Aus der Presse – Zur Verstadtlichung der Palmengarten-Gesellschaft

Verstadtlichung des Leipziger Palmengartens? Der Leipziger Palmengarten beruft zum 17. Dezember eine außerordentliche Generalversammlung, der eine Zwischenbilanz und ein Antrag auf Verstadtlichung zur Beschlußfassung unterbreitet werden soll. Nach den von uns eingezogenen Erkundigungen steht es noch nicht fest, ob und wann eine endgültige Verstadtlichung des Leipziger Palmengartens zustande kommt. Zurzeit ist der Leipziger Palmengarten eine Aktiengesellschaft mit einem Aufsichtsrat, in dem der Rat der Stadt Leipzig vertreten ist. [1]

Wie wir im Handelsteil der vorliegenden Nummer unseres Blattes berichten, haben die Aktionäre des Palmengartens sich mit den Bedingungen des Rates für die Uebernahme in städtische Regie einverstanden erklärt. Nach diesen Bedingungen müssen die Aktionäre auf alle Rechte aus ihren Aktien verzichten und erhalten dafür 10 Jahre lang freien Eintritt in den Palmengarten. Sollte dieser seiner bisherigen Bestimmung entzogen werden (bekanntlich besteht das Gerücht von einer Umwandlung in einen Volkspark), so ist ein Schadenersatz ausgeschlossen. Wie in der gestrigen Generalversammlung mitgeteilt wurde, resultiert die Unterbilanz für das letzte Dreivierteljahr, rund 180 000 Mark, hauptsächlich aus den höheren Löhnen. Dazu kommt noch die Unterbilanz aus den Vorjahren mit rund ½ Million Mark. Wenn der Rat und die Stadtverordneten die Verstadtlichung abgelehnt hätten, würde der Konkurs unvermeidlich gewesen sein. Allerdings bleiben jetzt noch die Verhandlungen mit den Obligationären, denen 25 Prozent geboten werden, und mit den Warengläubigern, die 75 Prozent erhalten sollen, abzuwarten. Man darf aber annehmen, daß sie zustimmen, denn im Falle eines Konkurses würden die Obligationen, kaum etwas und die Warengläubiger sicher wesentlich weniger auf ihre Forderungen erhalten. Rat und Stadtverordnete haben 600 000 Mark bewilligt, wenn das Unternehmen als städtisches fortgeführt wird. [2]

Die außerordentliche Generalversammlung genehmigte die Bedingungen des Rates, der das Unternehmen in eigene Regie nehmen will, wenn die Aktionäre auf alle Rechte aus ihren Aktien verzichten. Dafür erhalten sie für sich und ihre Angehörigen 10 Jahre freien Eintritt in den Palmengarten. Sollte er in dieser Zeit seiner bisherigen Bestimmung entzogen werden, so ist jeder Schadenersatz ausgeschlossen. Wie mitgeteilt wurde, hat sich die aus dem Vorjahre in Höhe von etwa 0,5 Mill. Mark vorhandene Unterbilanz während des laufenden Jahres um weitere 180 000 Mark erhöht. Eine besondere Obligationärversammlung wird nunmehr noch zu beschließen haben, ob sie sich mit einer Zahlung von 25 Proz. einverstanden erklären will. Die Warengläubiger sollen 25 Proz. auf ihre Forderungen nachlassen. [3]

Die Stadtverordneten haben am 17. d. M. in nicht öffentlicher Sitzung einer Vorlage des Rates zugestimmt, wonach zur Ordnung der finanziellen Verhältnisse der Leipziger Palmengarten-Aktiengesellschaft und Ueberleitung des gesamten Unternehmens in städtischen Betrieb 600 000 Mark aus städtischen Mitteln aufgewendet werden sollen unter der Bedingung, daß 1. die Aktionäre sämtliche Rechte aus ihren Aktien auf die Stadtgemeinde übertragen, wofür ihnen für sich und Ihre Familienangehörigen auf die Dauer von 10 Jahren das Recht zum freien Eintritt in den Palmengarten zugestanden wird, 2. die Obligationäre sich gegen bare Auszahlung von 25 Prozent des Nennwertes ihrer Obligationen für befriedigt erklären, 3. alle übrigen nicht bevorrechtigten Gläubiger auf 25 Prozent ihrer Forderungen verzichten. Einigen von den Stadtverordneten beschlossenen Zusatzanträgen, insbesondere der Forderung der Bildung eines gemischten Ausschusses für den Zoologischen und den Palmengarten, wurde zugestimmt. [4]

Anzeige im Leipziger Tageblatt und Handelszeitung vom 27. Januar 1921. Frühausgabe, S. 4.

