GesprĂ€ch mit Experten – Peter Benecken ĂŒber die Parks in den 90er Jahren

Peter Benecken ist Experte fĂŒr Gartendenkmalpflege und als Stadtbezirkskonservator mitverantwortlich fĂŒr den Erhalt historischer Park- und Gartenanlagen der Stadt Leipzig. Mit fundiertem Wissen ĂŒber Landschaftsarchitektur und denkmalschutzrelevante Fragen bewertet er historische GrĂŒnflĂ€chen, begleitet Restaurierungen und Bauvorhaben. Im GesprĂ€ch gibt er Einblicke in die Entwicklung der Leipziger Parks seit den 1990er Jahren, insbesondere in den Jahren nach der Wende, berichtet ĂŒber den Palmengarten und erklĂ€rt, warum der Erhalt denkmalgeschĂŒtzter FreirĂ€ume weit mehr ist als das Bewahren der Vergangenheit fĂŒr die Zukunft. Herr Benecken, vielen Dank, dass Sie sich die Zeit nehmen. Sie arbeiten bei der Denkmalpflege in Leipzig. Können Sie uns zunĂ€chst etwas ĂŒber Ihre Rolle und Ihre Arbeit berichten? Ich habe an der TU Berlin Landschaftsplanung (Landschaftsarchitektur) studiert und bin in der hiesigen Denkmalschutzbehörde fĂŒr gartendenkmalpflegerische Belange zustĂ€ndig. Das heißt, ich berate öffentliche und private VorhabentrĂ€ger und Antragsteller hinsichtlich aller Maßnahmen, welche auf denkmalgeschĂŒtzten FreiflĂ€chen geplant sind. Ziel sind der Erhalt der denkmalrelevanten Substanz sowie des denkmalpflegerisch intendierten Erscheinungsbildes. Ist ein Vorhaben genehmigungsfĂ€hig, stelle ich im Einvernehmen mit dem Landesamt fĂŒr Denkmalpflege eine denkmalschutzrechtliche Genehmigung aus oder verfasse eine Stellungnahme in einem Baugenehmigungsverfahren. Denkmalrelevante Substanz sind insbesondere die Vegetationsstrukturen einschließlich des Baum- und Gehölzbestandes, WegeverlĂ€ufe und –pflasterungen oder –befestigungen, kĂŒnstlerische Ausstattungen wie Plastiken und Skulpturen, Brunnen, Teiche, Bassins und andere GewĂ€sserstrukturen sowie bauliche Strukturen wie Freitreppen, StĂŒtzmauern, Einfriedungen, Terrassen, Pavillons und Lauben, aber auch BĂ€nke oder Beleuchtungskörper / Laternen. Nicht nur diese Substanz steht im Fokus, sondern insbesondere auch gestalterische GefĂŒge, Raumstrukturen und SichtbezĂŒge oder –achsen. ZustĂ€ndig bin ich fĂŒr geschĂ€tzt 4000 Objekte mit gartendenkmalpflegerischem Belang in Leipzig, darunter beinahe alle großen Park- und Friedhofsanlagen, und StadtplĂ€tze, viele VillengĂ€rten und EingrĂŒnungen Ă€lterer Wohnanlagen bis hin zu als Sachgesamtheiten erfassten Siedlungen oder historischen KrankenhausgelĂ€nden, aber auch zahlreiche VorgĂ€rten. Inhaltliche Abstimmungen sind nicht nur mit dem Denkmalfachamt, dem Landesamt fĂŒr Denkmalpflege, zu fĂŒhren, sondern innerhalb der Stadtverwaltung insbesondere mit dem Amt fĂŒr StadtgrĂŒn und GewĂ€sser, der Naturschutzbehörde, dem Stadtplanungsamt oder dem Verkehrs- und Tiefbauamt. SelbstverstĂ€ndlich gibt es auch zahlreiche Schnittmengen mit der Baudenkmalpflege, bereits dann, wenn Sanierungsarbeiten an GebĂ€uden mit denkmalgeschĂŒtztem Umfeld oder Garten stattfinden. In solchen FĂ€llen sind mindestens die Bauabwicklung und Baustelleneinrichtung im Gartendenkmal abzustimmen. Wie wĂŒrden Sie den allgemeinen Zustand der Parkanlagen in Leipzig in den 90er Jahren im Vergleich zu heute beschreiben? Im VerhĂ€ltnis zu den baulichen Strukturen konnten zumindest in Leipzig zur Zeit der DDR die öffentlichen Park- und GrĂŒnflĂ€chen weitaus besser unterhalten werden. DafĂŒr wurden ausreichend Personal- und Sachmittel zur VerfĂŒgung gestellt. Dies beeinflusste den Ausgangszustand in den 1990er Jahren positiv, in denen keine schlechteren Finanz- und PflegekapazitĂ€ten bestanden, als heute. Vielmehr unterhielt das stĂ€dtische GrĂŒnflĂ€chenamt seinerzeit noch eine eigene GĂ€rtnerei, in der BlĂŒh- und Schmuckpflanzen herangezogen wurden. Entsprechend konnten in den 1990er Jahren noch weitaus zahlreichere Schmuckpflanzungen unterhalten werden, als derzeit. FĂŒr die verbliebenen WechselpflanzungsflĂ€chen muss das Pflanzenmaterial heute extern beschafft werden, andere sind entfallen bzw. nun mit dauerhaften Stauden oder WildblĂŒhstreifen besetzt. Andererseits bestanden in den 1990er Jahren verschiedentlich noch Überformungen aus der Zeit der DDR durch Einbauten wie Fernheiztrassen, Fahrspuren oder in EinzelfĂ€llen abgetrennten FlĂ€chen, etwa fĂŒr das Ministerium fĂŒr Staatssicherheit. Auch war die historische Gestaltung in etlichen FĂ€llen verschliffen oder nicht erhalten. Welche Hauptprobleme oder Herausforderungen standen in der Pflege und Erhaltung der Parkanlagen in den 90er Jahren im Mittelpunkt? In den 1990er Jahren wurde bereits intensiv damit begonnen, die beschriebenen gestalterischen und strukturellen Überformungen aus der Zeit der DDR nach denkmalpflegerischen Gesichtspunkten zurĂŒckzubauen. DafĂŒr konnte schon zur Zeit der politischen Wende ein eigenes Sachgebiet Gartendenkmalpflege im hiesigen GrĂŒnflĂ€chenamt geschaffen werden. In wieweit seinerzeit tatsĂ€chlich Tendenzen von Vandalismus zunahmen, wie manchmal behauptet wird, lĂ€sst sich nur schwer abschließend beurteilen, da solche Dinge zur Zeit der DDR zwar nicht verschwiegen wurden, aber den öffentlichen Diskurs zumindest weniger bestimmten. Sicher ist jedoch, dass zahlreiche Stadtteile in den 1990er Jahren von Bevölkerungsschwund, Deindustrialisierung und Leerstand betroffen waren. Jedoch wurden die dortigen GrĂŒnflĂ€chen bewusst nicht aufgegeben oder vernachlĂ€ssigt, sondern weiter mehr oder weniger intensiv