Gespräch mit Experten – Michael Liebmann zum Brandvorwerk

Michael Liebmann hat mit seinen Recherchen über das Leipziger Brandvorwerk die Geschichte eines nahezu vergessenen Ortes wieder zum Leben erweckt und ein gut lesbares Buch geschrieben, das auf Grundlage akribischer Archivrecherche qualitative Maßstäbe zur Erforschung der Stadtgeschichte setzt. Dabei stellte er unter anderem heraus, wie die Besitzer des Vorwerks über die Jahrhunderte hinweg mit den Rechten und Privilegien jonglierten, wie der Ort mit der Siedlungsgeschichte und den Calvinistensturm in Leipzig verknüpft ist. Er verdeutlicht anschaulich, welchen Anteil das Brandvorwerk für die Entwicklung der heutigen Südvorstadt hatte. Empfehlenswert nicht nur für Geschichtsinteressierte, sondern für alle, die die Vergangenheit anhand historischer Quellen aus einer anderen Perspektive entdecken wollen.

Michael Liebmann
Lehrer, Autor, Historiker

Sein Buch über das Brandvorwerk wurde 2012 beim Verlag Pro Leipzig veröffentlicht. Darüber hinaus ist er Autor weiterer Bücher des Verlags zur Leipziger Stadtgeschichte, wie „Connewitz. Vom Werden eines Leipziger Stadtteils“ 2015, „Großzschocher-Windorf. Ein Leipziger Stadtteillexikon“ 2016, „Schönefeld mit Abtnaundorf, Neustadt und Neuschönefeld: Ein Leipziger Stadtteillexikon“ 2019 und Mitautor bei „Schleußig. Ein Leipziger Stadtteillexikon“ 2020.
Brandvorwerk. Ein vergessener Ort und die Anfänge der Leipziger Südvorstadt.

Pro Leipzig, Verlag (Hg.)

ISBN 978-3-936508-84-0
Auflage: 1. Auflage 2012
Maße: 15 x 21 x 2 cm
Umfang: 264 Seiten
Gebundene Ausgabe

Preis: 17,00 €

Herr Liebmann, Sie haben sich mit der Geschichte des Brandvorwerks in Leipzig beschäftigt und ein Buch geschrieben. Wie kamen Sie dazu, was hat Sie dazu bewogen, zur Lokalgeschichte zu forschen?

Von Hause aus bin ich Gymnasiallehrer für Geschichte, Politik und Deutsch, arbeite aber seit nunmehr 15 Jahren als freier Autor, schreibe Fachartikel und Sachbücher und arbeite aktiv im Bürgerverein Pro Leipzig e.V. mit. In meinen Texten geht es meist um die Vorgeschichte nach Leipzig eingemeindeter Orte. Meiner Meinung nach lag das Hauptaugenmerk der Geschichtswissenschaft früher etwas zu sehr auf Alt-Leipzig. Dies ist natürlich nachvollziehbar und generiert auch eine größere Leserschaft. Aber die Historie der im 19. und 20. Jahrhundert angeschlossenen Gemeinden kam mir da zu kurz, steht erst seit den Forschungen zur vierbändigen Stadtgeschichte um 2015 mehr im Fokus. Das begrüße ich sehr, denn was gibt es Spannenderes, als den Kontrast von Stadt und Dorf zu beschreiben und die komplexen Stadt-Vorort-Beziehungen zu erforschen? Jemand, der in Böhlitz-Ehrenberg wohnt, hat doch ein ganz anderes Leipzig-Bild als ein Innenstädter. Die Leipziger Identität ist doch die Summe der Erfahrungen aller Bürgerinnen und Bürger – ob sie im Zentrum wohnen oder in der Peripherie. Das ist es, was mich interessiert. Der Marktplatz dagegen ist schon tausendmal beschrieben und bebildert.

Ihr Buch widmet sich dem Brandvorwerk und den Anfängen der Leipziger Südvorstadt. Könnten Sie uns einen Einblick in die Entstehungsgeschichte geben und erklären, was Sie dazu inspiriert hat?

