Gespräch mit Experten – Dr. Katja Heubach zum Palmengarten am Main

Dr. Katja Heubach ist seit 2018 Direktorin des Palmengartens in Frankfurt am Main. Unter ihrer Leitung feierte die städtische Gartenanlage 2021 ihr 150-jähriges Bestehen – trotz der Herausforderungen durch die Pandemie. Dieser Erfolg ist kein Zufall: Der Frankfurter Palmengarten hat sich im Laufe der Geschichte immer wieder erfolgreich gegen widrige Umstände behauptet. Als ein Wahrzeichen der Stadt genießt er starken Rückhalt in der Bürgerschaft. Dieser Geist prägt auch ihre Arbeit, die darauf abzielt, die botanische Gartenanlage den Herausforderungen der Zeit anzupassen und mit den Frankfurtern gemeinsam zu bewahren.

Dr. Katja Heubach,
Biologin und Direktorin Frankfurter Palmengarten


Das Buch von Sabine Börchers feiert das 150-jährige Bestehen des Palmengartens, einem bedeutenden Wahrzeichen Frankfurts. In sechs Kapiteln führt die Autorin durch die Geschichte des Gartens, von seiner Gründung durch Heinrich Siesmayer bis zu den Herausforderungen des Klimawandels. Der Bildband zeigt den Palmengarten als Schaugarten, Kulturort und Bildungseinrichtung und beleuchtet die Menschen, die diesen Ort prägen. Reich bebildert, bietet das Buch sowohl historische Einblicke als auch eine Würdigung der aktuellen Bedeutung des Gartens.
Der Palmengarten – Wo Frankfurts grünes Herz schlägt.

Societäts-Verlag, Frankfurt a.M. (Hg.)
Stadt Frankfurt a. M. (Hg.)

ISBN 978-3-95542-399-5
Auflage: 2. Ausgabe 2021
Maße: 24.5 x 30.2 x 2.2 cm
Umfang: 272 Seiten
Gebundene Ausgabe
Hardcover

Preis: 25,00 Euro

Frau Dr. Heubach, vielen Dank, dass Sie sich die Zeit für dieses Interview nehmen und uns über den Frankfurter Palmengarten informieren. 1899 diente dieser schließlich als Vorbild für den Leipziger Palmengarten, der heute leider nicht mehr als botanische Gartenanlage existiert, aber einst große Bedeutung für die Leipziger Bürgerschaft hatte. Welche Rolle spielt der Palmengarten für die Stadt Frankfurt?

Der Palmengarten gehört zu den historischen Frankfurter Institutionen, die wie Zoo, Städel Museum, Universität und Senckenbergische Stiftung auf bürgerliche Initiativen zurückgehen und fest in der Frankfurter Stadtgesellschaft verwurzelt sind. Die Verbundenheit der Bürgerinnen und Bürgern zum Palmengarten ist groß. Für viele ist der Garten „ihr“ grünes Wohnzimmer. Der erste Besuch findet oft mit der Schule oder den Eltern statt. Später geht man dann zu Festen oder Konzerten in den Garten oder lässt sich im Haus Rosenbrunn trauen – nachdem man im Palmengarten den Heiratsantrag gemacht hat. Neben ausgesprochenen Pflanzenkennern und -liebhaberinnen, die sich informieren und nach Neuerungen schauen wollen, zieht der Garten vor allem Erholungssuchende an. Der Garten passt sich seit anderthalb Jahrhunderten den Bedürfnissen seines Publikums und den jeweiligen Erfordernissen der Zeit immer wieder neu an. Dazu gehören heutzutage auch zum Beispiel digitale Bildungsangebote; die Stärke des Gartens ist und bleibt aber das Analoge.

Welche Schlüsselereignisse oder -phasen waren in den letzten 150 Jahren entscheidend für die Entwicklung und das Wachstum des Frankfurter Palmengartens?