unterhalten, um einen ausgleichenden Impuls zu setzen. Inzwischen hat die Bevölkerung wieder stark zugenommen und flĂ€chendeckender Wohnungsleerstand ist kein Problem mehr. Entsprechend besteht die Aufgabe heute eher darin, einer zu starken Nutzung oder Übernutzung mancher öffentlichen GrĂŒnflĂ€che entgegen zu wirken, sowie ergĂ€nzende und zeitgemĂ€ĂŸe Angebote zu schaffen. Ein schon seit einigen Jahren relevanter Aspekt ist, den Auswirkungen des Klimawandels entgegen zu wirken. So fĂŒhrten die zurĂŒckliegenden trockenen und heißen Jahre auch in den öffentlichen GrĂŒnanlagen zum Ausfall bzw. Absterben zahlreicher Gehölze, darunter insbesondere viele AltbĂ€ume. Betroffen sind komplette Pflanzengruppen wie alle Ahorne, welche durch klimatische Auswirkungen erst seit etwa zehn Jahren von der sog. Rußrindenkrankheit befallen werden. Bis auf Ausnahmen dĂŒrften in der Folge insbesondere Berg-Ahorne weitgehend aus dem Stadtbild verschwinden. Gleiches trifft auch auf die ĂŒblichen HĂ€nge-Birken oder Fichten zu. Stark betroffen sind darĂŒber hinaus Eschen und bedauerlicherweise sogar Rot-Buchen, welche zu den gestalterisch wichtigsten Gehölzen in zahlreichen Parkanlagen gehören. Konzeptionelle und denkmalpflegerische Aufgabe ist es nun, geeignete Ersatzpflanzungen zu organisieren, welche die Aufrechterhaltung der ĂŒberlieferten und zu erhaltenden Parkgestaltungen erlauben. Hinsichtlich der Nutzung sind die Schaffung zusĂ€tzlicher verschatteter Bereiche oder des Angebots von Trinkwasser neue Aufgaben. Um Letzteres zu gewĂ€hrleisten, wurde begonnen, Trinkbrunnen in den öffentlichen GrĂŒnanlagen zu installieren. Und im Gegensatz zu den Jahrzehnten nach 1990 werden seit einigen Jahren auch wieder öffentliche Toiletten im meist grĂŒn geprĂ€gten Stadtraum neu geschaffen und unterhalten. Gab es in den Jahren nach der Wende besondere Initiativen oder Projekte zur Verbesserung der Parkanlagen? Wie erwĂ€hnt, konnte schon zu Beginn der 1990er Jahre ein eigenes Sachgebiet Gartendenkmalpflege im damaligen GrĂŒnflĂ€chenamt geschaffen werden. Dieses organisierte bereits zu diesem frĂŒhen Zeitpunkt die Erarbeitung gartendenkmalpflegerischer Zielstellungen fĂŒr die wichtigsten Parkanlagen, welche dann mit dem Landesamt fĂŒr Denkmalpflege abgestimmt wurden. Diese Zielstellungen sind in weiten Teilen mit den sog. Parkpflegewerken identisch und bilden die konzeptionelle Grundlage fĂŒr die Unterhaltung, Sanierung und Entwicklung von GrĂŒnanlagen. Damit ĂŒbernahm Leipzig eine Vorreiterrolle durchaus auch mit Blick auf das gesamte wiedervereinigte Deutschland. Schon 1993 lag entsprechend eine denkmalpflegerische Zielstellung fĂŒr den gesamten Promenadenring vor, welche nunmehr, nach ĂŒber 30 Jahren, ĂŒberarbeitet wird. Etliche solche Planwerke fĂŒr weitere Parkanlagen folgten schon im … Weiterlesen

GesprĂ€ch mit Experten – Dr. Kilian Jost zum historischen Grottenbau

Dr. Kilian Jost ist Architekturhistoriker und Experte fĂŒr historische Gartenkunst. In seiner Doktorarbeit und seinen Publikationen widmet er sich den vergessenen Bautechniken, geologischen Vorbildern und den kulturellen Stellenwert der kĂŒnstlichen Felsenlandschaften des 19. Jahrhunderts. Im GesprĂ€ch erlĂ€utert er, warum aufwendige Konstruktionen wie Grotten, WasserfĂ€lle und Felsen in Park- und Gartenanlagen dieser Zeit weit mehr waren als Dekoration und warum ihr Erhalt heute von großer Bedeutung ist. Das Bauen von Bergen, Grotten und kĂŒnstlichen WasserfĂ€llen war eine der Hauptaufgaben der Gartenkunst; kĂŒnstliche Felsenlandschaften sind zentrale Motive landschaftlicher GĂ€rten. Die Planung und Konstruktion gebauter Naturformen wurde beeinflusst von geologischen Kenntnissen und der Entwicklung neuer Baumaterialien wie Rabitz und Portlandzementen. Schon frĂŒh wurden konstruierte Bergerlebnisse sogar mit unterschiedlichen Ton- und Lichteffekten perfektioniert – ein Fortleben der Naturinszenierungen findet sich in den VergnĂŒgungsparks um 1900, dort wurden sie in Grotten- und Gebirgsszenerien befahrbar. Dr. Jost, ich danke Ihnen vielmals fĂŒr Ihre Zeit und die Beantwortung der Fragen. Das Thema ist hochspannend und betrifft ebenfalls den heutigen Umgang mit diesem Erbe. Sie haben 2015 Ihre Dissertation „Felsenlandschaften – Eine Bauaufgabe des 19. Jahrhunderts“ ĂŒber gebaute Berge, Grotten und WasserfĂ€lle – also ĂŒber Naturimitationen in damaligen GĂ€rten und Parks geschrieben und viel dazu geforscht. Wie kamen Sie zu diesem Thema? An der Eidgenössischen Technischen Hochschule-ZĂŒrich gab es ab 2012 das vom Schweizer Nationalfonds geförderte Forschungsprojekt „Zur Ikonographie der Alpenlandschaft. Kunstberge und Kunsthöhlen“ und mit diesem Projekt verbunden auch eine Doktorandenstelle, auf die ich mich beworben habe. Mir hat das Thema gefallen, weil ich schon immer ein Faible und Interesse fĂŒr historische Parks und GĂ€rten hatte und auch, weil gebaute Naturimitationen im Garten zunĂ€chst eher ungewöhnlich, vielleicht sogar etwas skurril anmuten. Daher ist auch die Gruppe der Forschenden zu diesen Themen sehr klein, man kennt eigentlich schnell alle relevanten Forschungen. Dabei ist das Forschungsfeld an sich sehr groß und es gibt noch viel zu entdecken und auszugraben, denn Gartengeschichte ist Ideengeschichte und sagt viel ĂŒber die jeweilige Epoche aus. Sie erwĂ€hnen in der Einleitung Ihrer Doktorarbeit, eine Gartengeschichtsschreibung. Können Sie uns bitte erklĂ€ren, was Sie damit meinen? Was