GesprĂ€ch mit Experten – Peter Benecken ĂŒber die Parks in den 90er Jahren
Peter Benecken ist Experte fĂŒr Gartendenkmalpflege und als Stadtbezirkskonservator mitverantwortlich fĂŒr den Erhalt historischer Park- und Gartenanlagen der Stadt Leipzig. Mit fundiertem Wissen ĂŒber Landschaftsarchitektur und denkmalschutzrelevante Fragen bewertet er historische GrĂŒnflĂ€chen, begleitet Restaurierungen und Bauvorhaben. Im GesprĂ€ch gibt er Einblicke in die Entwicklung der Leipziger Parks seit den 1990er Jahren, insbesondere in den Jahren nach der Wende, berichtet ĂŒber den Palmengarten und erklĂ€rt, warum der Erhalt denkmalgeschĂŒtzter FreirĂ€ume weit mehr ist als das Bewahren der Vergangenheit fĂŒr die Zukunft. Herr Benecken, vielen Dank, dass Sie sich die Zeit nehmen. Sie arbeiten bei der Denkmalpflege in Leipzig. Können Sie uns zunĂ€chst etwas ĂŒber Ihre Rolle und Ihre Arbeit berichten? Ich habe an der TU Berlin Landschaftsplanung (Landschaftsarchitektur) studiert und bin in der hiesigen Denkmalschutzbehörde fĂŒr gartendenkmalpflegerische Belange zustĂ€ndig. Das heiĂt, ich berate öffentliche und private VorhabentrĂ€ger und Antragsteller hinsichtlich aller MaĂnahmen, welche auf denkmalgeschĂŒtzten FreiflĂ€chen geplant sind. Ziel sind der Erhalt der denkmalrelevanten Substanz sowie des denkmalpflegerisch intendierten Erscheinungsbildes. Ist ein Vorhaben genehmigungsfĂ€hig, stelle ich im Einvernehmen mit dem Landesamt fĂŒr Denkmalpflege eine denkmalschutzrechtliche Genehmigung aus oder verfasse eine Stellungnahme in einem Baugenehmigungsverfahren. Denkmalrelevante Substanz sind insbesondere die Vegetationsstrukturen einschlieĂlich des Baum- und Gehölzbestandes, WegeverlĂ€ufe und âpflasterungen oder âbefestigungen, kĂŒnstlerische Ausstattungen wie Plastiken und Skulpturen, Brunnen, Teiche, Bassins und andere GewĂ€sserstrukturen sowie bauliche Strukturen wie Freitreppen, StĂŒtzmauern, Einfriedungen, Terrassen, Pavillons und Lauben, aber auch BĂ€nke oder Beleuchtungskörper / Laternen. Nicht nur diese Substanz steht im Fokus, sondern insbesondere auch gestalterische GefĂŒge, Raumstrukturen und SichtbezĂŒge oder âachsen. ZustĂ€ndig bin ich fĂŒr geschĂ€tzt 4000 Objekte mit gartendenkmalpflegerischem Belang in Leipzig, darunter beinahe alle groĂen Park- und Friedhofsanlagen, und StadtplĂ€tze, viele VillengĂ€rten und EingrĂŒnungen Ă€lterer Wohnanlagen bis hin zu als Sachgesamtheiten erfassten Siedlungen oder historischen KrankenhausgelĂ€nden, aber auch zahlreiche VorgĂ€rten. Inhaltliche Abstimmungen sind nicht nur mit dem Denkmalfachamt, dem Landesamt fĂŒr Denkmalpflege, zu fĂŒhren, sondern innerhalb der Stadtverwaltung insbesondere mit dem Amt fĂŒr StadtgrĂŒn und GewĂ€sser, der Naturschutzbehörde, dem Stadtplanungsamt oder dem Verkehrs- und Tiefbauamt. SelbstverstĂ€ndlich gibt es auch zahlreiche Schnittmengen mit der Baudenkmalpflege, bereits dann, wenn Sanierungsarbeiten an GebĂ€uden mit denkmalgeschĂŒtztem Umfeld oder Garten stattfinden. In solchen FĂ€llen sind mindestens die Bauabwicklung und Baustelleneinrichtung im Gartendenkmal abzustimmen. Wie wĂŒrden Sie den allgemeinen Zustand der Parkanlagen in Leipzig in den 90er Jahren im Vergleich zu heute beschreiben? Im VerhĂ€ltnis zu den baulichen Strukturen konnten zumindest in Leipzig zur Zeit der DDR die öffentlichen Park- und GrĂŒnflĂ€chen weitaus besser unterhalten werden. DafĂŒr wurden ausreichend Personal- und Sachmittel zur VerfĂŒgung gestellt. Dies beeinflusste den Ausgangszustand in den 1990er Jahren positiv, in denen keine schlechteren Finanz- und PflegekapazitĂ€ten bestanden, als heute. Vielmehr unterhielt das stĂ€dtische GrĂŒnflĂ€chenamt seinerzeit noch eine eigene GĂ€rtnerei, in der BlĂŒh- und Schmuckpflanzen herangezogen wurden. Entsprechend konnten in den 1990er Jahren noch weitaus zahlreichere Schmuckpflanzungen unterhalten werden, als derzeit. FĂŒr die verbliebenen WechselpflanzungsflĂ€chen muss das Pflanzenmaterial heute extern beschafft werden, andere sind entfallen bzw. nun mit dauerhaften Stauden oder WildblĂŒhstreifen besetzt. Andererseits bestanden in den 1990er Jahren verschiedentlich