getragenen allegorischen Figuren der Städte Dresden, Leipzig, Chemnitz und Erfurt. Wir begeben uns durch das mittelste der drei Portale in den hochgewölbten Kuppelbau, dessen Decken- und Wandmalerei einen hübschen Gedanken zum Ausdruck bringt. Vier mächtige Eichbäume, deren Zweige Putten mit den bezüglichen Attributen beleben, sollen die einzelnen Gewerbarten darstellen. Sie wachsen an den Wänden zur Decke empor, an der sich ihre Laubkronen zur Umkränzung des Symbols der Industrie, eines großen Zahnrades mit dem sächsischen Wappen, vereinen. An der dem Eingang gegenüberliegenden Galeriewand ist eine Orgel aufgestellt und auch im übrigen haben hier besonders wirksam gruppierte und ins Auge fallende Gegenstände Platz gefunden. In einem der nächsten Räume nimmt die Ausstellung des Buchgewerbes ihren Anfang, als deren mächtigste Vertreterin Leipzig obenan steht. Die Halle, in deren Mitte sich die Statue Gutenbergs erhebt, und von deren Wänden die Riesenbilder der vier Evangelisten herabgrüßen, ist mit düsterer Holzdecke ausgestattet und mutet wie eine Klosterbibliothek an. Hier hat auch die Verlagshandlung unseres Blattes ausgestellt. In dem Bestreben, ihrem Platz ein gefälliges Aussehen zu verleihen, ist sie aus begreiflichen Gründen auf den Gedanken gekommen, ihn mit einer grün umrankten Gartenlaube zu umgeben. Hier finden wir sämtliche Jahrgänge der „Gartenlaube“, die seit ihrer Gründung durch Ernst Keil im Jahre 1853 erschienen sind, in stattlicher Reihe aufgestellt. Ein charakteristisches Bild Ernst Keils schmückt die Mittelwand der Laube und die übrige Wandfläche bedecken Originalbilder von berühmter Künstlerhand. Nebenan hat sich das graphische Gewerbe niedergelassen, das uns unter anderem den Dreifarbendruck praktisch vorführt und dem sich die photographischen Künste, die Papierfabrikation und sämtliche andere verwandte Geschäftszweige anschließen. Ein interessantes Bild gewährt der Raum, in dem uns klargemacht wird, welche große Bedeutung die Chemie für die Industrie gewonnen hat. Denken wir nur an das kleine Zündholz, dessen Erzeugung hierher gehört. Welche wichtige Rolle spielt es nicht in unserem Leben! Hat man doch ausgerechnet, daß auf den Kopf der Bevölkerung Deutschlands täglich 6 Zündhölzchen kommen, d. i. bei 52 247 000 Einwohnern also ein Verbrauch von 313 482 000 Stück. Ein hoher Obelisk, der aus Schachteln sogenannter Schwedischer Zündhölzer aufgebaut ist, erinnert zugleich daran, wie segensreich diese deutsche Erfindung wirkt, indem sie die gesundheitsschädliche Herstellung der giftigen Phosphorhölzer immer mehr verdrängt. Gut beschickt ist auch die Abteilung für Musikinstrumente, auf welchem Gebiete sich Klingenthal, Markneukirchen und andere Orte des Vogtlandes einen Weltruf erworben haben, ferner die für Pianofortebau, in dem wieder Leipzig Mustergültiges leistet. Unerreicht in der ganzen Welt steht die Uhrenfabrikation der sächsischen Stadt Glashütte da, die selbst den berühmten Genfer Erzeugnissen gegenüber den Vorzug genießt. Einen bedeutenden Industriezweig Sachsens und Thüringens bildet die Keramik. Allen anderen Städten voran marschiert hier Meißen mit seiner Königlichen Porzellanmanufaktur, die zahlreiche künstlerische Erzeugnisse aufgestellt hat. Ferner festigen die Galanterie- und Spielwarenindustrie des Ausstellungsgebietes durch das, was sie herbeigeschafft, die hohe Meinung, die man schon längst überall von ihnen hegt. Einen gewaltigen Eindruck hinterläßt die Gruppe „Berg-und Hüttenwesen“, deren Produkte ganz ausgezeichnete sind. Und auch die anderen Zweige alle sind vertreten und verdienen Anerkennung und vollstes Lob. Hervorragendes Interesse erweckt die Maschinenhalle mit ihren unzähligen großen und kleinen Betrieben. Eisenbahnzüge, die mit allen Ausrüstungen der Neuzeit versehen sind, können wir besteigen und besichtigen. Der Schnellzug mit seinen Brems- und … Weiterlesen

Aus der Presse – Letzte Worte zum Abschied der STIGA