können wir uns darunter vorstellen? Die Geschichte der Gartenkunst ist ein Teilbereich der Kunstgeschichte. Wie zur Kunst oder Architektur wird auch zum Garten und seiner Gestaltung im Laufe der Jahrhunderte geforscht. Zu verschiedenen Zeiten und in verschiedenen Regionen der Erde herrschen jeweils typische Gestaltungsformen vor. In Europa sind diese Gestaltungen grob nach Epochen oder auch dem Land ihrer Entstehung benannt worden wie der Typus des Renaissancegartens (auch Italienischer Garten), des Barockgartens (auch Französischer Garten) oder des Landschaftsgartens (auch Englischer Garten). Mit diesen Bezeichnungen wird das Typische betont, diese Gartenmoden treten in verschiedenen LĂ€ndern Europas allerdings nicht gleichzeitig, sondern zeitlich versetzt auf. Interessant ist hier der Weg der gegenseitigen Beeinflussung und nationalen Vereinnahmung der Stile bis hin zu „patriotischen“ GĂ€rten. In allen Gartenformen ist stets das VerhĂ€ltnis von menschlichem Gestaltungswillen zum lebendigen Material festzulegen, das VerhĂ€ltnis von Kunst zu Natur. Folgte das Anlegen von GĂ€rten und Parks bestimmten Gestaltungsregeln? Die ideale Gartengestaltung der unterschiedlichen Epochen ist jeweils an einem anderen Punkt im Spannungsfeld zwischen Natur und Kunst angesiedelt. GĂ€rten der Renaissance und des Barock sind stark architektonisch gestaltet und unterwerfen sich Geometrie und Symmetrie. Bekannte Beispiele sind die GĂ€rten der Villa d’Este in Tivoli (Italien) fĂŒr die Renaissance und vom Schloss Versailles (Frankreich) fĂŒr das Barock. Der Landschaftsgarten imitiert hingegen die Natur mit einer scheinbar ungeplanten NatĂŒrlichkeit, die jedoch wie ein GemĂ€lde fĂŒr die Tiefenwirkung aus Vorder-, Mittel- und Hintergrund und fĂŒr die harmonische Wirkung in Ă€sthetischen Proportionen wie dem goldenen Schnitt komponiert wird. Bekanntestes Beispiel ist hier der Garten von Stourhead (Groß-Britannien). Allen gemeinsam ist eine geplante WirkungsĂ€sthetik, die mit Abwechslungsreichtum, Blickachsen und einer gezielten BesucherfĂŒhrung arbeitet. Die Gestaltungsregeln sind dabei zum Teil vollkommen gegensĂ€tzlich. So liegen Blickachse und WegefĂŒhrung im architektonischen Garten ĂŒbereinander, im Landschaftsgarten werden Wege und Blicke verschieden gefĂŒhrt, um mehr Abwechslung zu erzeugen. Die Grotten liegen im Landschaftsgarten eher versteckt am Rand und nicht mehr wie in den Epochen zuvor zentral oder am Ende einer Blickachse. In Ihrer Forschung spezialisieren Sie sich auf den Bau von Felsenlandschaften. Waren die Bauten damals weit verbreitet? Aber ja, es gibt einen absoluten Trend im 19. Jahrhundert! KĂŒnstliche Grotten waren zwar schon in der SpĂ€tantike beliebt und gehören spĂ€testens seit der Renaissance zum festen Bestandteil einer Gartengestaltung. Aber im sogenannten langen 19. Jahrhundert – also die Zeit von der Französischen Revolution bis zum Ersten Weltkrieg – wird das Thema noch einmal völlig neu interpretiert und in jeder Garten- oder Parkanlage ein Muss! In dieser Zeit entstehen die modernen Naturwissenschaften, allem voran die Geologie. Bis dahin hatte man Gebirge wie die Alpen nur als unwirtliche und ebenso unĂ€sthetische Orte wahrgenommen. Die zunehmende BeschĂ€ftigung mit diesen Landschaften erzeugte in immer weiteren Kreisen Interesse und sogar eine neue Ă€sthetische Kategorie als Gegensatz zur Schönheit. Das Erhabene – als neue Kategorie – bezeichnet keine Ausgewogenheit oder Symmetrie, sondern es erzeugt Ehrfurcht und sogar Schauder und Schrecken. Die wissenschaftlichen Erkenntnisse und der Hunger nach dem Erhabenen befördern den Bau kĂŒnstlicher Grotten und Felsen, die immer natĂŒrlicher gestaltet wurden – damals naturwahr genannt. Naturwahrheit war auch ein erklĂ€rtes Ziel der LandschaftsgĂ€rten, die in dieser Zeit Mode waren. KĂŒnstlich errichtete aber natĂŒrlich wirkende Felsen und Grotten passten also hervorragend zu den kĂŒnstlich geschaffenen Parklandschaften, in denen eine mit Muscheln und Glasmosaiken ausgestattete architektonische Grotte wie in der Renaissance nur als Fremdkörper wahrgenommen worden wĂ€re. Welche funktionale und Ă€sthetische Bedeutung hatten die Grottenanlagen? Dienten diese hauptsĂ€chlich zur Zierde? KĂŒnstliche Felsenlandschaften wie Grotten oder auch WasserfĂ€lle waren ein enormes Prestigeobjekt. Auch in einer versteckten Lage bilden sie den Höhepunkt der Anlage. Oft flossen zwei Drittel der Kosten der gesamten Gartenanlage in diese Gestaltungen. Insbesondere WasserfĂ€lle waren ein enormer Kostenfaktor wegen der Herleitung des Wassers und der Anschaffung und den Unterhaltskosten einer Dampfmaschine oder Pumpe. Diese Gestaltungen hatten demnach eine deutlich höhere Bedeutung, als wir ihnen heute zusprechen wĂŒrden. Den Nutzen betreffend gibt es im Wesentlichen zwei Ebenen. Zum einen bewies man wie bei anderen Gartenstaffagen auch seinen Bildungsstand. Eine Felsenlandschaft konnte als Anregung fĂŒr GesprĂ€che z.B. ĂŒber … Weiterlesen

Aus der Presse – Beitrag von Ernst Kiesling zum Gohliser Schloß