Ein Schlüsselereignis für die Gründung war 1866 die Besetzung der ehemals Freien Reichsstadt Frankfurt durch die Preußen. Im selben Zusammenhang musste auch Herzog Adolph von Hessen-Nassau abdanken und seine berühmte Pflanzensammlung verkaufen. Der Gartenkünstler Heinrich Siesmayer konnte sie glücklicherweise für Frankfurt erwerben, finanziert wurde alles von einer extra dafür gegründeten Aktiengesellschaft. Für diese Pflanzensammlung wurde der Palmengarten mit seinem Herzstück, dem Palmenhaus, eigentlich angelegt. Weil die Sammlung stetig wuchs, bekam sie Anfang des 20. Jahrhunderts eine damals hochmoderne Schauhausanlage. Dann kam der Einschnitt von Inflation und Weltwirtschaftskrise, die tragende Gesellschaft musste den Palmengarten abgeben. Seitdem ist der Palmengarten städtisch. Die Amerikaner, die kurzzeitig aus dem Garten ein Recreation Center für ihre GIs gemacht hatten, halfen, die Folgen des Kriegs abzupuffern. Später ging es im Palmengarten gesellschaftlich wieder ähnlich hoch her wie in seiner Anfangszeit. Regelrecht neu organisiert, auch baulich, hat dann Direktor Schoser den Garten in den 1970er und 80er Jahren. Der Palmengarten mit dem neugebauten Tropicarium und großen Blumenschauen war ungeheuer populär, regional wie international. Die Leute standen Schlange, um eine Orchideenausstellung zu sehen. Deutlich später, aber ebenso weitreichend war die 2012 umgesetzte Angliederung des angrenzenden Botanischen Gartens an den Palmengarten, der ehemals zur Goethe Universität Frankfurt gehörte.

Heutzutage treiben uns vor allem der Klimawandel und das Artensterben um, dazu gehören auch Themen wie Nachhaltigkeitsmanagement, besonders in den Bereichen Energie, Wasser und Materialeinsatz. Im Rahmen von mehrjährigen Leitthemen bringen wir komplexe Fragestellungen an das Publikum und schaffen damit gleichzeitig eine erkenntnisreiche Neuorientierung nach innen. Das erste Leitthema, das wir in diesem Jahr abbinden, heißt „Blüten- und Bestäuberökologie“. Anlass war 2021 das neue Blüten- und Schmetterlingshaus mitsamt der Dauerausstellung „Abgestaubt“ zur Welt der Insekten. Dazu gehören die insektenfreundliche Umgestaltung von Rasen zu Wiesenarealen mit unterschiedlichen Blühaspekten, eine meterlangen Nistwand mit Biodiversitätsdach, nektarreiche Unterpflanzungen bestehender Beetanlagen und vieles mehr. Begleitend wurden zahlreiche analoge und digitale Vermittlungsformate mit Augenmerk auf die verschiedenen Blickwinkel von Wissenschaft, Praxis, Kunst und Kultur entwickelt. So rundet unsere neue große Kunstausstellung „Verspielt? − Roulette mit der Insekten- und Pflanzenwelt“ das Leitthema mit einem fulminanten Paukenschlag ab – und zieht ein völlig anderes Publikum zur Auseinandersetzung mit dem Thema in den Garten.

Gab es Persönlichkeiten, die eine Schlüsselrolle in der Geschichte des Frankfurter Palmengartens gespielt haben? Können Sie einige von ihnen nennen und ihre Beiträge näher erläutern?