Sechs Monate lang hat der braune Jüngling im grünen Grunde mit der Rechten den Lorbeer emporgehoben, und mit diesem Attribut stolzer Ehrung auf die goldenen Früchte gedeutet, die im Wipfel des Baumes schimmerten. Während die Einen diesen reichen Obstsegen des Placates als den Erfolg ehrlichen, rühmlichen Strebens aus allen auf der Ausstellung vertretenen Gebieten der Industrie und des Gewerbes nunmehr gedeutet wissen wollen, weisen tiefsinnigere Naturen damit den über alles Erwarten reich ausgefallenen Besuch nach, bei dem in der That „kein Apfel zur Erde konnte“. Dir Symboliker beider Anschauungen dürfen und müssen Recht behalten: Ehre und Ruhm wurde allen Betheiligten an dem glanzvollen Werke zu Theil, reger Zufluß von Besuchern aus allen deutschen Gauen und vom Auslande her ließ die Wallfahrt an manchen Tagen zu einem riesigen Umfang anwachsen. Jetzt, wo es an‘s Scheiden geht, überkommt Manchem eine gewisse Wehmuth über das Zerstören, Auflösen, Vergehen eines glänzenden Werkes, welches, das darf man bedingungslos aussprechen, unserer Leipziger Bewohnerschaft so ganz ans Herz gewachsen war und der letzteren ein Semester lang immer den willkommensten und freudigsten Anlaß gegeben hatte, weitesten Kreisen außerhalb der freundlichen Lindenstadt die Schönheit und Gediegenheit ihrer in jeder Beziehung wohlgelungenen Ausstellung bewußt werden zu lassen. Je nach der individuellen Geschmacksrichtung fand zudem dort Jeder seine Rechnung, der eine im ästhetischen Genuß ausgiebige Anschauung Dessen, was Natur, Kunst, Gewerbe und Industrie geschaffen, der andere in der Huldigung des Gedankens, daß neben der Betrachtung, sollte sie eindrucksvoll bleiben, auch der materiellen Stärkung zu ihrem Jahrtausende alten Recht verholfen werde. An Mitteln zur Ausführung dieser Idee hat es wahrlich nicht gefehlt. Am südöstlichen Uferrand des großen Sees von der Stelle an, wo der „Dürkheimer“ den Weg wie ein Raubritter verlegte, um frohe Bacchusjünger zu fangen, bis hin zum „Bratwurst-Glöckli“, dessen letzte Stunde jüngst schon geschlagen, legte sich bogenförmig das Kneipenviertel, der beliebte Treffpunct aller durstigen Seelen. Es war die Mausefalle für Hunderttausende. Wer einmal drin saß, kam nicht wieder heraus. Nun sind auch die Herrlichkeiten aller dieser Stätten im Schwinden. Es wird die Facade des freundlichen „Tucherbräu“ mit der gemalten Mohrenkopfmarke in Trümmer sinken, es wird der von der Leipziger Damenwelt in täglichem Ansturm seiner Küchenbuffets genommene „Rothenburger Erker“, den Stunde für Stunde schrille Zigeunermusik „umsäuselte“, den Weg alles Gipses wandeln, und die grellweiß getünchte Osteria am Teichgestade vergehen, dort, wo das weithinleuchtende Wort Aqua sola den Unkundigen zu der Meinung führte, daß der gewässerte Titel gleichwerthig mit Aqua soda, Sodawasser, sei. Wo einst das „Willkommen“ zum Eintritt und zum Beschauen winkte, macht sich seit Kurzem das häßliche „Verkäuflich“ breit. Allerorten wird ausverkauft. Die Fischkosthalle sucht für ihre 15 000 Biermarken Abnehmer; alles kommt zum Angebot: Pavillons, Schränke, Tische, Stühle, Palmen, Büsten, Villen, Bänke, Gläser und Flaschen, denn die Uhr ist abgelaufen und die Logis sind gekündigt. Ungern trennt man sich von dem köstlichen architektonischen Bilde auf waldumzogenem Plan. Wie oft hat der alte, von flatternden Wimpeln gekrönte Wartburgthurm freudig auslugende Bewunderer auf seinen Zinnen gesehen, Hunderte von idealen „Strebern“, die im Innern des viereckigen Kolosses langsam zur ersehnten Höhe emporgewunden wurden. Was sie sahen, das war bezaubernd. Vor sich Wasser und Wald, dazwischen farbig aufleuchtende Bauten mit Kuppeln, Thürmen und Thürmchen, Kiosken und Tempeln, Brücken und Terrassen, mit einem Wort eine herrliche Welt, in der nur Freude und Vergnügen zu Worte kamen, hinter sich aber bis zur Grenze des idyllischen Blockhauses das Thüringer Dörfchen in der ganzen Ursprünglichkeit von Raum und Form. Jetzt steht das Mühlrad still; der Esel, diese reizende Staffage der Lindenmühle, hat seine Schuldigkeit gethan und geht, auch ist das Schicksal der wohlgemästeten Gänsecolonie im Dorfteich, dem heiligen Martinus zu Ehren geopfert zu werden, nunmehr unwiderruflich besiegelt, der Dorfteich selbst dem Austrocknen verfallen. Bei den letzten Gemeinderaths-Sitzungen im Gemeindehause tauchte bei feurigem Most der Wunsch auf, Manches erhalten zu sehen, was für die Nachwelt als Relicten-Architektur von Werth sein könne, doch resignirt blieb Alles bei Wunsch und Most. „Menschen, Menschen sein mer Alle, Fehler hat a Jeder gnua, Alle können doch nicht gleich sein, das liegt schon in der Natur“ sang noch einmal die lustige Capelle, dann schloß auch diese denkwürdige Sitzung. Noch einige Male wird der Tanzboden in der „Tanne“ schwanken, werden die Musikanten