Mit sichtlichem Eifer ist unsere Zeit bemĂŒht, Kunstwerke frĂŒherer Zeiten zu sammeln, alte BaudenkmĂ€ler vor dem Verfall zu bewahren und soviel als möglich davon zu retten, was entweder durch die Greuel des Krieges oder den Unverstand gelitten. So ist es denn auch mit Freuden zu begrĂŒĂŸen, daß das vom ehemaligen Kammerrath und Rathsbaumeister Caspar Richter in den Jahren 1755-1756 erbaute Gohliser Schloß durch den hiesigen Architekten Alfons Berger einer durchgreifenden Renovation unterzogen und somit auf lange Zeit hinaus aufs Neue gefestigt worden ist. Ueber die Geschichte dieses interessanten Bauwerkes ist bereits frĂŒher an dieser Stelle berichtet worden; nur soviel sei heute noch ergĂ€nzend hinzugefĂŒgt, daß das Schloß nebst dazu gehörigem Gut (das Ganze wird bezeichnet als „Thurmgut“) im Jahre 1863 durch Kaufmann Nitzsche von dem damaligen Besitzer Domherrn von Alvensleben erworben wurde. Eine Zeit lang im Besitze der Nitzsche‘schen Erben, ging das Schloßgut am 1. Januar 1900 in die HĂ€nde des Herrn Amtmanns Carl Georg Nitzsche, RittergutspĂ€chters auf Thonberg, ĂŒber. Ende Juni 1900 wurde auf dem Gut der landwirthschaftliche Betrieb eingestellt und im darauf folgenden Monat mit den Abbruchsarbeiten der dem Schlosse vorgelagerten ViehstĂ€lle und Scheunen, sowie mit der Renovation des Schlosses selbst begonnen. In vergangener Woche sind die Ausschachtungsarbeiten in Angriff genommen worden, welche sich fĂŒr die AusfĂŒhrung der neuen Baulichkeiten nöthig machten, die das Schloß nach der Menckestraße zu umrahmen werden. Diese GebĂ€ude werden sich den Architekturformen des Schlosses in feinsinniger Weise anschließen und mit demselben ein reizvolles architektonisches Gesammtbild darbieten. Zu besonders wirkungsvoller Geltung wird jedoch die eigentliche, nach dem Poetenweg gelegene Hauptfaçade des Schlosses gelangen, wenn erst die bereits in Aussicht genommene Umwandlung dieses bisherigen FußgĂ€ngerweges in eine Straße durchgefĂŒhrt worden ist. Der eigenartige Reiz, welchen die Rococoarchitektur birgt und der namentlich in der ĂŒberaus wirksamen malerischen Gruppirung seiner Bautheile beruht, wird nach dieser Seite, erhöht durch die landschaftliche Umgebung, zu schönstem Ausdruck kommen. Die vor Kurzem vollendete Renovation des Schlosses zeigt, in wie pietĂ€t- und verstĂ€ndnißvoller Weise abgebrochene und theils zerstörte Details der Architektur wieder angebracht und ersetzt, und auch das Innere durch Wiederherstellung in der ursprĂŒnglichen Form, durch Restaurirung der Malereien, Befreiung der kĂŒnstlerisch durchgefĂŒhrten ThĂŒr- und FensterbeschlĂ€ge von dem ĂŒberdeckenden Anstrich, der ErgĂ€nzung der schmiedeeisernen Gitter und ThĂŒren, aufs Neue gewonnen hat. Ein hervorragendes Interesse der inneren Ausstattung des Schlosses nimmt der von Adam Friedrich Oeser mit Malereien decorirte Festsaal in Anspruch. Diese Malereien sind auf Veranlassung des damaligen, durch seine Beziehungen zu Goethe bekannten Professors und Hofraths Johann Gottlieb Böhme entstanden. Kreuchauff schreibt in seiner Abhandlung „Oeser‘s neueste AllegoriegemĂ€lde“ (Leipzig 1782, Seite 45-52) darĂŒber: „Hier hat sich eine der Bestimmung des Ortes und der WĂŒrde des Besitzers gemĂ€ĂŸe Mahlerey an Decken und WĂ€nden ausgebreitet. Der Pinsel tĂ€uscht an den WĂ€nden das Auge durch architektonische Decorirung. Die Ordnung ist ionisch, die CapitĂ€le der umher vertheilten Pfeiler antik: die in der Manier des De Witt gemalten BĂŒsten und Genien, an den Kaminen und ThĂŒrstĂŒcken haben, wie die Blumen, FrĂŒchte und alle an den Schlußsteinen der Arkaden angebrachten Ornamente, Beziehungen auf die an der Decke ausgefĂŒhrten Ideen. Hier, wo sich der Bau mit einer Galerie ĂŒber seiner Kuppel endigt, welcher eine einfache Mosaik die edelste Zierde giebt, ist dem Auge und Geiste eine neue ernstlichere BeschĂ€ftigung angewiesen. „Nimm, edle Seele“, sagt das GemĂ€lde, „des Lebens rechten Zeitpunct wahr, in welchem Du am fĂ€higsten bist, Wahrheiten zu erforschen, und durch die Erkenntnis weise und glĂŒcklich zu werden!“ Hierauf beschreibt Kreuchauff das GemĂ€lde eingehend, dessen Inhalt hier nur kurz angedeutet sei: Die Betrachtung zieht der Natur von der denkenden Seele den Schleier zurĂŒck. Psyche entschwebt mit dem Mittag des Lebens, in Gestalt des Sonnengottes, in lichtvolle Höhen; ihre Erzieherinnen, die Musen, und deren schĂŒtzende MĂ€chte, Apollo und Herkules (Verstand und Tugend) unter sich lassend. Oeser‘s Stellung in der Kunstgeschichte ist lĂ€ngst gekennzeichnet, und so wissen auch wir heute, daß seinem Werke ein mehr kunsthistorischer als kĂŒnstlerischer Werth innewohnt. Treffender als Chodwiecki es gethan, kann man seine kĂŒnstlerische ThĂ€tigkeit nicht charakterisiren, und deshalb möge sein Urtheil hier Platz finden. Er sagt u. A.: „Man sieht es dem Manne an, daß er viel Genie hat, aber die Cultur desselben vernachlĂ€ssigt hat; in seinen Köpfen ist großer Sinn, aber keine Physiognomie, es ist nur der Gedanke eines Gesichts, ĂŒberhaupt nichts Individuelles. Eben das findet man auch in seinen Figuren, es ist eine Idee von schöner Natur darinnen, zuweilen gut, zuweilen auch sehr fehlerhaft gezeichnet und ohne alle PrĂ€cision.“ …. Die beiden Wandbilder mit landschaftlichen Motiven, die „Wartburg“ und den „KyffhĂ€user“ darstellend, rĂŒhren von der Hand des frĂŒheren Leipziger Malers Cellarius her, desselben KĂŒnstlers, der die Decken- und Wandbilder im „CafĂ© Français“ ausgefĂŒhrt hat. Die beiden hier in Frage kommenden Bilder sind sehr geschickt behandelt und von guter Gesammtstimmung, freilich ebenfalls ohne tieferen kĂŒnstlerischen Werth. Die Renovirung sĂ€mmtlicher Malereien ist vom Dekorationsmaler Schweikart ausgefĂŒhrt. Von Ernst Kiesling. Das Gohliser Schloß, in: SLUB Dresden. Leipziger Tageblatt und Anzeiger vom 14. Juli 1901, S. 5058.