Als ich 2008 nach vier Jahrzehnten Abwesenheit in meine Geburtsstadt Leipzig zurückzog, verschlug es mich in die Südvorstadt. Und weil ich den inneren Drang habe, von jedem Ort, an dem ich mich länger als eine Stunde aufhalte, auch die Historie zu erkunden, war es natürlich ganz selbstverständlich, mich auch mit meinem direkten Wohnumfeld zu beschäftigen. Da kam ich dann auch an einem Schild mit dem Namen „Brandvorwerkstraße“ nicht vorbei. Eine Straße, die nach einem Vorwerk benannt ist? Das klang interessant. Darüber wollte ich mehr erfahren. Aber die Suche nach Informationen in der einschlägigen Literatur enttäuschte: Das Brandvorwerk kam nirgends vor oder wurde nur in knappen Fußnoten abgetan. Ich habe mich damals dort sogar einen Samstag-Nachmittag an eine Straßenecke gestellt und über 60 Passanten gefragt, was es mit diesem Vorwerk auf sich hat. Nur einer konnte mir grob eine Antwort geben. Da dachte ich: Okay, muss ich das eben selber machen.

Das Brandvorwerk ist vielen Menschen heute weniger bekannt. Könnten Sie uns kurz erläutern, warum der Ort in der Geschichte Leipzigs eine bedeutende Rolle spielte? Gab es mehrere dieser Orte?

Im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit nannte man einen landwirtschaftlichen Gutshof, der sich außerhalb einer Burg oder Befestigungsanlage befand, ein Vorwerk. Und weil das Wort Bürger von Burg kommt, bezeichneten die Leipziger die ihnen gehörigen Gutshöfe vor den Toren der Stadt ebenfalls als Vorwerke. Davon gab es allerdings mehrere, diesbezüglich war das Brandvorwerk nichts Besonderes. Außergewöhnlich – und heute fast vergessen – ist allerdings der Fakt, dass dieser Gutshof den Großteil der Flur eines wüst gefallenen Dorfes besetzte. Dieses einst von den Slawen gegründete und wohl Ende des 14. Jahrhunderts verlassene Lusitz ist heute noch weniger Leuten bekannt als das Brandvorwerk – an diesen Leipziger Vorort erinnert nicht einmal ein Straßenname. Und doch handelt es sich dabei um die historische Wurzel der heutigen Südvorstadt. Die umfasst heute ein Gebiet von etwa 2,5 km2, aber im Hochmittelalter war die Lusitzer Gemarkung sogar 3,2 km2 groß. Das bedeutet, dass sich Leipzig und Connewitz Teile davon einverleibt haben müssen, nachdem die letzten Lusitzer Bauern ihr Dorf verlassen hatten. Land und Leute gehörten übrigens seit Mitte des 13. Jahrhunderts dem Leipziger Nonnenkloster St. Georg. Dazu zählte auch eine Wassermühle, die in etwa dort stand, wo sich heute der kleine Dürrplatz befindet: westlich der Kreuzung Wundt- und Kurt-Eisner-Straße. Das Kloster seinerseits stand im Schatten der Pleißenburg und also fast zwei Kilometer nördlich der Mühle. Deshalb baten die Nonnen den Landesherrn und die Stadt im Jahr 1287, den Pleißemühlgraben bis nach Lusitz zu verlängern und die Mühle direkt ans Kloster versetzen zu dürfen. Die Nonnenmühle existierte dann dort, vis a vis der Pleißenburg, noch bis 1890. Den Pleißemühlgraben gibt es, teils verrohrt, teils wieder geöffnet, noch heute. Von seiner Verbindung mit Lusitz wissen nur wenige. Im Übrigen haben die Georgennonnen dann im 15. Jahrhundert auf der verlassenen Lusitzer Flur eine Schäferei eingerichtet. Seitdem besetzte also ein Vorwerk eine Dorfgemarkung. Ein solches Rechtskonstrukt gab es auch im wüst gefallenen Pfaffendorf, auf dessen Flur sich heute der Leipziger Zoo ausbreitet.

Ihre Forschung basiert auf umfangreichen Archivrecherchen. Könnten Sie uns etwas über die Quellen und Materialien erzählen, auf die Sie während Ihrer Arbeit gestoßen sind und wie Sie diese genutzt haben?

