Aus der Presse – Die Gewerke beim Bau der Albert-Halle
Oberhalb des Dioramas befindet sich noch ein etwa 500 Quadratmeter einnehmender freier Raum, der zu Ausstellungszwecken sehr geeignet erscheint. Der Zugang zum Aussichtsthurm – es sind noch 19 Meter bis da hinauf – ist zur Zeit noch nicht angelegt. In unmittelbarer Verbindung mit dem Circus steht das Künstlerhaus mit dem Eingang von der Gartenstraße; von der Anlage eines Hotels wurde aus verschiedenen Gründen abgesehen. Als Hauptzugang für das artistische Personal und für die Einführung des zum Circusbetrieb benötigten Materials wird die von der Georgenstraße hereinführende Passage benutzt werden. Zum Betrieb der elektrischen Beleuchtung und zur Speisung der sich über alle Räume verbreitenden Dampfheizung ist eine Dampfmaschine von 180 Pferdekräften mit zwei riesigen Kesseln aufgestellt worden. Drei Dynamomaschinen erzeugen die zur Beleuchtung nöthig werdenden elektrischen Ströme. Die Verwendung der Albert-Halle wird eine ihren Einrichtungen angemessene vielseitige sein. Zunächst dient sie als Circus; für die Dauer der gegenwärtigen Messe ist Altmeister Renz mit dem ganzen Apparat seiner künstlerischen und hippologischen Kräfte hier eingetroffen, um am ersten Osterfeiertage seine Vorstellungen zu beginnen. Mit großer Spannung sieht Leipzigs Bewohnerschaft seinem Auftreten entgegen. Sind doch viele Jahre verflossen, seitdem er zuletzt hier seine Leistungen vorführte. Diesmal kommt Renz wieder mit vollen Händen, mit vielen Neuheiten, mit 140 Pferden und mit einem wohl 40 graziöse Tänzerinnen umfassenden Ballet von besonderem Ruf. Die Anordnungen für die Verwendung der Albert-Halle sind so getroffen, daß, sobald der Circus aufgehört hat, Circus zu sein, ein vollständig neues Haus in idealem Sinne an dessen Stelle tritt, ein Concerthaus, noch mehr Menschen fassend, als ersterer, also etwa 4500, da der Mittelraum zu ebener Erde dann mit für das Publicum benutzt werden kann. Hier sollen nur Concerte in edlem Stile abgehalten, ähnlich wie solche Mansfeld und Bilse zu veranstalten pflegen. Für diese, wie für Sängerfeste, steht eine große auf Rollen direct in den Raum vor dem Orchester zu bewegende Orgel in Bereitschaft. Für Sportfeste, für Radfahrer-Rennen, für Schauturnen hat die große Arena hinreichend Platz, gewährt der Zuschauerraum den denkbar günstigsten Versammlungsplatz aller für solche Veranstaltungen empfänglichen und interessirten Kreise. Soll ein großes Ballfest abgehalten werden – vielleicht im Stil der Bälle des Albertvereins – so erhält die Arena in kürzester Zeit den bereits fertig gestellten Parquetboden, eine große Freitreppe wird aufgeschlagen und inmitten der herrlichen Räume kann sich ein Leben entfalten, wie es Leipzig wohl noch nie gesehen hat. Für große Ausstellungen sind nun zahlreiche und große Räume verfügbar. Kurz, der monumentale, dem Vergnügen der Leipziger Bewohnerschaft gewidmete Bau trägt allen Anforderungen eines Riesenverkehrs Rechnung und es wird jedenfalls auch öfters sich ereignen, daß daselbst jene großen Congresse abgehalten werden, die in Deutschland so oft die Vertreter bestimmter Fach- oder Wissenschaftsgruppen einmal zusammenführen. Dankbar mag an dieser Stelle noch des Schöpfers der Pläne zu diesem Riesenwerk, unseres auf dem Gebiete der Hervorbringung neuer großer Bauwerke bewährten Mitbürgers Herrn Architekt Arwed Roßbach, gedacht sein. Er hat in die von dem Unternehmer des Baues, Herrn Eduard Berthold, der mit kühnem Geiste und energievollem Handeln, unbeirrt um die Meinungen der Zweifler und Tadler, das Rechte erkannte und demnach Bedeutendes und Großartiges zum Ausgangspunct seiner Ziele machte, aufgestellten Generaldispositionen sich ganz und voll versenkt und das Unternehmen mit allen Mitteln seiner architektonischen Kunst und unter Heranziehung aller technischen Errungenschaften der Neuzeit so ausgeführt, daß der vollendete Bau als eine hohe Zierde unserer Stadt seine Meisterschaft aufs Neue zu rühmen berufen ist. Wir haben bereits Gelegenheit genommen, den Leistungen derjenigen Industriellen und Gewerbetreibenden, welche bei den so vielseitigen Neuherstellungen im Krystallpalast betheiligt waren, die gebührende Anerkennung zu zollen. Nur durch das einmüthige Zusammenwirken aller dieser Kräfte ist es möglich geworden, in der kurzen Spanne Zeit von 10 Monaten den Riesenbau zu vollenden. Zumeist sind es, was wir besonders hervorheben wollen, Leipziger Fabrikanten und Gewerbetreibende gewesen, denen die Arbeiten übertragen waren und die damit bekundet haben, auf welcher hohen Stufe der Leistungsfähigkeit unser heimisches Gewerbe steht. Wir geben nachstehend eine genaue Uebersicht aller bei den Neubauten im Krystallpalast betheiligten Techniker, Industriellen und Gewerbetreibenden: Die Krystallpalast in seiner neuen Gestalt. II., in: SLUB Dresden. Leipziger Tageblatt und Anzeiger. Samstagausgabe vom 9. April 1887, S. 1991.