Neues DeckengemĂ€lde – Realisierung der Idee nach 100 Jahren

Im Zuge der Errichtung des Leipziger Musikpavillons im Jahr 1912 war eine Deckenmalerei vorgesehen, um die kĂŒnstlerische Gesamtwirkung des Konzertpavillons zu steigern. Aus KostengrĂŒnden wurde die Idee zu dem Zeitpunkt noch nicht umgesetzt. Erst im Jahr 2012, nach 100 Jahren, ist die Idee eines DeckengemĂ€ldes auf Initiative des PĂ€chters Eberhard Wiedenmann im Rahmen eines Studienprojektes der Fachklasse II der Malerei an der Hochschule fĂŒr Grafik und Buchkunst verwirklicht worden. Dies geschah in Zusammenarbeit mit den zustĂ€ndigen Ämtern der Stadtverwaltung, das Amt fĂŒr StadtgrĂŒn und GewĂ€sser und der Denkmalpflege. WĂ€hrend der Umsetzung erhielten die Studierenden fachkundige UnterstĂŒtzung von den Mitarbeitern der zustĂ€ndigen Ämter, um die zeitgenössische Kunst und die Geschichte des Kulturstandortes auf kĂŒnstlerische und ausdrucksstarke Weise zu verbinden. Die Leipziger Denkmalpflege legte besonderer Wert auf eine angemessene und qualitativ hochwertige AusfĂŒhrung der Deckenmalerei auf hohem kĂŒnstlerischem und inhaltlichem Niveau. Dem Umsetzungsvorschlag stimmte in letzter Instanz die obere Denkmalschutzbehörde in Dresden als „Maßnahme der gestaltenden Denkmalpflege“ final zu. Die Realisierung des 48 Quadratmeter großen Bildes, unter der Leitung von Christian Weihrauch und Professor Heribert C. Ottersbach, dauerte sieben Wochen. Es zeigt das GelĂ€nde um den Musikpavillon herum, den ehemaligen Ausstellungspark zur SĂ€chsisch-ThĂŒringischen Industrie- und Gewerbeausstellung (STIGA) von 1897. Dabei werden grafische Linien und farbige Strukturen verwendet, um eine kĂŒnstlerische Darstellung der Topografie unter freiem Himmel im Zentrum der kĂŒnftigen Parkanlage zu betonen. Am 14. September 2012 wurde im Rahmen der 100-jĂ€hrigen JubilĂ€umsfeier des Musikpavillons das neue DeckengemĂ€lde im heutigen Clara-Zetkin-Park offiziell eingeweiht. Über 600 GĂ€ste erlebten einen besonderen Jubeltag, der ohne das bĂŒrgerschaftliche Engagement des PĂ€chters möglicherweise nie zustande gekommen wĂ€re. Nach finanziellen Schwierigkeiten der Stadt und der Gefahr des Einsturzes sollte der Musikpavillon nach 1990 eigentlich abgerissen werden und verfiel in einen unsicheren Dornröschenschlaf. Die Stadtverwaltung plante sogar den Neubau eines zweckmĂ€ĂŸigen GebĂ€udes als Ersatz. Doch 2004 gelang ein Neuanfang fĂŒr das Kulturdenkmal durch den PĂ€chter Eberhard Wiedenmann. Mit Mut und Durchhaltevermögen gelang es ihm und seinem Team gemeinsam mit UnterstĂŒtzern wie den zustĂ€ndigen Ämtern der Stadtverwaltung, dem ArchitekturbĂŒro Roland Keil und der Fachklasse der Malerei an der Hochschule fĂŒr Grafik und Buchkunst, den Leipziger Musikpavillon denkmalgerecht zu sanieren, zu modernisieren und die ursprĂŒngliche Idee fĂŒr eine hochwertige Deckenmalerei erfolgreich umzusetzen. In ihrer Rede wĂŒrdigte Amtsleiterin Inge Kunath, Amt fĂŒr StadtgrĂŒn und GewĂ€sser, dieses Engagement und weihte gemeinsam mit PĂ€chter Eberhard Wiedenmann und Professor Heribert C. Ottersbach von der Hochschule fĂŒr Grafik und Buchkunst das neue DeckengemĂ€lde unter dem Applaus der anwesenden GĂ€ste ein. Die Studentinnen und Studenten erfĂŒllten die Anforderungen einer Umsetzung auf hohem kĂŒnstlerischem und inhaltlichem Niveau zur Zufriedenheit aller Beteiligten. Im weiteren Verlauf der Jubelfeier erhielt die Notenspur-Initiative eine großzĂŒgige Spende aus dem Eisverkauf der speziell fĂŒr den Anlass kreierten Notenspur-Eiskreation des San Remo EiscafĂ©s. Das WestsĂ€chsische Symphonieorchester bot ein beeindruckendes JubilĂ€umskonzert zu Beginn ihres eigenen Jubeljahres. Das Abschlussspektakel wurde von den drei Musikern des Klangprojekts um Thomas Feist (MdB), dem damaligen Schirmherrn des Musikpavillons, dargeboten. Ihre spirituell reiche und frei komponierte Musik wurde begleitet von einem beeindruckend orchestrierten Feuerwerk von Fire & Magic am Ende der Feier. Siehe Musikpavillon im König-Albert-Park – Chronik 1908-1921

Aus der Presse – Über den Kunstbau im Krystallpalastgarten

Die Stimmung, in welcher der Wanderer, der Reisende eine Stadt betritt, oder in welcher sie daheim wieder in seiner Erinnerung erscheint, sie hĂ€ngt, das weiß ja jeder, zum guten Theile von dem Bilde ab, mit welchem das vor den Blicken austauchende HĂ€usermeer sich auf dem landschaftlichen Hintergrunde oder auf dem hellen Himmel in seinen Umrissen abzeichnet. Diese sogenannte „Silhouette“ verrĂ€th ja auch zum guten Theile dein Nahenden den Charakter der Stadt. Durch die Gestaltung dieser Silhouette, durch die rhythmisch abgewogene Unterbrechung der, der Natur der Sache nach fast gleichhohen, horizontalen HĂ€userdachreihen von Thurm- und Kuppelanlagen ist ja auch die Schönheit aller vielgerĂŒhmten StĂ€dteansichten bedingt. Manchem Leser schwebt wohl die herrliche, thurmreiche Flußansicht Kölns und dagegen die ziemlich öde, thurmarme Flußansicht Frankfurts a. M. vor dem inneren Auge. Leipzigs Silhouette hatte in der letzten Zeit fĂŒr den außerhalb stehenden Beschauer nach den verschiedensten Richtungen hin eine bedeutende Verschönerung erfahren durch die Anlage des stattlichen Thurmes der Reudnitzer Kirche, durch den ebenso gewaltigen wie schönen Petrikirchthurmbau und den schmucken, schlanken Lutherkirchthurm. Jetzt beginnt sich dieselbe geradezu malerisch zu gestalten durch das jĂŒngst erfolgte Hinzutreten des in dem bis dahin noch etwas eintönig umrissenen Nordosten der Stadt aus