Peter Benecken ist Experte für Gartendenkmalpflege und als Stadtbezirkskonservator mitverantwortlich für den Erhalt historischer Park- und Gartenanlagen der Stadt Leipzig. Mit fundiertem Wissen über Landschaftsarchitektur und denkmalschutzrelevante Fragen bewertet er historische Grünflächen, begleitet Restaurierungen und Bauvorhaben. Im Gespräch gibt er Einblicke in die Entwicklung der Leipziger Parks seit den 1990er Jahren, insbesondere in den Jahren nach der Wende, berichtet über den Palmengarten und erklärt, warum der Erhalt denkmalgeschützter Freiräume weit mehr ist als das Bewahren der Vergangenheit für die Zukunft.

Stadtbezirkskonservator Gartendenkmalpflege der Stadt Leipzig
Die Sanierung Leipzigs nach 1989 zählt zu den größten Errungenschaften der Stadt. Mit rund 15.000 Kulturdenkmalen gehört sie zu den denkmalreichsten Großstädten Deutschlands. Von der Nikolaikirche und dem Völkerschlachtdenkmal bis hin zu Siedlungen der Weimarer Republik und Zeugnissen der Ostmoderne nimmt die Architekturgeschichte eine besondere Rolle ein. Das Buch zeigt eine Auswahl vom reichen Bestand und beleuchtet unterschiedliche Aspekte – von Kirchen über Parks bis zu den Schrebergärten.

30 Jahre kommunale Denkmalpflege
Passage Verlag
Stadt Leipzig, Amt für Bauordnung und Denkmalpflege (Hsg.)
Beiträge von H. Baumann, U. Baumecker, S. Bilke, R. Eschenbrücher, A. Fürstenberg, K. Jestaedt, P. Benecken uvm.
ISBN 978-3-95415-129-5
Auflage: 1. Auflage 2022
Maße: 23 x 3 x 28 cm
Umfang: 304 Seiten, Abbildungen
Festeinband
Preis: 28 Euro
Herr Benecken, vielen Dank, dass Sie sich die Zeit nehmen. Sie arbeiten bei der Denkmalpflege in Leipzig. Können Sie uns zunächst etwas über Ihre Rolle und Ihre Arbeit berichten?
Ich habe an der TU Berlin Landschaftsplanung (Landschaftsarchitektur) studiert und bin in der hiesigen Denkmalschutzbehörde für gartendenkmalpflegerische Belange zuständig. Das heißt, ich berate öffentliche und private Vorhabenträger und Antragsteller hinsichtlich aller Maßnahmen, welche auf denkmalgeschützten Freiflächen geplant sind. Ziel sind der Erhalt der denkmalrelevanten Substanz sowie des denkmalpflegerisch intendierten Erscheinungsbildes. Ist ein Vorhaben genehmigungsfähig, stelle ich im Einvernehmen mit dem Landesamt für Denkmalpflege eine denkmalschutzrechtliche Genehmigung aus oder verfasse eine Stellungnahme in einem Baugenehmigungsverfahren. Denkmalrelevante Substanz sind insbesondere die Vegetationsstrukturen einschließlich des Baum- und Gehölzbestandes, Wegeverläufe und –pflasterungen oder –befestigungen, künstlerische Ausstattungen wie Plastiken und Skulpturen, Brunnen, Teiche, Bassins und andere Gewässerstrukturen sowie bauliche Strukturen wie Freitreppen, Stützmauern, Einfriedungen, Terrassen, Pavillons und Lauben, aber auch Bänke oder Beleuchtungskörper / Laternen. Nicht nur diese Substanz steht im Fokus, sondern insbesondere auch gestalterische Gefüge, Raumstrukturen und Sichtbezüge oder –achsen.
Zuständig bin ich für geschätzt 4000 Objekte mit gartendenkmalpflegerichem Belang in Leipzig, darunter beinahe alle großen Park- und Friedhofsanlagen, und Stadtplätze, viele Villengärten und Eingrünungen älterer Wohnanlagen bis hin zu als Sachgesamtheiten erfassten Siedlungen oder historischen Krankenhausgeländen, aber auch zahlreiche Vorgärten. Inhaltliche Abstimmungen sind nicht nur mit dem Denkmalfachamt, dem Landesamt für Denkmalpflege, zu führen, sondern innerhalb der Stadtverwaltung insbesondere mit dem Amt für Stadtgrün und Gewässer, der Naturschutzbehörde, dem Stadtplanungsamt oder dem Verkehrs- und Tiefbauamt. Selbstverständlich gibt es auch zahlreiche Schnittmengen mit der Baudenkmalpflege, bereits dann, wenn Sanierungsarbeiten an Gebäuden mit denkmalgeschütztem Umfeld oder Garten stattfinden. In solchen Fällen sind mindestens die Bauabwicklung und Baustelleneinrichtung im Gartendenkmal abzustimmen.