Außer Heinrich Siesmayer, dem Gründungsdirektor, dem wir den Garten im Stil des englischen Landschaftsparks verdanken, ist zum Beispiel sein unmittelbarer Nachfolge August Siebert zu nennen, der die Pläne Siesmayers weiterentwickelte. Er machte den Garten um 1900 zu einem wahren Sportlerparadies mit Rudern auf dem Weiher, Tennis, Eislaufen, Fahrradrennen und Wettkämpfen. Direktor Fritz Encke sorgte für den Wiederaufbau des Gartens nach dem 2. Weltkrieg. Für immer mit dem Namen Gustav Schoser verbunden bleibt die grundlegende Erneuerung und die sogenannte „innere Erweiterung“ der Anlage ab Ende der 1960er Jahre. Der Palmengarten erhielt damals sein Erscheinungsbild, wie es in etwa noch heute besteht. Es kamen Gebäude wie das Subantarktishaus und das Haus Rosenbrunn hinzu, andere wurden umgebaut oder versetzt. Die Tennisplätze wurden entfernt und durch eine Steppenanlage ersetzt. Das in den 1980er Jahren errichtete Tropicarium war wirklich ein großer Coup, an dem wir bis heute Freude haben. Es beherbergt Gewächse aus den Feuchten sowie Trockenen Tropen, die nach Klima- und Vegetationszonen geografisch sortiert gepflanzt sind. Außerdem wurden unter Schosers Leitung besonders viele seltene und vom Aussterben bedrohte Pflanzen kultiviert, wie aus der Familie der Bromelien, Orchideen und der Gruppe der Sukkulenten. Der weitere Ausbau der wissenschaftlichen Sammlung ist auch mir besonders wichtig. Wir haben im letzten Jahr zum ersten Mal in der Geschichte des Palmengartens ein Sammlungskonzept erarbeitet.

2021 feierte der Frankfurter Palmengarten sein 150-jähriges Jubiläum. Wie haben Sie dieses besondere Ereignis begangen?

Wir haben groß gefeiert, gemessen an Vielfalt des Programms, besonders, wenn man die Umstände bedenkt – mitten in der Pandemie. Zum Jubiläum gab es einen umfassenden Jubiläumsband, der die Geschichte des Palmengartens und seiner Sammlungen darstellt, Geschichten aus der Gegenwart des Gartens erzählt, mit großformatigen ansprechenden Bildern. Dazu hat die Autorin die Mitarbeitenden, aber auch unser Publikum befragt. Passend dazu gab es eine umfangreiche Ausstellung zur Geschichte– auch ein Novum in der Palmengartengeschichte. Ein weiteres Highlight war die Eröffnung des lange projektierten Blüten- und Schmetterlingshauses, das dann wie erwähnt das Leitthema Blüten- und Bestäuberökologie eingeläutet hat. Die Besucherinnen und Besucher wurden anhand des Jubiläumslogos an die Stationen des Leitthemas geführt. Es gab zum Jubiläum weitere Sonderformate wie das Magazin zum Jubiläum, eine Neueinspielung und Aufführung des zur Eröffnung 1871 für das Palmengarten-Orchester komponierten Walzers, eine Neuauflage alter Postkarten vom Palmengarten, historische Sichtachsen im Freiland, die beim Flanieren durch Fotos den Vergleich zwischen Einst und Heute ermöglicht haben, die Pflanzung eines Klimabaums und vieles mehr. An einem zum Jubiläum neu gestarteten Kunstpatenschaftsprogramm zur Restaurierung der historischen Skulpturen im Park haben sich die Bürgerinnen und Bürger genauso begeistert beteiligt wie an der Feedbackwand, an der in Wort und Bild Wünsche für die nächsten 150 Jahre angebracht wurden.

Wie gestalteten sich die Planung und Organisation der Jubiläumsfeier aufgrund der Einschränkungen? Gab es dabei besondere Herausforderungen?

Allerdings! Corona bedingt musste zum Beispiel der Festakt ausfallen. Stattdessen gab es leider nur eine Pressekonferenz mit Überreichung der originalen Gründungsaktie. Auch die Eröffnung der Ausstellung musste mehrfach verschoben werden. Zeitweise war der Garten ganz geschlossen und ein großer Teil der Mitarbeitenden im Homeoffice. Notfallpläne mussten erstellt werden. Wir haben mitgemacht, was alle Publikumseinrichtungen erlebt haben. Ich staune immer noch, wie wir das in diesem besonderen Jahr trotz allem gemeistert haben. Man darf schon sagen, dass es unter diesen Umständen ein besonderes Jubiläum war.