dem Boden des Krystallpalastgartens sich erhebenden mĂ€chtigen Kuppelbaues der Albert-Halle. Dieses herrliche Bauwerk, im Stile der ganz eigenartigen Renaissance unserer Tage gehalten, wie sie sich unter dem Einflusse der heutigen BedĂŒrfnisse und VerkehrsverhĂ€ltnisse und aus der Natur unserer hochentwickelten Bautechnik, vornehmlich der Eisenconstruction herausgebildet hat, beherrscht aber auch den Ausblick von gar manchem Puncte innerhalb der Stadt aus, besonders auf dem Theile der Promenade in der NĂ€he der Bahnhöfe. In ĂŒberwĂ€ltigender FĂŒlle jedoch entfaltet es seine Schönheit und Macht vor den Augen desjenigen, welcher aus dem alten Bau des SchĂŒtzenhauses in den Krystallpalastgarten tritt. Hier bildet es in: Anschlusse an die in den Garten zur Rechten und Linken umfassenden Colonnaden den hochmonumentalen hinteren Abschluß. Vor die Mitte des in kĂŒnstlerisch edlen Formen und kĂŒhn auf zwölfeckigem Grundrisse emporstrebenden Rundbaues lagert sich breit ein mĂ€chtiges von doppelten SĂ€ulenstellungen flankirtes Portal, bekrönt von einer Kolossal-Quadriga, einer ein schnaubendes Rosse-Viergespann lenkenden, mit Lorbeer und Palme als Siegerpreis winkenden, idealen Frauengestalt. Diese effectvolle plastische Portalbekrönung ist zugleich der symbolische Hinweis auf eine der hauptsĂ€chlichsten Bestimmungen des Bauwerkes, nĂ€mlich auf die der VorfĂŒhrung hyppologischer Kunstleistungen, freilich nicht die einzige. Denn es war fĂŒr die Gestaltung der Albert-Halle die Idee des Besitzers maßgebend, einen möglichst großen Raum zu schaffen, zunĂ€chst allerdings fĂŒr AuffĂŒhrungen der Kunstreiterei, zugleich jedoch auch fĂŒr großartige musikalische und rhethorische VorfĂŒhrungen. Ueberdies sollte aber der Raum auch in den Zwischenzeiten zwischen diesen Benutzungen auf alle FĂ€lle einen zugkrĂ€ftigen Vereinigungspunct und Erholungsort nicht nur fĂŒr die hiesige Bevölkerung bilden, sondern auch fĂŒr die verwöhntesten Fremden. So entstand ein Project, wie es wohl hier ĂŒberhaupt zum ersten mal ausgefĂŒhrt ist, nĂ€mlich das, ĂŒber einem weitrĂ€umigen Circus noch einen nahe ebenso großen Raum in Form eines Obergeschosses zur Aufnahme von Panoramen oder Dioramen im grĂ¶ĂŸten Maßstabe anzulegen. Im vorliegenden Falle entschloß man sich von dem altgewohnten vollstĂ€ndigen Randbilde oder Panorama abzugehen und dafĂŒr eine Reihe einzelner, und zwar hier sieben, sogenannter Dioramenbilder zu schaffen.Der Kolossalbau wurde von dem schon durch manche schöne, gediegene Schöpfung bekannten Leipziger Architekten Arwed Roßbach in wirklich genialer, den feinfĂŒhligen KĂŒnstler in jedem Zuge offenbarender Weise geschaffen und von ihm nach seinem Plane in dem geradezu unbegreiflich kurzen Zeitraume von nur neun Monaten verwirklicht. Diese letztere Leistung war natĂŒrlich nur möglich durch die wirklich fabelhafte, bis an die Grenze des Möglichen gehende LeistungsfĂ€higkeit und TĂŒchtigkeit unserer Leipziger Gewerken, wo es gilt, durch energisches Zusammenwirken etwas wahrhaft Großes zu rechter Zeit fertig zu stellen. Die erwĂ€hnte Gliederung des Baues in einen untern Raum fĂŒr AuffĂŒhrungen und den oberen Dioramenraum prĂ€gt sich natĂŒrlich auch in der Ă€ußeren Gestaltung aus, die nun zunĂ€chst weiter in das Auge gefaßt werden soll. Im Erdgeschoß lehnen sich an die beiden Seiten des gedachten Portalbaues SĂ€ulenhallen an, welche im Parterre als bedeckte ZugĂ€nge zum Circusbau dienen, wĂ€hrend sie oben aus ihrer flachen Verdachung weite, mit LorbeerbĂ€umen und anderem GrĂŒn geschmĂŒckte, terrassenartige PlĂ€tze bilden, die sich wieder an die ObergeschoßrĂ€ume des alten SchĂŒtzenhausbaues anschließen. Zugleich bieten diese Terrassen gerĂ€umige RettungsplĂ€tze fĂŒr den möglichen Fall einer schnell entretenden Panik. Der auf dem Circusraum als Obergeschoß sich erhebende Dioramenbau erscheint an seinen zwölf Ă€ußeren MauerflĂ€chen durch Wandmalereischmuck wie von Teppichen ĂŒberspannt, wodurch, da eine Gliederung dieser großen FlĂ€chen durch Fensteröffnungen der dahinter liegenden Dioramenbilder wegen nicht möglich war, einmal die Leere und Eintönigkeit vollstĂ€ndig vermieden wird. Vor allem wird aber auch andererseits dem gewaltigen Bau dadurch der Charakter des Leichten, ja Luftigen gegeben, ohne daß der Eindruck der Festigkeit irgendwie zu Schaden kĂ€me, denn dieser findet ganz wie in der Gothik seinen völlig beruhigenden Ausdruck in den Eisenpfeilern der zwölf Ecken, welche mit ihren dort vor die UmfassungswĂ€nde tretenden, und in ganz organischer Weise wie von selbst sich auch zugleich schön ornamental gestaltenden und Strebesysteme bildenden Versteifungen dem Bauwerk Stand und Halt geben und Last wie Seitenschub der mĂ€chtigen Kuppel aufnehmen. Auf dem die Umfassungsmauer in weiter krĂ€ftiger Ausladung und schöner Profilirung wirkungsvoll abschließenden Hauptsims erhebt sich ĂŒber den zwölf Ecken ein Kranz von schlanken Fahnenstangen und lĂ€ĂŸt das unten standfest GegrĂŒndete zu oberst in zwölf luftig flatternden Wimpeln harmonisch ausklingen. Die der Dioramenbilder wegen von einem breiten ringförmigen Oberlicht durchbrochene Kuppel findet ihren Abschluß in einer geschmackvoll silhouettirten tempelartigen Laterne, die ihrerseits als Bekrönung das auf so hochragendem Standpuncte fernhin sichtbare, alte bekannte Wahrzeichen des SchĂŒtzenhausgartens trĂ€gt, einen die Weltkugel auf seinem Nacken tragenden Atlanten. Diese Laterne ist verglast und aus ihrem Inneren heraus senden des Abends Hunderte von elektrischen GlĂŒhlichtern ihre blitzenden Strahlen weithin ĂŒber die Stadt und in die weite Ferne, um als Leitstern zu dienen fĂŒr alle die, welche hier, seien sie fremd, seien sie einheimisch, nach ernster Tagesarbeit eine Stunde froher Erholung suchen. Der eigentliche Circusraum, oder besser gesagt die „Alberthalle“, hat einen inneren Durchmesser von 43 Meter und faßt 3000 streng amphithetralisch angeordnete bequeme SitzplĂ€tze. In reichster Weise ist fĂŒr Zu- und AusgĂ€nge gesorgt, so daß jeder derselben nie mehr … Weiterlesen