Als ich wegen des Buches den Sommer 2011 im Stadtarchiv und Staatsarchiv verbrachte, war die Quellensuche noch viel beschwerlicher als heute. Die Aktentitel waren noch nicht digital eingepflegt. Man konnte nicht einfach „Brandvorwerk“ in eine Suchmaschine eingeben und die vorhandenen Titel einsehen. Stattdessen galt es, dutzende handgeschriebene Katalogbücher auf Hinweise zu durchforsten. Das gestaltete sich schwierig, weil die Findmittel im Stadtarchiv und im Stadtgeschichtlichen Museum nach Stadtteilen geordnet waren – und da kam „Brandvorwerk“ gar nicht vor. Der Ort war derart in Vergessenheit geraten, dass ihn nicht einmal die Archivare auf dem Zettel hatten. Ich musste also mühselig sämtliche Akten auf Verdacht anfordern und durchsehen, die irgendwie das Wort Vorwerk beinhalteten. Eine Sisyphusarbeit. Heutzutage sind die Archive viel benutzerfreundlicher. Da braucht man nur noch das Schlagwort Brandvorwerk eingeben und bekommt eine relevante Reihe Urkunden und Akten vorgeschlagen. Die Gefahr, eine wichtige Quelle zu übersehen, ist heute viel geringer. Durch tausende Seiten schwer entzifferbare Kurrentschrift muss man sich aber auch heute noch durcharbeiten, wenn man sich mit der Geschichte von vor 1900 beschäftigt. Daran hat sich nichts geändert. Seinerzeit habe ich fürs Forschen und Schreiben des Buches ein Jahr Vollzeitarbeit investiert.

Welche Ereignisse oder Entwicklungen sind mit dem Brandvorwerk und seiner Umgebung verbunden, die in Ihrem Buch behandelt werden? Könnten Sie einige der bedeutendsten Ereignisse oder Entwicklungen im Zusammenhang mit diesem Ort hervorheben?

Nun, da ist zuallererst natürlich die Frage nach dem ungewöhnlichen Namen zu klären. Warum hieß Lusitz später Brandvorwerk? Um 1500 wurde der Besitz der Georgennonnen südlich von Leipzig noch als „Lusitzer Mark“ bezeichnet, aber nachdem das Kloster im Zuge der Reformation aufgelöst wurde und der Leipziger Rat 1543 dessen Besitz an sich gebracht hatte, verkaufte der das Vorwerk als Lehngut an reiche Stadtbürger weiter. 1593 gehörte es z.B. einem Dr. Peter Roth. Ende des 16. Jahrhunderts war die evangelische Kirche in sich zerstritten, verfolgten die orthodoxen Lutheraner Leipzigs jeden Versuch von Vertretern der calvinistischen Lehre, in der Stadt Fuß zu fassen. Und weil der erwähnte Dr. Roth sein Vorwerk für Treffen von Calvinisten zur Verfügung gestellt hatte, legten es radikale Lutheraner eines schönen Sommertages im Jahre 1593 in Schutt und Asche. Der nachfolgende Besitzer baute es zwar umgehend wieder auf, aber diese ungewöhnliche Gewalttat verankerte sich so sehr im Stadtgedächtnis, dass der Name Lusitz in Vergessenheit geriet und dieses Landgut und seine Gemarkung die nächsten drei Jahrhunderte Brandvorwerk genannt wurde. Erst mit der Eingemeindung nach Leipzig 1855/56 und der anschließenden städtischen Bebauung ab den 1870er Jahren setzte sich langsam der Name Südvorstadt durch, so wie er uns heute geläufig ist. Bis dahin gingen die Leipziger zum „Brand“.

Das Buch enthüllt viele interessante Details über die soziale und wirtschaftliche Entwicklung des Brandvorwerks. Könnten Sie einige der bemerkenswerten Aspekte oder Geschichten schildern, die Sie persönlich besonders überrascht haben?

