Gespräch mit Experten – Rolf Engelmann zum Botanischen Garten in Leipzig

Rolf Engelmann ist seit 2021 als Koordinator für Wissenstransfer im Botanischen Garten der Universität Leipzig tätig. Mit einem Studium zum Biologen in Halle und Leipzig bringt er fundiertes Fachwissen und eine Leidenschaft für die verständliche Vermittlung von Wissenschaft mit. Sein Fokus liegt darauf, den Botanischen Garten als lebendigen Ort des Austauschs und Lernens zu gestalten. Hier schafft er Bildungsangebote für Menschen jeden Alters und stärkt damit die Rolle des Gartens als Brücke zwischen Universität und Öffentlichkeit in einer der ältesten botanischen Einrichtungen Deutschlands.

Rolf A. Engelmann
Biologe und Koordinator für Transfer im Botanischen Garten der Universität Leipzig


Pflanzen sind bis heute in der Literatur allgegenwärtig. Diesem Thema hat sich Dr. Stefan Schneckenburger als Botaniker, Kustos und Direktor von Botanischen Gärten gewidmet. In diesem Buch erläutert Stefan Schneckenburger den botanischen und kulturellen Kontext. Besonders in den Werken von William Shakespeare spielen sie eine wichtige Rolle: Sie sind Symbole, interpretieren die Handlung und charakterisieren Personen.
Garten-Theater – Shakespeares grüne Welten.

wbg Academic in
Verlag Herder GmbH (Hrsg.)

ISBN: 978-3-534-27616-5
Auflage: 1. Auflage 2023
Maße: 17.9 x 22 cm x 3.9
Umfang: 680 Seiten
Gebundene Ausgabe
Hardcover

Preis: 72 Euro

Herr Engelmann, können Sie uns bitte erklären, welche Bedeutung der Botanische Garten für die Universität und die Stadt Leipzig hat?

Der Botanische Garten der Universität Leipzig ist ein Ort der Wissenschaft, also der Forschung und Lehre. Im Garten wird mit Pflanzen experimentiert, Pflanzen für Bestimmungskurse angezogen und unsere Pflanzensammlung dient im Rahmen der Ausbildung von Studierenden botanischen und vegetationskundlichen Führungen. Doch auch für die Menschen der Stadt Leipzig hat der Garten eine große Bedeutung. Als Grünes Schaufenster der Universität gestalten wir hier einen intensiven Austausch im Bereich des Wissenstransfers. Gemeinsam mit unserem Förderverein organisieren wir ein vielfältiges Jahresprogram mit Führungen, Exkursionen, Vorträgen, Pflanzenmärkten und Ausstellungen. Auch der Bildungsbereich im Botanischen Garten ist hervorzuheben: wir haben Angebote für alle Altersbereiche ob Kinder, Jugendliche oder Erwachsene.

Wie hat sich der Botanische Garten der Universität Leipzig im Laufe seiner Geschichte entwickelt?

Der Botanische Garten der Universität Leipzig gilt als der älteste Botanische Garten an einer Universität in Deutschland. Der Ursprung liegt im Jahr 1542 als das Dominikanerkloster St. Pauli mit dem zugehörigen Medizinal-Garten der damals noch jungen Universität Leipzig übertragen wurde. Bereits 1580 erfolgte eine Integration in die Lehre und Forschung der Universität mit der Ernennung von Moritz Steinmetz zum ersten Präfekten des Gartens. Im Lauf der Jahrhunderte wurde der Standort des Botanischen Gartens mehrfach verlegt und befindet sich nun seit 1877 am jetzigen Standort. Heute blicken wir im Botanischen Garten auf eine wechselvolle Geschichte zurück. In den über 450 Jahren seiner Existenz ist er Teil der wissenschaftlichen und kulturellen Identität der Universität Leipzig und der Stadt Leipzig geworden.

Ist sein Status als ältester Botanischer Garten in Deutschland gerechtfertigt?

Wie bereits verdeutlicht liegen die Anfänge des Gartens in der Mitte des 16. Jahrhunderts. In dieser Zeit sind auch die ältesten europäischen Botanischen Gärten Norditaliens in Pisa (1544), Padua (1545) und Bologna (1568) gegründet worden. Der Leipziger Botanische Garten ist somit keine Besonderheit, sondern unterstreicht die Bedeutung Botanischer Gärten bzw. Medizinalgärten für die Lehre und Forschung an den Universitäten zu der damaligen Zeit. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass der Leipziger Garten seitdem mehrmals umgezogen ist und die Schwerpunkte der Pflanzensammlung sich abhängig von den jeweils aktuellen Forschungsschwerpunkten verändert haben. Aus einem Medizinalgarten (lat. hortus botanicus) entwickelte sich ein Botanischer Garten, in dem heute die verschiedenen Facetten der Vielfalt im Pflanzenreich im Fokus stehen. Mit heute rund 6.300 verschiedenen Arten wollen wir als Garten der Vielfalt eine Brücke schlagen und vor allem botanisch-ökologische Themen im Kontext von Klimawandel, Transformation, Nachhaltigkeit oder Biodiversitätskrise betrachten.