Wie würden Sie den allgemeinen Zustand der Parkanlagen in Leipzig in den 90er Jahren im Vergleich zu heute beschreiben?
Im Verhältnis zu den baulichen Strukturen konnten zumindest in Leipzig zur Zeit der DDR die öffentlichen Park- und Grünflächen weitaus besser unterhalten werden. Dafür wurden ausreichend Personal- und Sachmittel zur Verfügung gestellt. Dies beeinflusste den Ausgangszustand in den 1990er Jahren positiv, in denen keine schlechteren Finanz- und Pflegekapazitäten bestanden, als heute. Vielmehr unterhielt das städtische Grünflächenamt seinerzeit noch eine eigene Gärtnerei, in der Blüh- und Schmuckpflanzen herangezogen wurden. Entsprechend konnten in den 1990er Jahren noch weitaus zahlreichere Schmuckpflanzungen unterhalten werden, als derzeit. Für die verbliebenen Wechselpflanzungsflächen muss das Pflanzenmaterial heute extern beschafft werden, andere sind entfallen bzw. nun mit dauerhaften Stauden oder Wildblühstreifen besetzt.
Andererseits bestanden in den 1990er Jahren verschiedentlich noch Überformungen aus der Zeit der DDR durch Einbauten wie Fernheiztrassen, Fahrspuren oder in Einzelfällen abgetrennten Flächen, etwa für das Ministerium für Staatssicherheit. Auch war die historische Gestaltung in etlichen Fällen verschliffen oder nicht erhalten.
Welche Hauptprobleme oder Herausforderungen standen in der Pflege und Erhaltung der Parkanlagen in den 90er Jahren im Mittelpunkt?
In den 1990er Jahren wurde bereits intensiv damit begonnen, die beschriebenen gestalterischen und strukturellen Überformungen aus der Zeit der DDR nach denkmalpflegerischen Gesichtspunkten zurückzubauen. Dafür konnte schon zur Zeit der politischen Wende ein eigenes Sachgebiet Gartendenkmalpflege im hiesigen Grünflächenamt geschaffen werden. In wieweit seinerzeit tatsächlich Tendenzen von Vandalismus zunahmen, wie manchmal behauptet wird, lässt sich nur schwer abschließend beurteilen, da solche Dinge zur Zeit der DDR zwar nicht verschwiegen wurden, aber den öffentlichen Diskurs zumindest weniger bestimmten. Sicher ist jedoch, dass zahlreiche Stadtteile in den 1990er Jahren von Bevölkerungsschwund, Deindustrialisierung und Leerstand betroffen waren. Jedoch wurden die dortigen Grünflächen bewusst nicht aufgegeben oder vernachlässigt, sondern weiter mehr oder weniger intensiv unterhalten, um einen ausgleichenden Impuls zu setzen. Inzwischen hat die Bevölkerung wieder stark zugenommen und flächendeckender Wohnungsleerstand ist kein Problem mehr. Entsprechend besteht die Aufgabe heute eher darin, einer zu starken Nutzung oder Übernutzung mancher öffentlichen Grünfläche entgegen zu wirken, sowie ergänzende und zeitgemäße Angebote zu schaffen.
Ein schon seit einigen Jahren relevanter Aspekt ist, den Auswirkungen des Klimawandels entgegen zu wirken. So führten die zurückliegenden trockenen und heißen Jahre auch in den öffentlichen Grünanlagen zum Ausfall bzw. Absterben zahlreicher Gehölze, darunter insbesondere viele Altbäume. Betroffen sind komplette Pflanzengruppen wie alle Ahorne, welche durch klimatische Auswirkungen erst seit etwa zehn Jahren von der sog. Rußrindenkrankheit befallen werden. Bis auf Ausnahmen dürften in der Folge insbesondere Berg-Ahorne weitgehend aus dem Stadtbild verschwinden. Gleiches trifft auch auf die üblichen Hänge-Birken oder Fichten zu. Stark betroffen sind darüber hinaus Eschen und bedauerlicherweise sogar Rot-Buchen, welche zu den gestalterisch wichtigsten Gehölzen in zahlreichen Parkanlagen gehören. Konzeptionelle und denkmalpflegerische Aufgabe ist es nun, geeignete Ersatzpflanzungen zu organisieren, welche die Aufrechterhaltung der überlieferten und zu erhaltenden Parkgestaltungen erlauben.
Hinsichtlich der Nutzung sind die Schaffung zusätzlicher verschatteter Bereiche oder des Angebots von Trinkwasser neue Aufgaben. Um Letzteres zu gewährleisten, wurde begonnen, Trinkbrunnen in den öffentlichen Grünanlagen zu installieren. Und im Gegensatz zu den Jahrzehnten nach 1990 werden seit einigen Jahren auch wieder öffentliche Toiletten im meist grün geprägten Stadtraum neu geschaffen und unterhalten.