Im 17. Jahrhundert bestand das Brandvorwerk aus drei bebauten Grundstücken: zwei landwirtschaftlichen Gütern sowie zwei Mehrfamilienmietshäusern im ehemaligen Lustgarten der Nonnen. Noch immer war es kein Dorf mit entsprechender Verwaltungsstruktur, aber mittlerweile immerhin ein Gutsweiler. Im „vorderen Brand“ (von Leipzig aus gesehen) gab es seit 1679 eine Schänke, die auch von den Leipzigern gut besucht wurde. So gut, dass die damalige Besitzerin 1723 einen für damalige Verhältnisse pompösen Neubau nördlich des Vorwerks errichten ließ, der auch die gehobenen Kreise der nahen Messestadt anzog. Beim Leipziger Bürgertum war das Flanieren in Mode gekommen und Ausflüge in die nähere Umgebung der Stadt gehörten zum guten Ton. Das Brandvorwerk, damals noch idyllisch am Pleißemühlgraben und inmitten fruchtbarer Auenwiesen gelegen, gehörte zu den Hauptzielen der Städter. Dort gab es regelmäßig Tanzabende und Musikkonzerte. Auch in den „Studentengeographien“, jenen Flyern, die die älteren Studenten den Erstsemestern mitgaben und die die beliebtesten Kneipen in der Umgebung Leipzig anzeigten, war das Brandvorwerk regelmäßig aufgeführt. Im 18. Jahrhundert ist der Ausflugsort derart beliebt gewesen, dass 1745 und 1746 sogar zwei Bücher erschienen, die das Treiben dort ausführlich beschrieben und feierten. Der Andrang war so groß, dass auch das „hintere Brand“, der zweite Gutshof, eine eigene Restauration eröffnete. Selbst ein Weißbäcker fand dort sein Auskommen, obwohl auf dem Brand selten mehr als 100 Personen wohnten. Die Leipziger brachten das Geld dahin. Das passte nun den Leipziger Zünften nicht und auch nicht dem Leipziger Rat. Erstere überzogen fremde Gewerke eine Meile um die Stadt herum gerne mit Gerichtsverfahren, um sich die unliebsame Konkurrenz vom Hals zu halten. Letzterer misstraute dem Treiben im Vorort, über den er nur bedingt Kontrolle hatte. Die Bürger genossen dort Freiheiten, die sie in der Innenstadt nicht ausleben konnten. Die Bewohner der Mietshäuser im Nonnengarten freilich gehörten zu den Ärmsten der Armen. Das waren Tagelöhner, die sich die Mieten in Leipzig nicht leisten konnten. Sie waren ein Grund dafür, dass der Leipziger Rat die schon 1834 von der Landesregierung angeregte Eingemeindung der Brandvorwerkflur über 20 Jahre lang verzögerten – aus Angst, sich revolutionäre Elemente in die Bürgerschaft zu holen.

Sie behandeln auch die Rolle der Frauen und die wirtschaftlichen Herausforderungen, mit denen sie konfrontiert waren. Könnten Sie uns mehr über diese Themen und deren Bedeutung für die Geschichte des Brandvorwerks erzählen?

Wie bereits erwähnt, war es eine Vorwerksbesitzerin, die 1723 den Neubau am „Vorderbrand“ initiierte. Frauen sind in der Frühen Neuzeit als Miteigentümerinnen der Güter erbfähig gewesen, brauchten dann aber vor Gericht einen Vormund, der ihre Rechtsgeschäfte bestätigte. Sie konnten Gewerke besitzen und leiten, selbst jedoch keinen Meisterbrief erwerben. Als Geschäftsführerin eines Haushalts, auch von der Größe eines Gutshofes mit Ausflugslokal, konnten sie sich aber sehr wohl bewähren und Respekt erwerben. Die Mägde im Stall freilich durften nicht mal ungestraft Sex haben, wenn sie nicht verheiratet waren. Wurden sie erwischt oder schwanger, drohte Gefängnis. Die soziale und wirtschaftliche Abhängigkeit von Männern war bis ins 20. Jahrhundert hinein sehr groß. Nichtsdestotrotz wäre ohne Frauen auf dem Brand rein gar nichts gelaufen: Sie stellten das Gros der Vieh- und Biermägde und die Wirtsgattinnen kommandierten die Kellner herum.

Gibt es noch sichtbare Spuren oder Gebäude, die an das Brandvorwerk erinnern, und wie hat sich dieser historische Ort in das moderne Stadtbild von Leipzig eingefügt?