im Felsgewölbe der Wernesgrüner Schänke fiedeln, dann ist es aus. Was war das für ein Leben in diesem Sommer dort oben auf der Terrasse der Wernesgrüner Schänke, wie schäumte und perlte dort die Wernesgrüner Weiße! Herrliche Tage verleibt der Himmel auch jetzt noch in seiner Gunst dem Werke, Tage voll Sonnenscheins und wahrer Frühlingsstimmung, gleichsam als wollte er Das, was er in den letzten Wochen versagt, nun am Schlusse wieder in vollstem Maße gut machen und ein glänzendes sonniges „Finis coronat opus“ aufleuchten lassen. Und dankbar genießt unser Publicum diese Himmelsgunst und strömt in vollen Schaaren hinaus auf den Ausstellungsplatz, um den letzten wehmüthigen Abschied von den Herrlichkeiten zu nehmen, die unser Leipzig für ein halbes Jahr mit einem Leben erfüllt hatten, das uns sonst nur die Messen zu bringen pflegten. Vor einigen Tagen allerdings fröstelte es stark in der Natur. Es war Herbststimmung, es war ein anderes Bild. … Der Wind trug fahle Blätter aus dem „Scheibenholz“ herüber und streute sie auf Bank und Weg. Fast passagierlos polterte der Train der elektrischen Rundbahn durchs Gehölz, über die Fluthcanalbrücken, an der Boma der Schwarzen vorbei, am Alten Meßviertel vorüber, dann huschte sie hinter den Nietzschmann‘schen Wursttempel, hinter das Panorama und den anderen Kolossalbauten dieser Schaustellungslinie, um später am Eismeerpanorama wieder zum Vorschein zu kommen. Nun ist der Moment, an dem die imitirten Eisschollen zu Feuerholz zerhackt, die Eisbären und Seelöwen verpackt und die nimmersatten Möven und Taucher anderwärts einquartiert werden sollen, unwiderruflich gekommen. Welcher Ohrenschmaus bisher, als die Seelöwen in klagendem, abgehacktem Bellen theils Hunger, theils Wohlbefinden verriethen, als die Capelle der ihre Insassen quirlartig drehenden elektrischen Stufenbahn mit der zwingenden Gewalt des Bleches das Surren und Rasseln der mächtigen, mit Glühlampen überreich decorirten Drehscheibe übertönte, als das Schmettern der Trompeten das Einreiten sportkundiger Jünglinge und verwegener Amazonen in die Arena des Hippodroms verkündete. Jetzt wird an allen Ecken und Enden … Weiterlesen

Aus der Presse – Der letzte Ausstellungs-Monat der STIGA

Noch vier der Wochen und das bunte Ausstellungswunder, das Millionen von Menschen erfreute und erhob, soll verschwinden, das ganze so reizvolle Ensemble von Hunderten von Bauten sich wieder auflösen, das mächtig wirkende Gesammtbild sächsisch-thüringischen Industrie- und Gewerbefleißes den Blicken, die staunend auf ihm ruhten, sich auf immer entziehen. Der Gedanke mischt in die stolze Freude, die wir Leipziger über unser großes und schönes Ausstellungswerk empfinden dürfen, ein Gefühl der Trauer und zugleich das Verlangen, in diesen Wochen all‘ das Herrliche, das unsere Ausstellung bietet, doppelt noch zu genießen. Die Ausstellung hat in den betheiligten Ländern nicht nur, sondern weit über deren Grenzen hinaus gerechte große, uneingeschränkte Anerkennung gefunden. Hohe Würdenträger, allen voran unser geliebtes Königspaar, haben der Leipziger Ausstellung eine Aufmerksamkeit geschenkt, welche in ihrer Ausdehnung zugleich das schmeichelhafteste Lob aller Veranstaltungen derselben darstellt. Millionen von Besuchern aber aus dem gesammten deutschen Reiche und aus aller Herren Ländern haben in ihr reiche Belehrung und Zerstreuung gefunden und sind heimgekehrt mit hohen Worten der Zufriedenheit und der Bewunderung auf den Lippen. Dies Ziel erreicht zu sehen, ist eine Herzensfreude für jene uneigennützigen Männer, welche das imposante und schwierige Ausstellungswerk vorbereiteten und leiteten, eine Herzensfreude für jeden civis Lipsiensis, der den Ruhm unserer Vaterstadt durch das so schön gelungene Unternehmen in hohem Maße gesteigert sieht. Es war und ist noch ein großes Jahr für Leipzig, dessen letztem Viertel wir uns nähern. Die Ausstellung hat eine Fremdenfluth nach Leipzig gelenkt, die in verschiedenem Sinne goldhaltig war. Nicht die Ausstellung allein ist die Nutznießerin dieses Menschenstromes von Hunderttausenden gewesen, die ganze Stadt war es! Tausende und Abertausende, denen die Ausstellung der anlockende Magnet war, haben in Leipzig die schöne, freundliche, schaffensfreudige Stadt kennen gelernt und sind mit freundlichen Erinnerungen an sie, die sicher über kurz oder lang ihre Früchte zeitigen werden, wieder