Gibt es bestimmte Personen, die eine zentrale Rolle gespielt haben, die heute nicht vergessen werden dürfen?

Als Einrichtung mit so langer Geschichte ist es sicher nicht einfach einzelne Personen herauszustellen und gleichzeitig andere nicht zu würdigen. Diplomatisch ausgedrückt gibt es eine Vielzahl an Personen oder besser an Personengruppen, ohne die ein Botanischer Garten nicht erfolgreich arbeiten kann. Zu Nennen sind dabei an erster Stelle natürlich die Gärtnerinnen und Gärtner. Sie bringen gärtnerischen Sachverstand und Leidenschaft in unsere artenreiche Pflanzensammlung. In den früheren Jahrhunderten wurden sie, unterstützt von weiteren Personen, wie beispielsweise Heizern (lange Zeit wurden die Gewächshäuser des Botanischen Gartens mit Kohle beheizt) oder anderen Personen, die essentielle Hilfstätigkeiten ausgeführt haben. Ich stelle diesen Personenkreis ganz bewusst an den Anfang meiner Aufzählung, sie werden im Laufe der Geschichte mitunter zu selten gewürdigt – hier würde ich mich über neue Erkenntnisse und Anekdoten bei der Aufarbeitung unserer Geschichte sehr freuen. Des Weiteren hatten wir seit 1580 viele sehr namhafte Direktoren, die die Geschicke des Gartens maßgeblich prägten und nicht selten weltweit bekannte Botaniker ihrer Zeit waren. Doch auch die Garteninspektoren, heute eher als Betriebsleiter bezeichnet, gestalteten die Entwicklung des Botanischen Gartens über die Jahrhunderte und sind wichtige Brückenbauer zwischen Wissenschaft und gärtnerischer Praxis. Nicht zu vergessen sind auch die Kustoden, also die wissenschaftlichen Mitarbeiter des Botanischen Gartens. Sie betreuen die artenreiche Sammlung, organisieren den fachlichen Austausch mit anderen Botanischen Gärten und entwickeln die Sammlung des Botanischen Gartens stetig weiter.

Wie würden Sie die Pflanzensammlung des Gartens beschreiben?

Heute haben wir im Botanischen Garten rund 6.300 verschiedene Pflanzenarten in rund 10.000 verschiedenen Akzessionen. Grob könnte man sagen, dass die Hälfte der Arten im Freiland zu finden sind und die andere Hälfte der Arten unsere Gewächshäuser benötigt. Als „Garten der Vielfalt“ möchten wir die Vielfalt im Pflanzenreich in möglichst vielen Facetten erlebbar machen. Im System kann man sich mit der Verwandtschaft im Pflanzenreich beschäftigen, in den geographischen Abteilungen sieht man die Arten gleicher klimatischer oder geographischer Regionen und die biochemische Vielfalt ist in den Beeten des Apothekergartens ersichtlich. Hier sind die gezeigten Pflanzen nach ihren medizinisch genutzten Inhaltsstoffen sortiert.

Gibt es spezielle oder seltene Pflanzenarten, die im Botanischen Garten besonders hervorstechen?

Als Botanischer Garten liegt unserer Fokus auf Wildarten, das heißt Pflanzenarten, die so auch in der Natur vorkommen. Nur eine sehr untergeordnete Rolle spielen bei uns Sorten oder Züchtungen. Aus diesem Grund sind in unserer Sammlung mitunter sehr viele seltene und besonders interessante Pflanzen. Für unsere Besucher sind sicherlich solche Pflanzen von großem Interesse, die nicht vor unserer Haustür in der Natur oder im Garten wachsen. Ich denke hier beispielsweise an Palmen, die Riesenseerose oder auch das Mammutblatt – alles Pflanzen die Staunen und Interesse wecken.

Arbeiten Sie dabei mit anderen Forschungseinrichtungen zusammen?

Ja, in allen Belangen. Zuerst einmal ist der Botanische Garten mit der Arbeitsgruppe Spezielle Botanik und Funktionelle Biodiversität verknüpft, arbeitet aber auch mit anderen Arbeitsgruppen der Universität Leipzig zusammen. Darüber hinaus betreibt das Deutsches Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) Halle-Jena-Leipzig ein Forschungsgewächshaus im Botanischen Garten. Zusätzlich gibt es gemeinsame Projekte mit dem Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ), der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzig (HTWK) oder auch mit der Hochschule für Grafik und Buchkunst (HGB) um hier die wichtigsten Akteure aus Leipzig zu nennen. Auch erwähnen möchte ich hier die Zusammenarbeit mit anderen Botanischen Gärten in Deutschland, aber auch weltweit. Das Netzwerk der Botanischen Gärten, in Deutschland beispielsweise organisiert im Verband Botanischer Gärten e.V., ist wichtig für den fachlichen Austausch, aber auch für den Samentausch untereinander.

Wie schätzen Sie den Erfolg in der Lehre und in der Kinder-, Jugend- und Bildungsarbeit ein?