noch Ăberformungen aus der Zeit der DDR durch Einbauten wie Fernheiztrassen, Fahrspuren oder in EinzelfĂ€llen abgetrennten FlĂ€chen, etwa fĂŒr das Ministerium fĂŒr Staatssicherheit. Auch war die historische Gestaltung in etlichen FĂ€llen verschliffen oder nicht erhalten. Welche Hauptprobleme oder Herausforderungen standen in der Pflege und Erhaltung der Parkanlagen in den 90er Jahren im Mittelpunkt? In den 1990er Jahren wurde bereits intensiv damit begonnen, die beschriebenen gestalterischen und strukturellen Ăberformungen aus der Zeit der DDR nach denkmalpflegerischen Gesichtspunkten zurĂŒckzubauen. DafĂŒr konnte schon zur Zeit der politischen Wende ein eigenes Sachgebiet Gartendenkmalpflege im hiesigen GrĂŒnflĂ€chenamt geschaffen werden. In wieweit seinerzeit tatsĂ€chlich Tendenzen von Vandalismus zunahmen, wie manchmal behauptet wird, lĂ€sst sich nur schwer abschlieĂend beurteilen, da solche Dinge zur Zeit der DDR zwar nicht verschwiegen wurden, aber den öffentlichen Diskurs zumindest weniger bestimmten. Sicher ist jedoch, dass zahlreiche Stadtteile in den 1990er Jahren von Bevölkerungsschwund, Deindustrialisierung und Leerstand betroffen waren. Jedoch wurden die dortigen GrĂŒnflĂ€chen bewusst nicht aufgegeben oder vernachlĂ€ssigt, sondern weiter mehr oder weniger intensiv unterhalten, um einen ausgleichenden Impuls zu setzen. Inzwischen hat die Bevölkerung wieder stark zugenommen und flĂ€chendeckender Wohnungsleerstand ist kein Problem mehr. Entsprechend besteht die Aufgabe heute eher darin, einer zu starken Nutzung oder Ăbernutzung mancher öffentlichen GrĂŒnflĂ€che entgegen zu wirken, sowie ergĂ€nzende und zeitgemĂ€Ăe Angebote zu schaffen. Ein schon seit einigen Jahren relevanter Aspekt ist, den Auswirkungen des Klimawandels entgegen zu wirken. So fĂŒhrten die zurĂŒckliegenden trockenen und heiĂen Jahre auch in den öffentlichen GrĂŒnanlagen zum Ausfall bzw. Absterben zahlreicher Gehölze, darunter insbesondere viele AltbĂ€ume. Betroffen sind komplette Pflanzengruppen wie alle Ahorne, welche durch klimatische Auswirkungen erst seit etwa zehn Jahren von der sog. RuĂrindenkrankheit befallen werden. Bis auf Ausnahmen dĂŒrften in der Folge insbesondere Berg-Ahorne weitgehend aus dem Stadtbild verschwinden. Gleiches trifft auch auf die ĂŒblichen HĂ€nge-Birken oder Fichten zu. Stark betroffen sind darĂŒber hinaus Eschen und bedauerlicherweise sogar Rot-Buchen, welche zu den gestalterisch wichtigsten Gehölzen in zahlreichen Parkanlagen gehören. Konzeptionelle und denkmalpflegerische Aufgabe ist es nun, geeignete Ersatzpflanzungen zu organisieren, welche die Aufrechterhaltung der ĂŒberlieferten und zu erhaltenden Parkgestaltungen erlauben. Hinsichtlich der Nutzung sind die Schaffung zusĂ€tzlicher verschatteter Bereiche oder des Angebots von Trinkwasser neue Aufgaben. Um Letzteres zu gewĂ€hrleisten, wurde begonnen, Trinkbrunnen in den öffentlichen GrĂŒnanlagen zu installieren. Und im Gegensatz zu den Jahrzehnten nach 1990 werden seit einigen Jahren auch wieder öffentliche Toiletten im meist grĂŒn geprĂ€gten Stadtraum neu geschaffen und unterhalten. Gab es in den Jahren nach der Wende besondere Initiativen oder Projekte zur Verbesserung der Parkanlagen? Wie erwĂ€hnt, konnte schon zu Beginn der 1990er Jahre ein eigenes Sachgebiet Gartendenkmalpflege im damaligen GrĂŒnflĂ€chenamt geschaffen werden. Dieses organisierte bereits zu diesem frĂŒhen Zeitpunkt die Erarbeitung gartendenkmalpflegerischer Zielstellungen fĂŒr die wichtigsten Parkanlagen, welche dann mit dem Landesamt fĂŒr Denkmalpflege abgestimmt wurden. Diese Zielstellungen sind in weiten Teilen mit den sog. Parkpflegewerken identisch und bilden die konzeptionelle Grundlage fĂŒr die Unterhaltung, Sanierung und Entwicklung von GrĂŒnanlagen. Damit ĂŒbernahm Leipzig eine Vorreiterrolle durchaus auch mit Blick auf das gesamte wiedervereinigte Deutschland. Schon 1993 lag entsprechend eine denkmalpflegerische Zielstellung fĂŒr den gesamten Promenadenring vor, welche nunmehr, nach ĂŒber 30 Jahren, ĂŒberarbeitet wird. Etliche solche Planwerke fĂŒr weitere Parkanlagen folgten schon im … Weiterlesen