von von uns gegangen. Greifbare Früchte aber hat diese „Völkerwanderung gen Leipzig“ vielen und breiten Kreisen unserer Stadt bereits jetzt gebracht. Denn, wenn auch die Menschenwogen zunächst dem schönen Ausstellungsplane sich zuwälzten, zu vielen kleinen Flüssen und Bächlein zertheilt ergossen sie sich doch sämmtlich wieder in die Stadt, zum unmittelbaren Nutzen zahlloser Geschäftsbetriebe. Dazu gesellen sich als werthvolle Aussichten für die nächste Zukunft die zahllosen Geschäftsanknüpfungen, welche die Ausstellung vermittelt hat und große Aufträge, welche durch sie zum Abschluß gelangt sind. Die Stadt Leipzig und ihre Bevölkerung in ihrer Allgemeinheit münzt dergestalt den Erfolg unserer Leipziger Ausstellung auch für sich vollwichtig aus. Das aber macht die Freude an der letzteren zu einer noch größeren. Der moralische Erfolg freilich der sich nicht gleich münzmäßig feststellen läßt, dürfte für Leipzigs Zukunft noch entscheidungsreicher sein. Die Ausstellung bietet ein so umfassendes, großartiges Bild Leipziger Industrie- und Gewerbethätigkeit, daß Niemand mehr, auch die nimmer fehlenden Neider nicht, es ihrem Blick zu verschließen vermögen. Leipzig hat sich zum ersten Male der Welt in seinem ganzen werkthätigen Können und im Besitz einer schaffensfrohen Energie gezeigt, die einer dauernden fördersamen Wirkung sicher sein kann. Keine aller in den letzten Jahren veranstalteten Landesausstellungen hat den wirthschaftlichen Ernst in so schönen äußeren Formen zu Tage treten lassen wie unsere Leipziger Ausstellung, keine den Besucher mit so anmuthvollem Zauber umsponnen wie sie! Aber auch, wenn die Pforten sich geschlossen haben, wenn dieselben Menschenhände das wieder niederlegen, was sie so kunstvoll und schön errichteten, wenn die hochragenden Bauten auf dem weiten Plane verschwunden sein werden, auch dann noch wird die Ausstellung der Stadt zu hohem Segen gereichen. Denn die Stätte, zu der es uns jetzt so magisch hinzieht, wird immerdar den erholungsuchenden Bewohnern unserer Stadt als herrliche Parkanlage geweiht sein. Und wenn die Ausstellung auch dahin scheidet, sie erfährt gewissermaßen in der künftigen Bestimmung ihres Platzes eine Neugeburt, deren vollen Segen die nächsten Generationen erst nach seinem ganzen köstlichen Werthe für die Bewohner unserer Stadt werden abschätzen können. Das Alles darf und soll uns der Ausstellung gegenüber zur Dankbarkeit stimmen. Die Leipziger Einwohnerschaft hat sie schon dadurch bethätigt, daß sie gewissermaßen in corpore Besucherin derselben geworden ist. Wir zweifeln nicht, daß dieser Besuch bis zum letzten Ausstellungstage nichts von seiner bisherigen Intensität einbüßen wird, wir hoffen und wünschen sogar, daß dieselbe sich in diesem letzten Monate der Ausstellungsdauer noch sehr erheblich steigern möge. Das ist sogar nothwendig, wenn die Hoffnungen auf eine gedeihliche finanzielle Lösung des großen Unternehmens zur That werden sollen. Es ist ein hier und da stark verbreiteter Irrthum, wenn man annimmt, die Leipziger Ausstellung schufe sich selbst goldene Berge. Gewiß, ihre Leitung darf mit hoher Befriedigung auf den starken Besuch und die durch ihn erzielten Einnahmen sehen, aber Jeder, der, wenn auch nur in loser Verbindung mit der Ausstellung steht, kennt die Riesensummen, die deren Betrieb fortdauernd erfordert. Und er weiß auch, daß es der vollen Anhänglichkeit unserer Einwohnerschaft an die Ausstellung und des zahlreichsten Besuches bis zum letzten Tage bedarf, sollen die Hoffnungen, nach dem immensen industriellen und künstlerischen Erfolge auch wirthschaftlich gut abzuschneiden, nicht noch in den letzten Wochen scheitern. Ihre Erfüllung freilich gäbe erst unserer Leipziger Ausstellung den vollen Glanz und deshalb ist es fast eine Ehrenpflicht jedes einzelnen Leipzigers, zu seinem Theil Alles daran zu setzen, jene Hoffnungen der schönen Erfüllung nahe zu bringen. Diese letzten trüben, regenerfüllten Tage waren ja freilich wenig zur Bethätigung einer solchen Pflicht geeignet, aber man darf doch hoffen, daß die Sonne, die so oft und lange unseren Ausstellungsplatz mit ihren goldigen Strahlen übergoß, alsbald wieder die grauen Wolken durchbricht und aufs Neue Allen der schimmernde Wegweiser zu unserer Ausstellung wird. Dieser Appell gilt nicht für die Stadt allein, er mag auch hinausdringen auf das Land. Jetzt ist die Zeit gekommen, in welcher auch der vielbeschäftigte Landmann sich einige Tage von seiner Scholle loszulösen vermag, um die Leipziger Ausstellung aufzusuchen. Die Ernte ist eingefahren und zum Glück ist sie in weiten Bezirken unseres engeren Vaterlandes nicht unbefriedigend ausgefallen. Da mögen in diesen auch für den Landmann mit weniger Arbeit angefüllten Herbsttagen recht Viele den wohl allseitig aufgetauchten Wunsch, die Ausstellung zu sehen, zur That werden lassen. Niemand wird sie verlassen, ohne Freude und Anregung an ihr, ohne Nutzen durch sie … Weiterlesen