Wurden im Rahmen des Jubiläums spezielle Projekte oder Initiativen ins Leben gerufen, die bis heute fortbestehen?

Ja, die gibt es. Das ist auch grundsätzlich das Ziel aller unsere Aktivitäten, dass sie so gestaltet werden, dass sie über ihren ursprünglichen Anlass hinausweisen und weiterwirken. Das Buch beispielsweise ist keine klassische Festschrift, sondern ein geschichtlicher Band, zu dem man immer wieder gerne greift. Die für die Ausstellung speziell gebauten Wände wurden in den nachfolgenden Ausstellungen wiederverwendet. Die recherchierten Inhalte und Bilder der Dauerausstellung erhielten in kleiner Version einen neuen Ort in der Villa Leonhardi. Die 2021 analog aufgestellten Sichtachsen sind wie die original Jubiläumsaufstellung digital aufbereitet und als Slideshow bzw. Film auf unserer Website verfügbar. Das damals ins Leben gerufene Kunstpatenschaftsprogramm läuft jetzt langsam aus, es hat über 20 Figuren zu neuem Glanz verholfen. Und der zum Jubiläum gepflanzte Klimabaum, eine ungarische Eiche, steht hoffentlich noch die nächsten 150 Jahre. Aus den Überlegungen zum Jubiläum haben wir eine grundsätzliche, neue Programmatik für die Gestaltung unseren botanischen und Kulturprogramms abgeleitet: Qualität vor Quantität, Vertiefung statt Verkürzung, mit Wirkung gleichermaßen nach innen und außen – alles, was wir tun, soll uns als Palmengarten-Mitarbeitende genauso qualifizieren wie unser Publikum.

Welche Rolle spielt der Frankfurter Palmengarten in der botanischen Forschung und Bildung?

Wir tragen mit Pflanzenmaterial, Daten und dem Fachwissen unserer Mitarbeitenden zu Forschungsarbeiten bei, das reicht von Floren und Bestimmungswerken bis hin zu molekularsystematischen Arbeiten, Phänologie oder angewandtem Naturschutz. Grundlage sind vor allem gut dokumentierte Lebendsammlungen. So greifen zahlreiche Arbeiten zu Systematik, Anatomie und Morphologie von Bromelien – eine unserer Schwerpunktsammlungen – auf Pflanzen des Palmengartens zurück. Ein immer wichtigeres Thema ist auch die ex-situ-Erhaltung von Pflanzensippen: Neuerdings tragen wir vermehrt zu Studien bei, die die genetische Vielfalt seltener Arten in botanischen Gärten untersuchen. Und der Botanische Garten ist aktiv an Arterhaltungsmaßnehmen mit Anzucht und Wiederansiedlungen inklusive der begleitenden Forschung beteiligt.

Sammlungen und Wissenschaft sind wiederum beste Voraussetzungen für unsere pädagogischen Angebote. Hier können wir „Botanik zum Anfassen“ für ganz unterschiedliche Zielgruppen anbieten. So haben wir seit 2009 mit „Kinder im Garten“ ein spezielles Programm für Vorschulkinder, bei dem sich Frankfurter Kita-Gruppen mehrere Tage mit Pflanzenthemen beschäftigen. Unser pädagogisches Programm ist curricular angebunden, und Studierende der Fachbereiche Biologie, Geographie oder Gartenbau sind zu Führungen oder Lehrveranstaltungen in unseren Gärten. Das Besondere am Garten als Lernort ist die Pflanzen mit allen Sinnen zu erfahren, das Lebendige. So ist das vermittelte Wissen immer mit Erlebnis verbunden.

Welche seltenen oder besonders interessanten Pflanzenarten können die Besucher im Palmengarten entdecken?