Zuerst einmal möchte ich gern an dieser Stelle unterscheiden. Die Ausbildung der Studierenden in der Lehre ist neben der Forschung eine wichtige wissenschaftliche Aufgabe. So nutzten unsere Pflanzensammlung Studierende ganz unterschiedlicher Fachrichtungen (Biologie, Pharmazie, Veterinärmedizin) in insgesamt neun verschiedenen Modulen. Zusätzlich ist der Botanische Garten aber auch ein wichtiger Ort des Lernens für Kinder, Jugendliche und natürlich auch Erwachsene. Zu uns kommen viele Kindergartengruppen zum Lernen, beispielsweise in die Schmetterlingsausstellung. Schulkassen nutzen den Botanischen Garten als außerschulischen Lernort in unserer Botanikschule. Hier arbeiten zwei Lehrerinnen bei uns und gestalten lehrplanbezogenen Unterricht im Grünen direkt mit unserer Pflanzensammlung für alle Schultypen von Grund- bis Berufsschule. In Kooperation mit dem Landesamt für Schule und Bildung (LaSuB) steht hier auch die Bedeutung der globalen Pflanzenvielfalt im Kontext von Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE), Globalem Lernen und Nachhaltigkeit im Fokus.

Haben Sie einen Förderverein, der Sie bei Ihrer Arbeit unterstützt?

Um ehrlich zu sein, ohne unseren aktiven Förderverein könnten wir viele Projekte und Aktivitäten nicht so umsetzen. Als ich vor vier Jahren hier im Botanischen Garten meine Arbeit als Koordinator für Transfer angefangen habe ist mir das sofort klar gewesen. Gemeinsam mit den festen Mitarbeitern, aber auch mit den vielen ehrenamtlichen aktiven Mitgliedern des Fördervereins, arbeiten wir Hand in Hand. Wichtige Aktivitäten sind hier vor allem die Schmetterlingsschau, die Pflanzenmärkte, die Orchideenschau oder unser gemeinsames Familienfest BOTANIKA. Aber auch die regelmäßigen Veranstaltungen in unserem Programm wie Führungen, Vorträge und Workshops werden zusammen mit dem Förderverein organisiert. An dieser Stelle möchte ich sehr gern die Leistungen unseres Betriebsleiters Matthias Schwieger herausstellen, der in den letzten Jahrzehnten diese Zusammenarbeit im Wesentlichen geprägt und gefördert hat.

Gibt es ein besonderes Erlebnis oder eine Anekdote, die Sie bei Ihrer Arbeit erlebt haben und Sie gerne teilen möchten?

An dieser Stelle möchte ich in erster Linie meine Dankbarkeit ausdrücken, mein Arbeitsplatz ist an einem der schönsten Orte in Leipzig, ich darf in einer geschichtsträchtigen Einrichtung mitgestalten und wir haben hier ein tolles Team, angefangen von unserem Direktor Prof. Dr. Christian Wirth bis zu unseren ehrenamtlichen Mitarbeiter*innen im Förderkreis des Botanischen Garten e.V. Das Arbeiten hier macht Spaß und dass spüren auch die Menschen die zu uns kommen. Schon mehrfach wurde ich gefragt: Wie ist es eigentlich an einem so schönen Ort zu arbeiten? Meine Antwort: Toll!

Zum Abschluss, gestatten Sie mir bitte einen Ausblick. Welche Pläne und Visionen gibt es für die Zukunft? Sie feiern bald ein 500-jähriges Jubiläum.

Erst einmal freue ich mich auf den runden Geburtstag des Gartens an diesem Standort. Ende 1877 wurde der Botanische Garten hier fertiggestellt, das heißt 2027 feiern wir einen runden Geburtstag an diesem Standort zwischen der Linnéstraße und der Johannisallee. Das 500jährige Jubiläum feiern wir dann 2042. Das ist für mich gedanklich noch weit entfernt, vielleicht können wir uns in 10 Jahren noch einmal dazu austauschen? Wünsche habe ich natürlich auch heute schon. Ich wünsche mir, dass wir uns als wissenschaftliche Einrichtung in allen Gebieten Lehre, Forschung und Transfer weiter entwickeln. Ich freue mich auf die Fertigstellung eines neuen Wirtschaftshofes, auf die Einrichtung eines modernen Lern- und Ausstellungsbereichs im Zuge einer Sanierung des Inspektorenhauses oder auf die Fertigstellung der geplante Biotopanlage Auengarten. Doch danach soll nicht Schluss sein, weitere spannende Ideen und Planungen warten auf eine erfolgreiche Umsetzung.

Aktuelles: www.lw.uni-leipzig.de/botanischer-garten


Autor/in

  • studierte Verlagswirtschaft, Hobbyhistoriker, Redakteur und Veranstalter in Leipzig. Über ein Jahrzehnt ist er beteiligt am Wiederaufbau des Leipziger Musikpavillons zu einem generationsübergreifenden Treffpunkt. In verschiedenen Engagements setzt er sich für Themen und Projekte ein, die einen lokalhistorischen Bezug haben. Ehrenamtliches Mitglied in mehreren Vereinen, Förderer und Jury-Mitglied beim Gert-Triller-Preis für Musikkultur der Leipziger Notenspur e.V.

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