Zur Verstadtlichung des Palmengartens – Dazu lag der Antrag vor: Das Kollegium wolle den Rat ersuchen, Auskunft über den Stand der Verhandlungen wegen der Verstadtlichung des Palmengartens zu geben und die Verhandlungen möglichst zu beschleunigen. Vizevorsteher Pollender (S. P. D.) begründet den Antrag damit, daß am 15. Dezember v. J. die Verstadtlichung beschlossen und 600 000 Mark bewilligt worden seien. Er habe aber gehört, daß der gegenwärtige Generaldirektor drauf und dran sei, mit Unterstützung einer potenten Brauerei dem Palmengarten den Charakter eines Privatunternehmens nach Möglichkeit zu wahren.

Ihm erwidert Bürgermeister Roth, daß die damals gefaßten Beschlüsse in der Form nicht in allen Punkten bis jetzt durchgeführt werden konnten, weil juristische Bedenken vorhanden waren. Der Rat bemühe sich, alle diese Schwierigkeiten zu überwinden, und er hoffe, in allernächster Zeit so weit zu sein, daß er das Heft völlig in der Hand habe. Er könne aber keine Einzelheiten in öffentlicher Sitzung weiter machen, denn sonst müsse er darauf zurückkommen, was seinerzeit in nichtöffentlicher Sitzung verhandelt worden sei. Dem Generaldirektor und dem anderen Direktor sei für den 1. Juli d. J. gekündigt und der Generaldirektor habe noch gestern erklärt, daß er jede Stunde gehen könne. In vielleicht 14 Tagen würden die Verhandlungen erledigt sein. Soweit er unterrichtet sei, geht der Betrieb des Palmengartens jetzt gut […] [5]

In einer der letzten, Stadtverordnetensitzungen vor den Ferien wurde in einem Antrage der Rat um Auskunft über den Stand der Verhandlungen wegen der Verstadtlichung des Palmengartens ersucht. Bürgermeister Roth teilte daraufhin mit, daß die Verhandlungen zwar noch nicht abgeschlossen, aber voraussichtlich in Kürze zu Ende geführt werden würden. Für die Antragsteller schien es sich vor allem darum zu handeln, zu erfahren, ob die Gerüchte, daß Stadtrat a. D. Böhme, der bis jetzt Leiter des Unternehmens ist, die Gastwirtschaft mit finanzieller Unterstützung einer Leipziger Großbrauerei als Pächter weiterführen wolle, zutreffend sind. Bürgermeister Roth bezeichnete die Gerüchte als unwahr und bemerkte, daß Direktor Böhme bereit sei, jederzeit sofort von seinem Posten zurückzutreten, wenn das Unternehmen verstadtlicht werde.

Am vergangenen Mittwoch nun hat der Rat den Betrieb des hiesigen Palmengartens übernommen, und zwar zunächst unbeschadet der bestehenden Eigentumsverhältnisse. Wie aus der Ausschreibung in der vorliegenden Nummer unseres Blattes hervorgeht, wird für den gesamten Gastwirtschaftsbetrieb ein tüchtiger Wirtschaftsleiter gesucht. Hierauf seien die Leipziger Gastwirte, die die Bestätigung in sich fühlen, dieses gemeinnützige Unternehmen zu leiten, besonders aufmerksam gemacht.

Somit ist die Uebernahme des Unternehmens jetzt tatsächlich erfolgt und der Palmengarten ist nunmehr städtisch und ein gemeinnütziges Unternehmen geworden. Hoffentlich erfüllen sich die Erwartungen, denen man bei der Ratsvorlage auf Verstadtlichung des Unternehmens seinerzeit Ausdruck gegeben hat. Solange der Palmengarten der Aktiengesellschaft gleichen Namens gehörte, war die Prosperität des Unternehmens sehr gering. Nur ein einziges Mal, und zwar im Jahre 1899, vermochte es eine Dividende für die Aktionäre auszuschütten; dann blieb es nicht nur dividendenlos, sondern arbeitete mit Unterbilanzen. Während der Ausstellungsjahre 1913 und 1914 war der Besuch des Palmengartens nicht befriedigend, und während der Kriegsjahre gestaltete sich die finanzielle Lage der Palmengarten-Aktiengesellschaft so ungünstig, daß Sanierungsversuche und Darlehen der Stadt das Unternehmen nicht vor dem Konkurs hätten retten können, wenn nicht die Verstadtlichung erfolgt wäre.

Direktor Böhme ist in den Urlaub gegangen, und solange der neue Wirtschaftsleiter noch nicht gefunden ist, führt Gastwirt Friese, der ehemalige Geschäftsleiter des Leipziger Fischhauses in der Reichsstraße, der einen guten Ruf als Oekonom hat, den Gastwirtsbetrieb des Palmengartens unter der Aufsicht des Wirkschafsdirektors Eppendorfer vom Zoologischen Garten.