Aus der Presse – Die Gewerke beim Bau der Albert-Halle

Oberhalb des Dioramas befindet sich noch ein etwa 500 Quadratmeter einnehmender freier Raum, der zu Ausstellungszwecken sehr geeignet erscheint. Der Zugang zum Aussichtsthurm – es sind noch 19 Meter bis da hinauf – ist zur Zeit noch nicht angelegt. In unmittelbarer Verbindung mit dem Circus steht das KĂŒnstlerhaus mit dem Eingang von der Gartenstraße; von der Anlage eines Hotels wurde aus verschiedenen GrĂŒnden abgesehen. Als Hauptzugang fĂŒr das artistische Personal und fĂŒr die EinfĂŒhrung des zum Circusbetrieb benötigten Materials wird die von der Georgenstraße hereinfĂŒhrende Passage benutzt werden. Zum Betrieb der elektrischen Beleuchtung und zur Speisung der sich ĂŒber alle RĂ€ume verbreitenden Dampfheizung ist eine Dampfmaschine von 180 PferdekrĂ€ften mit zwei riesigen Kesseln aufgestellt worden. Drei Dynamomaschinen erzeugen die zur Beleuchtung nöthig werdenden elektrischen Ströme. Die Verwendung der Albert-Halle wird eine ihren Einrichtungen angemessene vielseitige sein. ZunĂ€chst dient sie als Circus; fĂŒr die Dauer der gegenwĂ€rtigen Messe ist Altmeister Renz mit dem ganzen Apparat seiner kĂŒnstlerischen und hippologischen KrĂ€fte hier eingetroffen, um am ersten Osterfeiertage seine Vorstellungen zu beginnen. Mit großer Spannung sieht Leipzigs Bewohnerschaft seinem Auftreten entgegen. Sind doch viele Jahre verflossen, seitdem er zuletzt hier seine Leistungen vorfĂŒhrte. Diesmal kommt Renz wieder mit vollen HĂ€nden, mit vielen Neuheiten, mit 140 Pferden und mit einem wohl 40 graziöse TĂ€nzerinnen umfassenden Ballet von besonderem Ruf. Die Anordnungen fĂŒr die Verwendung der Albert-Halle sind so getroffen, daß, sobald der Circus aufgehört hat, Circus zu sein, ein vollstĂ€ndig neues Haus in idealem Sinne an dessen Stelle tritt, ein Concerthaus, noch mehr Menschen fassend, als ersterer, also etwa 4500, da der Mittelraum zu ebener Erde dann mit fĂŒr das Publicum benutzt werden kann. Hier sollen nur Concerte in edlem Stile abgehalten, Ă€hnlich wie solche Mansfeld und Bilse zu veranstalten pflegen. FĂŒr diese, wie fĂŒr SĂ€ngerfeste, steht eine große auf Rollen direct in den Raum vor dem Orchester zu bewegende Orgel in Bereitschaft. FĂŒr Sportfeste, fĂŒr Radfahrer-Rennen, fĂŒr Schauturnen hat die große Arena hinreichend Platz, gewĂ€hrt der Zuschauerraum den denkbar gĂŒnstigsten Versammlungsplatz aller fĂŒr solche Veranstaltungen empfĂ€nglichen und interessirten Kreise. Soll ein großes Ballfest abgehalten werden – vielleicht im Stil der BĂ€lle des Albertvereins – so erhĂ€lt die Arena in kĂŒrzester Zeit den bereits fertig gestellten Parquetboden, eine große Freitreppe wird aufgeschlagen und inmitten der herrlichen RĂ€ume kann sich ein Leben entfalten, wie es Leipzig wohl noch nie gesehen hat. FĂŒr große Ausstellungen sind nun zahlreiche und große RĂ€ume verfĂŒgbar. Kurz, der monumentale, dem VergnĂŒgen der Leipziger Bewohnerschaft gewidmete Bau trĂ€gt allen Anforderungen eines Riesenverkehrs Rechnung und es wird jedenfalls auch öfters sich ereignen, daß daselbst jene großen Congresse abgehalten werden, die in Deutschland so oft die Vertreter bestimmter Fach- oder Wissenschaftsgruppen einmal zusammenfĂŒhren. Dankbar mag an dieser Stelle noch des Schöpfers der PlĂ€ne zu diesem Riesenwerk, unseres auf dem Gebiete der Hervorbringung neuer großer Bauwerke bewĂ€hrten MitbĂŒrgers Herrn Architekt Arwed Roßbach, gedacht sein. Er hat in die von dem Unternehmer des Baues, Herrn Eduard Berthold, der mit kĂŒhnem Geiste und energievollem Handeln, unbeirrt um die Meinungen der Zweifler und Tadler, das Rechte erkannte und demnach Bedeutendes und Großartiges zum Ausgangspunct seiner Ziele machte, aufgestellten Generaldispositionen sich ganz und voll versenkt und das Unternehmen mit allen Mitteln seiner architektonischen Kunst und unter Heranziehung aller technischen Errungenschaften der Neuzeit so ausgefĂŒhrt, daß der vollendete Bau als eine hohe Zierde unserer Stadt seine Meisterschaft aufs Neue zu rĂŒhmen berufen ist. Wir haben bereits Gelegenheit genommen, den Leistungen derjenigen Industriellen und Gewerbetreibenden, welche bei den so vielseitigen Neuherstellungen im Krystallpalast betheiligt waren, die gebĂŒhrende Anerkennung zu zollen. Nur durch das einmĂŒthige Zusammenwirken aller dieser KrĂ€fte ist es möglich geworden, in der kurzen Spanne Zeit von 10 Monaten den Riesenbau zu vollenden. Zumeist sind es, was wir besonders hervorheben wollen, Leipziger Fabrikanten und Gewerbetreibende gewesen, denen die Arbeiten ĂŒbertragen waren und die damit bekundet haben, auf welcher hohen Stufe der LeistungsfĂ€higkeit unser heimisches Gewerbe steht. Wir geben nachstehend eine genaue Uebersicht aller bei den Neubauten im Krystallpalast betheiligten Techniker, Industriellen und Gewerbetreibenden: Die Krystallpalast in seiner neuen Gestalt. II., in: SLUB Dresden. Leipziger Tageblatt und Anzeiger. Samstagausgabe vom 9. April 1887, S. 1991.