Aus der Presse – Unsere Ausstellung V. Am Kneipenteich

Vorn an der Hauptallee, zu beiden Seiten des Kneipenteiches, liegen die runden Konzertpavillons, die recht ungeschickt dort ihren Platz gefunden haben, da alle, die in das nasse Viertel wollen, durch die wandelnde musikfreundliche Menge sich drängen müssen. Wiederum ist es durch dieses Durchdrängen unmöglich, eine ungestörte musikalische Promenade zu machen, wie es z.B. in Berlin möglich war, wo die Menge in einer langgezogenen Ellipse auf und nieder wandeln konnte. Das erste Gebäude links, das die Ecke der Hauptallee und des Kneipenteichweges bildet, ist das große Hauptrestaurant, in dessen vorderer, der Hauptallee zugewendeter Hälfte nur Wein ausgeschänkt wird und der Genußbürger, der über das nötige geprägte Metall verfügt, Table d’hote speisen kann. In der hinteren Hälfte giebt es aber ein nicht übles Münchener. Hinter dem Hauptrestaurant ist ein geschmackvoll verkleidetes Maschinenhaus und gegenüber, am Teichufer, legen die Spreewälderinnen mit ihren Flachkähnen an, mit denen man eine Rundfahrt auf dem Teiche machen kann, die in abendlicher Dunkelheit am reizvollsten ist. Dann werden leuchtende Lampions an den Baldachinen über den Kähnen aufgehängt – langsam geht es am Ufer entlang, vorbei an den lichthellen Kneipen und den bunten Glühlichtgewinden der Ruine Schlosseck. In der Mitte des Teiches sprudeln plötzlich die Lichtfluten der Leuchtfontäne auf. Hellblau und hellgrün – rosa – flammenrot – in allen Farben schillernd quellen sie aus dem Wasser auf, überschlagen sich und fallen, Gischt spritzend, zurück. – Prächtige neue Farbenwirkungen werden dort erzielt. Hinter dem Maschinenhaus liegt das einfache, anheimelnde Holländerhäuschen von Erben Lucas Bols, in dem es einen ausgesucht vornehmen Schnaps giebt. Daneben ist der Pavillon der Kaffeefirma Richard Poeßsch. Steigt man die wenigen Stufen zum Türmchen hinauf, so kann man eine große, elektrisch betriebene Kaffee-Röstmaschine sehen, in deren Trommel zwanzig bis achtzig Pfund Kaffeebohnen mit einemmal über einem Coaksfeuer geröstet werden können. Unter der Trommel ist ein flacher Kessel, in dem der Kaffee gleich nach dem Rösten abgekühlt und durch ein in ihm mündendes Rohr sofort nach dem unteren Verkaufsraum hinabgleitet, wo er in einem Sacke aufgefangen wird. Man kann hier sehen, wie bequem, wie einfach der Großbetrieb ist, wie er des Menschen mühselige Arbeit von Maschinen verrichten läßt, ihn so zu einem immer vollendeteren Herren und Meistern der Natur macht und dem Sozialismus vorarbeitet. Gegenüber dem Kaffeetürmchen liegt am Teichufer die idealisierte Nachahmung der Ruine Schlosseck bei Dürkheim. Dort trinkt man unter Laubengängen einen 2/10 Römer Dürkheimer für 40-50 Pfennige und muß dann aber auch hineingehen in die Ruine, um die Wandmalereien des Münchener Malers Toni Aron zu sehen. Da ist unter anderem ein mit einer Sektflasche tanzendes Mädchen, dessen warmblütiger Leib aus der leicht lila gefärbten, duftigen Gaze-Bekleidung hervorleuchtet, und eine ganze Menge in Linien und Farben merkwürdiger Scenen, von denen manche aussehen wie vergrößerte Ausschnitte aus der Jugend und aus dem Simplicissimus. Unstreitig erkennt man in den Einfluß des Th. Th. Heine. Am gleichen Ende des Teiches, gewissermaßen als Gegenstück zu Schlosseck, ist die italienische Osteria, von der schon in den vohergehenden Ausstellungsberichten genug gesagt ist. Nur noch soviel: Es giebt dort nur Wein. Hinter diesen beiden Lokalen dehnt sich ein weiter, halbrunder Platz, in dessen Mitte eine hölzerne Musikhalle steht, die einzige in der ganzen Ausstellung, um die man eine Musik-Promenade machen kann. Den Platz säumen im Halbkreis eine Menge Kneipen ein. Da ist erst links die Fischkosthalle, daneben liegt das Café zum Rothenburger Erker. Dieses