Die gärtnerischen Anlagen, worüber nur eine Stimme der Anerkennung herrscht, werden künftig von der Stadtgärtnerei verwaltet, in die Gartendirektor Brüning übernommen worden ist, der sich um die Ausgestaltung der Gartenanlagen des Palmengartens große Verdienste erworben hat.

Zu wünschen wäre nur, daß der Rat die Räumlichkeiten der Gastwirtschaft recht bald wieder auftischen ließe. Eine durchgreifende Erneuerung war der seit vielen Jahren notleidenden Palmengarten-Aktiengesellschaft nicht möglich. Wenn die Räume aufgefrischt und ein gediegener Fachmann für den Wirtschaftsbetrieb gefunden wird, dann, so sollte man meinen, wird der Palmengarten auch bald zu einer beliebten Erholungsstätte werden. [6]

Anzeige im Leipziger Tageblatt und Handelszeitung vom 7. August 1921. Sonntagausgabe, S. 7.

Die neue Wirtschaftsleitung im Palmengarten. Im Hinblick auf die unmittelbar bevorstehende Messe und auf die schon jetzt mit den Vereinen zu treffenden Abmachungen über Winterveranstaltungen hat der vom Rate gewählte Wirtschaftsdirektor des Palmengartens Oskar Herbst bereits an gestrigen Mittwoch seine Stelle übernommen und ist von Stadtrat Lampe eingewiesen und dem Personal vorgestellt worden mit dem Wunsche, daß es der neuen Wirtschaftsleitung gelingen möge, den Palmengarten zu einer Stätte zu machen, an der alle Einwohner der Stadt und ihre Gäste mit immer wachsender Freude Erholung suchen. [7]

Anzeige im Leipziger Tageblatt und Handelszeitung vom 25. August 1921. Frühausgabe, S. 4

Der Uebergang des Palmengartens in städtische Verwaltung beginnt bereits seine Früchte zu tragen, insofern die städtische Gartendirektion aus ihren reichen Pflanzenbeständen die schönsten Exemplare ausgelesen hat, um damit das Palmenhaus in einen wirklichen Palmenhain zu verwandeln. Unter diesen fallen besonders eine Anzahl herrlicher Pritchardia filifera auf, Fächerpalmen, von deren Fiedern lange Fasern herabhängen, die der Pflanze ein ganz eigenartiges Aussehen verleihen. Gleich am Eingang bemerken wir das Prachtexemplar einer Livistono australis und ferner vor der großen Scheibe ein solches des zierlichen Phönix Roebeleni, der schönsten Zwergpalme. Zur Messe wird man diese, sowie die Bereicherungen an Orchideen usw. besonders begrüßen. [8]

1 800 000 Mark Baugelder für den Palmengarten. Ferner wurde zur Vornahme verschiedener Bauarbeiten im Palmengarten ein Berechnungsgeld von 1 800 000 Mark zu Lasten des Betriebsvermögens bewilligt. Zustimmung der Stadtverordneten ist einzuholen. [9]


[1] Verstadtlichung des Leipziger Palmengartens, in SLUB Dresden: Leipziger Tageblatt und Handelsblatt vom 5. Dezember 1920. Sonntagausgabe, 2. Beilage, S. 9.

[2] Zur Verstadtlichung des Leipziger Palmengartens, in SLUB Dresden: Leipziger Tageblatt und Handelsblatt vom 18. Dezember 1920. Sonnabendausgabe, 1. Beilage, S. 5.

[3] Leipziger Palmengarten, Akt.-Ges., in SLUB Dresden: Leipziger Tageblatt und Handelsblatt vom 18. Dezember 1920. Sonnabendausgabe, 3. Beilage, S. 11.

[4] Ratsbeschlüsse, in SLUB Dresden: Leipziger Tageblatt und Handelsblatt vom 19. Dezember 1920. Sonntagausgabe, 1. Beilage, S. 5.

[5] Sitzung der Stadtverordneten, in SLUB Dresden: Leipziger Tageblatt und Handelsblatt vom 14. Juli 1921. Frühausgabe, S. 8.

[6] Der Palmengarten in städtischer Regie. Ausschreibung des Postens des Wirtschaftsleiters, in SLUB Dresden: Leipziger Tageblatt und Handelsblatt vom 31. Juli 1921. Sonntagausgabe, 1. Beilage, S. 5.

[7] Die neue Wirtschaftsleitung im Palmengarten, in SLUB Dresden: Leipziger Tageblatt und Handelsblatt vom 25. August 1921. Frühausgabe, Beilage, S. 5.

[8] Ein Palmenhain, in SLUB Dresden: Leipziger Tageblatt und Handelsblatt vom 28. August 1921. Sonntagausgabe, 2. Beilage, S. 9.

[9] Ratsbeschlüsse, in SLUB Dresden: Leipziger Tageblatt und Handelsblatt vom 23. Oktober 1921. Sonntagausgabe, S. 6.


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