Da ist die Auswahl groß. Besonders publikumswirksam sind botanische Rekordhalter wie Titanenwurz, Tigerorchidee oder Riesenseerose. Aber auch die Welwitschien in unserem Nebelwüstenhaus sind spektakulär, oder die Palmfarne, zu denen unsere älteste Pflanze gehört. Neben einzelnen Arten ist besonders die naturnahe Darstellung tropischer Lebensräume zu empfehlen. Das ist auch 40 Jahre nach Eröffnung des Tropicariums noch etwas Besonderes. Unser Dornwaldhaus etwa gibt einen guten Einblick in die madagassische Flora mit all ihren Besonderheiten, die Säulenkakteen im Halbwüstenhaus, die speziellen Anpassungen der Mangrovenbäume, das ist für Laien und Fachpublikum gleichermaßen beeindruckend. Wir haben ein speziell gekühltes Gewächshaus für die Flora der Subantarktis, das können Sie nur bei uns erleben. Und wer mehr an gärtnerischen Sorten, an Vielfalt durch Züchtung interessiert ist, der kommt bei uns auch bei Pelargonien, Fuchsien, Kamelien und Azaleen auf seine Kosten.

Wie kooperiert der Frankfurter Palmengarten mit anderen botanischen Gärten und Forschungseinrichtungen?

Unter den botanischen Gärten gibt es schon seit mehr als einem Jahrhundert einen weltweiten Austausch von Saatgut und Pflanzen. Mit zahlreichen Gärten in Mitteleuropa haben wir einen intensiven Transfer von Pflanzen und Wissen durch gegenseitige Besuche und die verschiedenen Arbeitsgruppen des Verbands Botanischer Gärten. Über den Verband gibt es auch regelmäßig gemeinsame Ausstellungen. Seit einigen Jahren intensivieren wir mit einem Palmengarten eigenen Programm den Austausch auch über Europa hinaus, vor allem mit dem tropischen Afrika. So waren wir vergangenes Jahr an botanischen Gärten und Universitäten in Benin und Äthiopien, und haben Sammelreisen nach Chile und Argentinien unternommen. Wichtig ist uns gleichermaßen, dass unsere Counterparts in diesen Ländern auch zu uns kommen. Mit Mitteln der Stiftung Palmengarten und Botanischen Garten sowie unseres Fördervereins, der Palmengarten-Gesellschaft, können wir hier unterstützen. So besuchen uns in diesem Jahr zwei Doktorandinnen der Université de Parakou, um bei uns in den gärtnerischen und der wissenschaftlichen Abteilung zu hospitieren. Mit Unis und Forschungsinstituten läuft die Zusammenarbeit meist über gemeinsame Projekte. Oft kommt man über das Interesse an unseren Pflanzensammlungen zusammen.

Gibt es ein besonderes Erlebnis oder eine Anekdote aus dem Palmengarten, die Sie mit uns teilen möchten?

Eine witzige Begebenheit in meiner frühen Anfangszeit ist mir wie keine andere im Gedächtnis geblieben: Eines Abends machte ich meine „Feierabendrunde“ im Garten. Die Sonne stand schön über dem Garten und ich wollte mir die Beetanlagen und das Treiben im Garten etwas genauer anschauen, also „nach dem Rechten sehen“. Unterwegs war ich auf dieser Tour mit meinem privaten Fahrrad und Packtaschen – ich wollte ja anschließend nach Hause fahren. Arbeitskleidung trug ich auch keine und auch sonst hätte mich optisch also nichts als Mitarbeiterin des Palmengartens ausweisen können. So rief mir dann auch sogleich ein Kollege aus dem Besucherservice, der das Gelände zu der Zeit beaufsichtigte, zu sich und erklärte mir sehr ernst und auch leicht aufgebracht, dass man im Palmengarten nicht Rad fahren dürfe. Ich war erst überrascht und fühlte mich auch etwas unwirsch angesprochen, musste dann aber sehr schmunzelnd und trat auf den Kollegen mit einem dicken Lob heran, dass er das gut gemacht und den „Test“ bestanden hätte, als Hüter der Gartenordnung. Er war nun seinerseits verwirrt, freute sich dann aber mächtig, nachdem ich aufgelöst hatte, wer ich bin – bis dato hatten mich noch nicht alle einmal „live“ zu Gesicht bekommen, erkannten mich also auch noch nicht. Seither grüßt er mich dann immer schon von Weitem, wenn ich wieder auf feierabendliche Tour unterwegs bin.