Café birgt für Nichtkenner ein sonderbares, unangenehmes Geheimnis. Wenn man sich dort mit müden Beinen niedergelassen hat, bringt der Kellner verschmitzt lächelnd die verlangte Portion Kaffee. Das Zeug schmeckt merkwürdig friedlich und dünn – der Kellner wendet sich mit ganz unschuldig aussehendem Gesicht ab, wenn man ihn ansieht. Die Provinzialen trinken ihr Schälchen Kaffee ganz ohne Arg, bis ihnen der Kellner beim Fortgehen ein kleines Andenken an den Rothenburger Erker überreicht. Aus dem kleinen Heftchen erfahren sie, daß sie – Kneipp-Kaffee getrunken haben, ohne es zu schmecken. Ja, das soll nun ein Scherz sein, die Gäste so zum Narren zu halten. Neben dem Café liegt das Tucherbräu, einige Schritte weiter der Ausschank der Brauerei Zwenkau. Wer dort aufmerksam hineinsieht, findet gewiß Bekannte dort. Wer das ist, wird nicht verraten – es sind jedenfalls ganz populäre Leutchen. Hieran reiht sich das Münchener Löwenbräu, in dessen heller Halle die weiche Musik eines Streichorchesters ertönt und wo echte Bayerinnen bedienen. Dann kommt die hellgraue Terrassen-Burg des Kulmbacher Petzbräu und dahinter, am Rande des Hochflutbettes, an der Brücke nach dem Thüringer Dörfchen das Münchener Bürgerbräu im Bratwurstglöckle. Gegenüber liegt hinter der Riebeckschen Brauerei der Wartburgturm, dessen Fahrstuhl noch nicht fertig ist, so daß man die Üebersicht über den Kneipenteich noch nicht genießen kann. Aber den daran angebauten Rittersaal der Wartburg muß man sich ansehen. Die an Ketten hängenden Deckenleuchter und die bunten, verschlungenen Ornamente und Figuren der Wandmalereien zeugen von einer so reichen, fruchtbaren Phantasie der Zeit des gotischen Stiles, daß man nur wünschen kann, auch unsere Künstler und Kunstgewerbler möchten aus der Wiederbelebung und der Hineinziehung des Natürlichen in die Kunstformen, ebenso wie die Künstler der Gotik, so mannigfache Formen erreichen. Unten in den Rundgewölben und auf den Terrassen bedienen freundliche Thüringerinnen, von denen man nach der Kneipenreife durch sämtliche aufgeführten Lokale ungern Abschied nimmt, um im Hauptcafé, das mit der Front nach der Hauptallee liegt, sich durch einen Kaffee wieder ins geistige Gleichgewicht zu bringen. In den luftigen Holzhallen sitzen die Damen unserer Geldbürger – mit Lorgnetten fixieren sie die gegenüber sitzenden, die gekleideten, halb übermütig, halb verächtlich lächelnden Freundinnen der Liebe, die von der gleichen Torte essen wie ihr unwillig und neugierig blickendes Gegenüber. – Aber abends und bei kühlerem Wetter kann man nicht in diesem Café sitzen, denn seine Hallen sind doch gar zu luftig. Man muß dann schon wo anders den Schluß eines Ganges um den Kneipenteich machen. Von Perkeo. Leipzig, 8. Mai 1897. Unsere Ausstellung V. Am Kneipenteich, in: SLUB Dresden. Leipziger Volkszeitung vom 8. Mai 1897. Sonnabend, S. 3.

Aus der Presse – Die Eröffnung der Leipziger Ausstellung

So ist denn der langerwartete große Tag herangekommen, an dem die „Sächsisch-Thüringische Industrie- und Gewerbe-Ausstellung“, die in kaum mehr als Jahresfrist in unserer Stadt erstanden ist, officiell eröffnet wird. In feierlicher Weise wird heute dieser Eröffnungsact vor sich gehen, in Gegenwart Sr. Majestät des Königs und der Prinzen des königlichen Hauses, der Mitglieder der Staatsregierung und der Spitzen der Behörden, unter Betheiliguug der ersten und führenden Kräfte auf commerziellem und industriellem Gebiete und unter der lebhaften, freudigen Antheilnahme der gesammten Bevölkerung unserer Stadt. Weitaus das bedeutsamste und größte Unternehmen, das Leipzig je begonnen und durchgeführt, stellt sich in unserer Ausstellung dar. Jahre hindurch lebte bereits der Gedanke einer großen Leipziger Ausstellung in einzelnen Kreisen unserer Bürgerschaft; das Nahen des 400. Jubiläums unserer Messen ließ ihn wachsen und weitere Kreise in seinen Bann ziehen, aber erst den uneigennützigen Männern voll Thatkraft und rastlosem Eifer, die heute als die Schöpfer der Ausstellung die gebührende Anerkennung ernten, war es vorbehalten, den Gedanken der Verwirklichung entgegenzuführen. Wie sie es gethan, wird heute jedem Auge sichtbar, daß sie es gethan, wird ihnen in Leipzig unvergessen bleiben. Denn sie luden eine Arbeitslast auf ihre Schultern, die zu tragen nur dadurch möglich wurde, daß sie all‘ ihre Liebe und Hingebung dem großen