Gab es in den Jahren nach der Wende besondere Initiativen oder Projekte zur Verbesserung der Parkanlagen?
Wie erwähnt, konnte schon zu Beginn der 1990er Jahre ein eigenes Sachgebiet Gartendenkmalpflege im damaligen Grünflächenamt geschaffen werden. Dieses organisierte bereits zu diesem frühen Zeitpunkt die Erarbeitung gartendenkmalpflegerischer Zielstellungen für die wichtigsten Parkanlagen, welche dann mit dem Landesamt für Denkmalpflege abgestimmt wurden. Diese Zielstellungen sind in weiten Teilen mit den sog. Parkpflegewerken identisch und bilden die konzeptionelle Grundlage für die Unterhaltung, Sanierung und Entwicklung von Grünanlagen. Damit übernahm Leipzig eine Vorreiterrolle durchaus auch mit Blick auf das gesamte wiedervereinigte Deutschland.
Schon 1993 lag entsprechend eine denkmalpflegerische Zielstellung für den gesamten Promenadenring vor, welche nunmehr, nach über 30 Jahren, überarbeitet wird. Etliche solche Planwerke für weitere Parkanlagen folgten schon im Jahrzehnt nach 1990, so etwa für den Johannapark. Und auch die Wiederherstellungsarbeiten auf dieser planerischen Grundlage setzten in dieser Zeit bereits intensiv ein. Vielfach konnten sie mit Mitteln des Bund-Länder-Förderprogramms städtebaulicher Denkmalschutz finanziert werden, so etwa im westlichen Promenadenring im Umfeld der Thomaskirche, wo im Vorfeld des Bachjahrs 2000 umfangreiche Instandsetzungsarbeiten erfolgten. Zu nennen ist aber auch die sog. Mülleranlage vor dem Hauptbahnhof, welche nach dessen Sanierung als ansprechendes Entrée der Innenstadt denkmalgerecht wiederhergestellt wurde. Wie dort gelangte auch für die zeitgleich vorgenommene denkmalgerechte Restaurierung des Johannaparks eine nennenswerte private Spende zum Einsatz, welche in diesem Fall im Kontext der Parkgeschichte zu verstehen ist. Sie stammte von einem Erben des Parkstifters Wilhelm Theodor Seyfferth.
Sanierungs- und Instandsetzungsarbeiten fanden in den 1990er Jahren nicht nur in den großen Parkanlagen statt, sondern auch auf zahlreichen kleineren Stadtplatzanlagen, welche meist eine neue Ausstattung mit Spielgeräten und Bänken erhielten. Insgesamt stand in den 1990er Jahren der Umgang mit den vorhandenen Grünstrukturen im Vordergrund. Innerstädtisch entstanden erst in geringem Umfang neuere Anlagen, auch, wenn konzeptionelle Vorarbeiten zur Nutzung von brachliegenden Bahn- oder Gewerbegeländen bereits begannen. Fertiggestellt wurden sie jedoch überwiegend erst in späteren Jahren.
Und was können Sie über den Leipziger Palmengarten berichten? In welchem Zustand war der Park und was hat sich seitdem verändert?
Die historischen Grundstrukturen des Palmengartens (Vegetations- und Gehölzbestand, Teichsystem, Wege, Brücken) befanden sich auch in den 1990er Jahren in einem befriedigenden Zustand, welcher sich kaum von dem heutigen unterschied. Die Unterhaltung erfolgt seither nach gartendenkmalpflegerischen Gesichtspunkten. Erneuerungsbedürftig war insbesondere die Spielplatzanlage mit einer Betonspielplastik aus der Zeit der DDR, einem als Rutsche dienenden Elefanten. Dieser Bereich wurde in den letzten Jahren umfassend instandgesetzt und mit aufwendigen Spielinstallationen neu ausgestattet. Der als Denkmalsubstanz zu bewertende Betonelefant wurde dabei erhalten und in die Gestaltung integriert. Ebenfalls vor wenigen Jahren wurde räumlich benachbart eine neue öffentliche Toilette eingeordnet.
Eine weitere komplexe Maßnahme stand bereits Ende der 1990er Jahre im Raum, konnte aber noch nicht umgesetzt werden. Dabei handelt es sich um die Wiederherstellung eines Ensembles aus der Entstehungszeit des Palmengartens, eines derzeit trockengefallenen Teiches mit einem benachbarten Hügel, in welchem sich eine kleine künstliche Grotte befindet, vor der sich eine Wasserkaskade in den genannten Teich ergoss. Diese vormalige Gestaltung erschließt sich derzeit nur Eingeweihten. Auch in Anbetracht der erheblichen Bau- und Unterhaltungskosten ist unklar, ob der Bereich wiederhergestellt werden kann.