Zum Abschluss dieses Interviews, gestatten Sie mir bitte eine letzte Frage. Welche Pläne und Visionen haben Sie für die Zukunft?

Der Palmengarten wird hoffentlich noch mindestens weitere 150 Jahre in seiner Grundstruktur bestehen, ebenso wie der weitaus ältere Botanische Garten. Und es ist stark anzunehmen, dass die Gärten mit Blick auf den ökologischen Wandel botanisch doch sehr anders gestaltet sein werden. Die Baumveteranen und Pflanzen aus der Gründungszeit werden gealtert oder verschwunden sein. Vielleicht gedeihen dafür klimaresistentere Arten wie ungarische Eichen oder winterfeste Palmarten besser. Wir werden in den Gärten möglichweise einer neuen, wärmeliebenden Insektenpopulation begegnen, mitsamt den nachfolgenden Vogelarten und weiteren gebietsfremden Gruppen.

Was das Bildungs- und Kulturprogramm, aber auch die Bewirtschaftung der Gärten angeht, sehe ich ein riesiges Potenzial in der Digitalisierung. Sie wird eine viel größere Rolle spielen als heute und ganz selbstverständlich eingesetzt werden. Schon jetzt tüfteln wir an einer smarten Bewässerung und auch über Gewächshäuser mit Eigenstromerzeugung denken wir nach. 2100 haben wir sicher auch schon eine Robotik etabliert, die den Gärtnerinnen und Gärtnern bei der Kultivierung der Pflanzen hilft, beim Heben, Tragen, Drehen und Bewässern. Vielleicht erheben sich morgens auch Düngedrohnen über die Pflanzen und verabreichen gezielte Dosen Nährstoffe. Es gibt viele Ideen und Einsatzmöglichkeiten.

In der allernächsten Zukunft, ab 2025, starten wir aber erst einmal mit unserem neuen Leitthema: „Garten der Zukunft“. Hier ist die Zukunft schon Programm. Vor allem wollen wir uns mit nachhaltigem Gärtnern, neuen und alten Garten- und Gartenbaukonzepten, speziell in Hinblick auf Klima- und sozialen Wandel, sowie dem Garten als Biodiversitätshotspot befassen. Hier rücken vor allen Dingen die vielfältigen Lebendsammlungen von Palmengarten und Botanischen Garten in den Fokus. Unsere beiden Gärten beherbergen rund vier Prozent der weltweiten beschriebenen Gefäßpflanzenarten. Unter anderem darüber soll sich dann noch mehr interessiertes Publikum freuen. Und selbstverständlich denken wir dann auch schon die Roboter und Drohnen mit, als Teil eines zukünftigen Kollegiums.

Lesen Sie gerne das Buch zu unserem Jubiläum. Kommen Sie gerne in unsere Stadt, besuchen Sie unseren Palmengarten in Frankfurt am Main und überzeugen Sie sich selbst von unserer Arbeit. Aktuelle Informationen über das Live-Programm, Führungen oder Öffnungszeiten können Sie online nachlesen.

Aktuelles: www.palmengarten.de


Autor/in

  • studierte Verlagswirtschaft, Hobbyhistoriker und Veranstalter in Leipzig. Über ein Jahrzehnt ist er mitentscheidend beim Wiederaufbau des Leipziger Musikpavillons zu einem generationsübergreifenden Treffpunkt. In verschiedenen Engagements setzt er sich für Projekte ein, die einen lokalhistorischen Bezug haben. Ehrenamtliches Mitglied in mehreren Vereinen, Förderer und Jury-Mitglied beim Gert-Triller-Preis für Musikkultur der Leipziger Notenspur e.V.

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