Werke zuwendeten, das der unter den deutschen Städten so hoch emporragenden Lipsia neuen Ruhm zuwenden soll und zuwenden wird. Trotz seiner Großartigkeit spricht das Geschaffene, das vom heutigen Tage an vor das Auge des Beschauers tritt, dennoch nur zu den Kennern eindringlich genug von den Mühen, die sich an die Schaffenszeit knüpften. Wir, die wir das Werk und seine Geschichte von Anfang an genau verfolgt haben, erfüllen daher eine Pflicht, wenn wir sagen, daß große Schwierigkeiten, mancher offene Widerstand, manche Lauheit und Zurückhaltung zu besiegen waren, ehe das Interesse an dem großen Unternehmen so in Fluß gerieth, daß es alle betheiligten Kreise mit sich fortriß, dem schönen Ziele zu. Dieses Ziel war klug und vernünftig begrenzt. Die Ausstellung sollte zeigen, was unser Sachsenland, was das ihm so eng verwandte Thüringen auf dem Gebiete der Industrie und des Gewerbes zu leisten vermögen. Und so eng auch gegenüber den Weltausstellungen dieses Ziel gesteckt war, welchen weiten Spielraum öffnete es trotzdem dem fruchtbringenden friedlichen Wettstreite innerhalb der zur Ausstellung herangezogenen Gebiete! Denn wo wären Industrie- und Gewerbefleiß entwickelter, wo bedeutsamer für den gesammten Welthandel als gerade in diesen? Als man begann, den Gedanken einer Leipziger Ausstellung in die That umzusetzen, konnte man deshalb von vornherein auch auf ein Interesse rechnen, das weit über die Grenzen der an der Ausstellung betheiligten Gebiete hinausging, ja das die fernen überseeischen Staaten direct ergriff, denen sich Sachsen-Thüringens Export zuwendet. Ist es also auch keine jener unübersehbaren Weltausstellungen, wozu Leipzig vom heutigen Tage ab einlädt, so bietet es doch eine Landesausstellung von solcher Vollkommenheit, von einer so harmonischen Schöne, wie sie wenig andere Ausstellungen gleicher Art auszeichnete. Wenn die letzte Maschine montirt, der letzte Ausstellungsschrank an seine Stelle gerückt sein wird, dann eröffnen die schimmernde Industrie- und die weite Maschinenhalle dem Blick ein so vollkommenes Bild heimischer hochentwickelter Industrie, auf hoher Stufe der Technik stehender Gewerbe, daß Sachsen-Thüringen mit gerechtem Selbstgefühl nicht nur allen deutschen Stämmen, sondern auch allen fremden Nationen zurufen kann: „Kommt, schaut und staunt!“ Wahrlich, es ist nicht kleinlicher und unkritischer Localpatriotismus, der uns dieses Urtheil fällen läßt. Vom ersten Spatenstich, von der ersten auf den Platz der Ausstellung gefahrenen Kieskarre an haben wir mit gewissenhafter Prüfung das Werk verfolgt und haben uns täglich inniger mit ihm verwachsen gefühlt, täglich mit größerer Freude die Bedeutung des Unternehmens sich steigern sehen. Und wie wir Zeugen gewesen sind der unendlichen Mühen, des rastlosen Ringens und Kämpfens für die glückliche Durchführung des Ausstellungsplanes, so treten wir auch heute in die erste Reihe der Anerkennenden: Ehre den Männern, die das gewaltige Werk glücklich zum Ziele führten! Lipsia vult exspectari! Das alte, von bedächtiger Zurückhaltung zeugende Wort wird für das neue Leipzig glücklicherweise immer weniger zutreffend. Nicht daß der Sinn, von dem es Kunde giebt, schon ganz verschwunden wäre; ein Rest davon klebt uns noch an, und es wäre unnatürlich gewesen, wenn das Leipziger Ausstellungsunternehmen nicht seine Wirkung verspürt hätte. Wie die Bedeutung alles Großen zuerst nur von Einzelnen richtig erfaßt und gewürdigt wird, so ging es auch dem großen Unternehmen, das jetzt vollendet vor uns steht. Selbst Viele von Jenen, denen der Plan durchaus sympathisch war, zagten vor der Ausführung. Wie hat sich das in den letzten Monaten gewendet! Je mehr das Werk fortschritt, je verwunderter und erstaunter der Blick auf den imposanten, vielgestaltigen Bauten ruhte, die auf den noch vor Jahresfrist öde und nebelüberhangen am Waldrande liegenden Wiesen entstanden, die zu einem im Niveau einheitlichen großen Ausstellungsplatze durch eine Monate erfordernde Aufschüttung umgewandelt wurden, desto mehr verschwand der Einfluß jenes alten Wortes, desto reger wuchs das Interesse, desto antheilfreudiger ward die Stimmung in der ganzen Leipziger Bevölkerung. Und so ist „unsere Ausstellung“ heute ein Monument der Freude und des Stolzes Leipzigs für alle seine Bewohner! Nicht aus dem eitlen Gedanken, der Schaulust der Menge eine neue, flüchtige Unterhaltung