Aus der Presse – Ernst Kiesling zur Malerei im Gesellschaftshaus

Die prĂ€chtige und vornehme Wirkung, welche das Innere des Gesellschaftshauses des Palmengartens auf den Beschauer ausĂŒbt, entspringt nicht allein den großangelegten VerhĂ€ltnissen der Architektur, der glĂŒcklichen Gruppirung der RĂ€ume, sondern nicht zum Wenigsten der von unserem heimischen Dekorationsmaler Richard Hesse ausgefĂŒhrten malerischen AusschmĂŒckung. Mit dieser Arbeit bietet Hesse nicht blos eine sehr beachtenswerthe Leistung moderner Raumausstattung, sondern er hat damit zu gleicher Zeit das malerisch am schönsten ausgeschmĂŒckte hiesige öffentliche Etablissement geschaffen. Wir betreten das an der westlichen Seite des GebĂ€udes gelegene VestibĂŒl, einen nach den inneren LocalitĂ€ten zu abgerundeten Raum, mit einer nach beiden Seiten ausladenden Freitreppe, deren Podeste, sowie die unteren Wandtheile in dunkelgrĂŒnem StĂŒckmarmor gehalten sind. Auf diesen krĂ€ftig getönten Unterbau erheben sich die ĂŒbrigen licht gehaltenen Wandtheile und darĂŒber breitet sich der klare unverzierte Deckenspiegel aus. An den WĂ€nden wĂ€chst ein Heckenmotiv mit seinen feinen VerĂ€stelungen, saftig grĂŒnen BlĂ€ttern und violetten BlĂŒthen hinauf. Die in Glasimitation ausgefĂŒhrten Fenster weisen FruchtgehĂ€nge auf. Bei der Grundstimmung der verschiedenen RĂ€ume fĂ€llt der Wechsel der Töne angenehm ins Auge. So ist der dem in kalten Tönen gehaltenen VestibĂŒl folgende EntrĂ©e-Saal vorwiegend in warmen, goldigen Farben gestimmt, wobei sich ab und zu an den aufsteigenden Wandfriesen ein stumpfes Bronzeviolett Geltung schafft. Die WĂ€nde zeigen stilisirte Baummotive mit Vögeln, wĂ€hrend die von einem Oberlicht eingenommene Decke wie ein Velarium gestaltet ist, ĂŒber welches stilisirte Luftlinien hinlaufen, zwischen denen Vögel schweben. Der große Festsaal ist naturgemĂ€ĂŸ am reichsten geschmĂŒckt. Die unten herumlaufende Wandverkleidung ist mit krĂ€ftig-rothem, palisanderfarbigem Linkrusta bedeckt, ĂŒber das auf ockerfarbigem Wandton ein goldbronzenes, engverbundenes Flechtwerk hinlĂ€uft und sich zu der, die Emporen mit der WandflĂ€che verbindenden Route erhebt. Die in warmen goldigen Umbratönen gehaltenen Galerien bilden gleichsam einen Abschluß fĂŒr die nun in lebhafteren Farben auftretenden Wandmalereien. Zwischen goldenen Pilastern spannen sich krĂ€ftiggrĂŒne Malachitfriese ein, die in ihren unteren Theilen vergoldete figĂŒrliche Medaillons tragen. Die den grĂ¶ĂŸten Raum der WandflĂ€chen einnehmenden mĂ€chtigen Bogenfenster lassen große Zwickel entstehen, auf welchen coloristisch feingestimmte malerische Darstellungen angebracht sind, welche die Tages- und Jahreszeiten versinnbildlichen; sie zeigen im Verein: Morgen und FrĂŒhling, Mittag und Sommer, Abend und Herbst und Nacht und Winter. Zu den von Schell in Offenbach ausgefĂŒhrten farbigen Glasfenstern hat Hesse gleichfalls die Cartons geliefert, die ĂŒber eine in reichem Blumenschmuck prangende Landschaft sich ausbreitende FrĂŒchte tragende BĂ€ume aufweisen. Die breiten, ĂŒber die Fenster sich ausspannenden Bögen sind mit mehrfarbigen Mosaikfriesen geziert. Die reichcassetirte Decke ist in tiefem, antikem Bronzeton gehalten, wobei einzelne Glieder mitunter durch eingelegte farbige Mosaiken verziert sind. Die Ruhe des Tons der Decke stimmt Ă€ußerst wohlthuend zu den auf den WandflĂ€chen angestimmten krĂ€ftigeren Farben. Die große, das Palmenhaus abschließende Spiegelglaswand ist in ihrem oberen Theile mit den Pflanzenmotiven der Distel und des Löwenzahns verziert. In scharfem Contrast zu diesem Raume steht der ganz licht, in Weiß, Blau und Silber gehaltene Speisesaal mit seiner Hellen Cassettendecke, ĂŒber deren Felder schwungvolle LinienzĂŒge laufen, wĂ€hrend aus den Ecken ein Eschenmotiv hervorwĂ€chst und die WĂ€nde zartgetönte Friese tragen. In dem Restaurationsraume klingen noch einmal krĂ€ftigere Farbenaccorde an. Ueber der mattgrĂŒnen Linkrusta-Lamperie erheben sich stilisirte, zusammengeraffte, mit einem Muster versehene Vitragen, die einen Blick in eine Landschaft eröffnen. Zu dem in den VerhĂ€ngen vorherrschenden Blau, dem GrĂŒn der Landschaft, stimmen die in sattem Roth durchgefĂŒhrten Architekturtheile ganz vortrefflich. Ueber die im japanischen Charakter gehaltene Decke ziehen sich Wolken und fliegende Vögel. Die einfacher ausgeschmĂŒckten Corridore und TreppenaufgĂ€nge zeigen ĂŒber einer in brĂ€unlichem Tone gehaltene Lamperie farbige Pflanzenmuster von Kiefern, Melonen, Palmen u. s. w. Eigenartig und wirksam ist das im Garten befindliche Orchester in seinem Innern ausgestaltet. Von einer in der Mitte sichtbaren Lyra schweben die drei Grazien, die SchnĂŒre in den HĂ€nden halten, die mit den ganz oben angebrachten schwingenden Glocken in Verbindung stehen. Unterhalb der Lyra breiten sich nach vorn zu durch Linien charakteristische Schallwellen aus. In der Mitte der kuppelartigen WandflĂ€che ziehen sich Notenlinien hin, die durch senkrecht durchschneidende, aus Schellen gebildete Friese unterbrochen werden. Die so entstandenen Theile tragen Hauptmotive der „Messe“ von Bach, der 5. Symphonie von Beethoven, dem Liede „Der Lindenbaum“ von Schubert und der Oper „Rheingold“ von Wagner. Von Ernst Kiesling. Die malerische AusschmĂŒckung des Gesellschaftshauses im Palmengarten, in: SLUB Dresden. Leipziger Tageblatt und Anzeiger vom 21. Mai 1899, S. 4022.

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