Der Gutsweiler breitete sich bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts im Karree Niederkirchnerstraße – Dufour-/August-Bebel-Straße – Arndtstraße und Wundstraße aus. Dieses Areal wurde ab den 1870er Jahren komplett überbaut. Im Übrigen stand am Brandvorwerk von 1860 bis 1873 der erste funktionstüchtige Hoffmannsche Ringofen der Welt, eine technische Revolution, die die preiswerte Massenproduktion von Ziegelsteinen ermöglichte. Ohne sie wäre der Bauboom der Gründerzeit gar nicht möglich gewesen. Finanziert wurde die Ziegelei von Bernhard Hüffer, einem Tuchhändler, Bankier und Bauunternehmer, der sich um die Bebauung der Südvorstadt und Schleußigs sehr verdient gemacht hat. Wer wissen will, warum die Karl-Liebknecht-Straße und die August-Bebel-Straße als breite Alleen ausgeführt wurden, aber die eigentliche Ausfallstraße nach Connewitz, die heutige Kochstraße, so schmal blieb, wie sie war, wird in meinem Buch spannende Details erfahren. Als letztes Zeugnis des Brandvorwerks verschwand 1904 das „Gosenthal“, das spätklassizistische Restaurationsgebäude des Vorderbrands. Ein im Nachfolgebau eingerichtetes Restaurant Brandvorwerk gibt es schon lange nicht mehr. Seitdem erinnert an die Geschichte des Ortes nur noch das Schild Brandvorwerkstraße. Immerhin zelebriert das „Grundmann“ noch die Kaffeehauskultur des beliebten Kuchengartens, der sich an dieser Stelle im 19. Jahrhundert befand.

Welche Bedeutung hat das Brandvorwerk in der heutigen Erinnerungskultur von Leipzig, und wie wird dieser Ort heute wahrgenommen?

Wie eingangs erwähnt, ist das Brandvorwerk nahezu komplett aus dem Stadtgedächtnis verschwunden. Daran hat auch mein Buch nicht viel ändern können, da dessen Verbreitung leider nicht so groß war, wie erhofft. Wie wir bei Pro Leipzig aus der Erfahrung mit anderen Sachbüchern zur Südvorstadt wissen, ist das Interesse der dort lebenden Menschen an der Geschichte ihres Stadtteils merkwürdigerweise weniger ausgeprägt, als in anderen Stadtteilen. Bücher über Connewitz, Großzschocher und Schleußig, die ich geschrieben oder mit verfasst habe, sind dagegen vergriffen oder in der zweiten Auflage. Woran das geringere Interesse liegt, darüber kann man nur mutmaßen. Schlussendlich sind die Erkenntnisse zu den historischen Wurzeln der Südvorstadt also noch immer kaum bekannt. Wenn überhaupt, dann assoziieren die Leute mit dem Brandvorwerk ein altes Ausflugslokal.

Abschließend gefragt, was hoffen Sie, dass die Leser aus Ihrem Buch über das Brandvorwerk und die Anfänge der Leipziger Südvorstadt mitnehmen werden?

Ich erhoffe mir mehr Empathie für die ländliche Vorgeschichte des Ortes, dessen urbane Struktur ja gerade mal 100-150 Jahre alt ist. Die Stadt-Land-Beziehungen spielen in heutigen Pendlerzeiten wieder eine große Rolle, die Kenntnis früherer Erfahrungen kann da doch fruchtbar sein. Die Leipziger bezogen vom Brandvorwerk Getreide und Brot, feierten dort und genossen das gute Merseburger Bier. Das Leipziger Gebräu war ja ungenießbar. Die Leute vom Brand besuchten derweil in Leipzig Schule und Kirche, wurden auch dort begraben. Viele Mieteinwohner arbeiteten dort. Die Kontakte untereinander waren vielfältig, der Kontrast zwischen Stadt und Land so scharf nicht, wie es die eifersüchtig bewachte Weichbildgrenze Glauben machte. Und was das heutige Stadtbild angeht: Wenn man weiß, wann wie welche Gebäude im Viertel entstanden sind, dann läuft man doch nochmal mit einem ganz anderen Blick durch die Gegend. So geht es mir zumindest.

Mehr erfahren Sie in meinem Buch.

Aktuelles: www.proleipzig.eu


Autor/in

  • studierte Verlagswirtschaft, Hobbyhistoriker und Veranstalter in Leipzig. Über ein Jahrzehnt ist er mitentscheidend beim Wiederaufbau des Leipziger Musikpavillons zu einem generationsübergreifenden Treffpunkt. In verschiedenen Engagements setzt er sich für Projekte ein, die einen lokalhistorischen Bezug haben. Ehrenamtliches Mitglied in mehreren Vereinen, Förderer und Jury-Mitglied beim Gert-Triller-Preis für Musikkultur der Leipziger Notenspur e.V.

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