zu gewähren, ist die Leipziger Ausstellung entstanden. In erster Linie will sie den friedlichen, so überaus anregenden und fördernden Wettstreit innerhalb der heimischen Industrie und des Gewerbes zur vollen Entfaltung bringen. Das Neueste auf allen diesen Gebieten, die reifsten Früchte menschlichen Sinnens und Schaffens will sie dem Besucher darbieten. So geht von ihr ein mächtiger Strom der Anregung zu neuen Plänen, neuem Wirken aus, befruchtend und belebend, neue Großthaten auf dem Gebiete heimischer Industrie vorbereitend und erzeugend. Dieser vornehmsten und bedeutungsvollsten Wirkung unserer Ausstellung stehen andere Wirkungen wenig nach. Mit verschwenderischer Hand streut sie den Samen nutzbringender Anregung auch auf zahlreichen anderen Gebieten aus. Was die Kunst in ihrer prangenden Halle an Herrlichkeiten vereint, wie Vielen wird es zu Herzen sprechen, den Sinn läutern, die Empfindungen veredeln! Was in der lieblichen Gärtnereihalle an Blumen und Blüthen tausendfarbig dem Auge entgegenlacht, wie Vielen, die im harten Tageskampfe den Sinn für die Natur und ihre unendlichen Schönheiten verloren haben, wird es die Liebe zu ihr aufs … Weiterlesen

Aus der Presse – Drei preisgekrönte Ausstellungsmärsche der STIGA

Aus Anlass der Sächsisch-Thüringischen Industrie- und Gewerbeausstellung zu Leipzig 1897 erlässt der unterzeichnete Ausschuss ein Preisausschreiben für die Komposition eines Ausstellungsmarsches, nach welchem drei der besten Kompositionen mit Preisen in der Höhe von 300, 200 und 100 Reichsmark ausgezeichnet und ausschließliches Eigentum der Ausstellung werden sollen. Die Art und Weise der Komposition soll eine leichte, gefällige sein, und es wird von sogen. großen Festmärschen abgesehen. Das Preisrichteramt haben die Herren [in Leipzig] Professor Carl ReineckeKapellmeister Hans SittKönigl. Musikdirektor C. Walther zu übernehmen die Güte gehabt. Die sich an dieser Preisbewerbung beteiligenden Komponisten werden ersucht, das Manuskript, bestehend aus einer Partitur für Streichorchester, desgleichen für Militärmusik und einem zweihändigen Klavierarrangement mit einem Motto versehen, und bis zum 15. Dezember 1896 an den Fest-Ausschuß der Sächsisch-Thüringischen Industrie- und Gewerbeausstellung zu Leipzig einzusenden. Der Fest-Ausschuss, Franz Waselewsky Am 19. Februar mittags 12 Uhr fand auf dem Ausstellungsplatze im großen Saale der Hauptgastwirtschaft unter Leitung des Kgl. Sächs. Musikdirektors Walther mit der Kapelle des Inf.-Reg. No. 107 eine erste Probe-Musikaufführung statt. Es wurden die von den Herren Preisrichtern Prof. Carl Reinecke, Kapellmeister Hans Sitt und Musikdirektor C. Walther unter 84 Kompositionen zur engeren Wahl empfohlen sechs Ausstellungsmärsche in Gegenwart der genannten Preisrichter sowie der Mitglieder des geschäftsführenden Ausschusses und des Fest-Ausschusses vorgetragen. Der erste Preis im Betrage von 300 Mk. wurde dem Marsche No.41 mit dem Motto: „Frisch gewagt“ zuerkannt, welcher Herrn Adam Hahn, Harfenspieler in Wien, zum Verfasser hat. Den zweiten Preis in Höhe von 200 Mk. erhielt der Einsender No. 53 mit dem Motto: „Sachsen-Thüringen“, über dessen Persönlichkeit sonst bisher jede weitere Angabe fehlt. Der dritte Preis (100 Mk.) fiel auf das Motto: „Immer lustig bei des Bechers Freuden, wenn harmonisch erklingen die Saiten“. Als Verfasser ergab sich der herzogl. Sächs. Musikdirektor Herr A. Trommer in Friedrichsroda. Nur diese drei Märsche wurden den Forderungen des Preisausschreibens: „frisch und lebendig“ voll gerecht. Marsch No. 22, in den die Sachsenhymne eingeflochten war, erwies sich als allzu hymnenartig und theatralisch für eine Ausstellung. Marsch No. 32, welcher durch Verwebung des thüringischen Volksliedes sympathisch berührte, stand in musik-theoretischer Hinsicht hinter den preisgekrönten Arbeiten zurück. No. 37 aber war von einer Länge, die Robert Schumann wohl kaum als göttlich bezeichnet haben würde. Dass alle diese Märsche von der genannten Kapelle mustergiltig zu Gehör gebracht wurden, bedarf wohl keiner besonderen Versicherung. StadtAL, Kap. 75 A Nr. 33 Bd. 2. Preisausschreiben, in: Leipziger Ausstellungszeitung vom 26. September 1896, S. 87. StadtAL, Kap. 75 A Nr. 33 Bd. 2. Der Ausstellungsmarsch, in: Leipziger Ausstellungszeitung vom 22. Februar 1897, S. 253.

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