Hauptbezugspunkt des Palmengartens war bis zum Abtrag in der Zeit des Dritten Reichs ein aufwendiges Palmen- und Gesellschaftshaus. An der Geschichte der Anlage Interessierten kann auffallen, dass nicht nur dieser Bezugspunkt seither fehlt, sondern auch die gestalterischen Strukturen am ehemaligen Standort des Gebäudes sehr zurückgenommen sind. Pläne zu einer wie auch immer gearteten Reminiszenz an das vormalige Gesellschaftshaus werden derzeit nicht verfolgt. Eine Neubebauung innerhalb des derzeitigen Parkgeländes sollte aber auch ohnehin ausgeschlossen werden.
Häufig wird der Uferbereich am Elsterflutbecken mit zum Palmengarten gerechnet. Faktisch handelt es sich hierbei jedoch um einen Teil einer anderen, historisch und gestalterisch eigenständigen Anlage, den Westteil des Richard-Wagner-Hains, welcher in der Zeit des Dritten Reichs als Richard-Wagner-Nationaldenkmal gestaltet wurde. Der Terrassenbereich dieses eigenständigen Gartendenkmals wurde ebenfalls in den letzten Jahren denkmalgerecht instandgesetzt und mit einer barrierefreien Verbindungsrampe zum eigentlichen Palmengarten versehen.
Wenn Sie auf die 90er Jahre zurückblicken, was sind Ihrer Meinung nach die wichtigsten Lektionen, die für die heutige und zukünftige Denkmalpflege der Parkanlagen gelten könnten?
In den 1990er Jahren wurde jüngere Substanz, d.h. aus der Zeit der DDR, noch nicht als denkmalrelevant bzw. denkmalkonstituierend bewertet. Auch die seinerzeit erarbeiteten denkmalpflegerischen Zielstellungen beinhalteten regelmäßig den Rückbau von Strukturen und Gestaltungen aus der Zeit der DDR und die Wiederherstellung älterer Zustände. Selbst das seinerzeit leerstehende und marode sog. Glashaus im Clara-Zetkin-Park sollte abgerissen und durch eine neue Gaststätteneinrichtung im Bereich der westlich gelegenen Dahlienterrasse ersetzt werden. Nur Verzögerungen dieses Projektes und eine provisorische interimistische Nutzung des Glashauses, das entgegen den seinerzeitigen Aussagen doch nicht komplett baufällig war, ermöglichten seinen Erhalt. Heute wird es als Inkunabel der Architektur der 1950er Jahre in der DDR und wichtigstes Zeugnis der Weiterentwicklung des vormaligen König-Albert-Parks zum Kulturpark Clara-Zetkin bewertet.
Ähnlich verhält es sich mit zahlreichen anderen Objekten und Gestaltungen, die in den 1990er Jahren noch zur Disposition gestellt wurden, heute jedoch erhalten werden sollen. Die Berücksichtigung von Gestaltungen und Elementen aus den 1950er bis 1980er Jahren bei der Denkmalerfassung und im Rahmen der Erarbeitung denkmalpflegerischer Zielstellungen ist heute selbstverständlich. Selbst komplette Anlagen aus den 1980er Jahren, wie der sog. Plastikgarten gegenüber dem Neuen Rathaus oder der Erholungspark Lößnig-Döhlitz, sind heute Gartendenkmale. In die Zukunft blickend kann angenommen werden, dass künftige Generationen auch Gestaltungen und Elemente aus der Nachwendezeit bis in unsere Gegenwart erhalten wollen. Soweit möglich sollte dies in Anbetracht eines allenthalben zu beobachtenden Veränderungsdrucks schon mit bedacht werden.
Bereits angesprochen wurden die Probleme, die sich im Kontext des Klimawandels und hinsichtlich des Ausfalls zahlreicher Gehölze ergeben. In den 1990er Jahren und bis vor wenigen Jahren war es Standard, denkmalrelevante und –konstituierende Gehölze exakt artgleich zu ersetzen. Dies ist schon derzeit nicht mehr durchzuhalten, da insbesondere viele Ahornarten, Hänge-Birken oder zahlreiche Nadelgehölze keine guten Entwicklungsmöglichkeiten mehr besitzen. Es sind also vielfach Artenwechsel erforderlich, welche es jedoch ermöglichen, das Gesamterscheinungsbild der betroffenen Garten- und Parkanlagen zu erhalten.
Weitere Informationen zur kommunalen Denkmalpflege u.a. zu Garten- und Parkanlagen der Stadt erhalten Sie im vorgeschlagenen Buch und auf www.leipzig.de.
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