Aus der Presse – Ein Rundgang vor Eröffnung des Palmengartens

Der Leipziger Palmengarten auf dem umfangreichen Areale des alten Kuhthurms macht in seinem Ausbau und künstlerischen wie gärtnerischen Ausgestaltung recht hübsche Fortschritte. Trotzdem wird es, wie wir von Anfang an berichten konnten, nicht möglich sein, die neue reizende Anlage, welche den Besucher in ihrer Blumentracht und mit dem stattlichen Baumbestände jetzt schon die künftige Schönheit ahnen läßt, im Laufe des Sommers fertig zu stellen, obgleich von früh bis Abends viele fleißige Hände hier beschäftigt sind. Doch sind der Arbeiten noch zu viele zu bewältigen. Der an Plagwitz angrenzende kleinere Theil (Ritterwerder), der in der Hauptsache nur Baumbestand aufweist und mit dem großen Plane durch eine massive, die Luppe überspannende Brücke verbunden ist, kann im Wesentlichen als vollendet betrachtet werden; anders aber steht es in dem großen Theile. Zwar schreitet auch das Palmenhaus gut vorwärts, die eisernen Bohlenbänder streben fest und mächtig empor, die Seitenwände werden in Kliebern emporgezogen, doch harren noch gar viele andere Arbeiten hierbei ihrer Beendigung, wie die Glaserarbeiten, die innere Ausstattung ec. Ebenso das Maschinenhaus mit der hohen Esse, die Warmhäuser ec., aber daneben sind immer noch große Erdbewegungen zur Ausschachtung des Teiches, zur Anlage von Blumenbeeten ec. zu bewältigen. Hoffentlich jedoch bringt uns der Herbst auch viele schöne Tage, damit wir sie zum Theil dann in der fertig gestellten Anlage verleben können. [1]

Wenn der Winter, in den wir uns anschicken, einzutreten, vorüber sein wird und neues Frühlingshoffen die Welt erfüllt, dann wird auch der Zeitpunct der Eröffnung des Leipziger Palmengartens gekommen sein. Mit allen Kräften wird auf dem umfangreiche Areale im Westen der Stadt, so lange es die Witterung nur irgend gestattet, gearbeitet, um die herrlichen Anlagen fertig zu stellen und im kommenden Jahre Tausenden von Besuchern die Möglichkeit zu geben, sich an den reichen Naturschönheiten, die das Palmengartenareal bietet, zu ergötzen. Schon jetzt aber wird von Vielen die Frage aufgeworfen, wie weit die Arbeiten im Palmengarten gediehen sind, und diese Fragen mögen auf einem kurzen Rundgange durch die Anlagen, auf den wir die Leser bitten, uns zu begleiten, ihre vorläufige Beantwortung finden.

Betreten wir durch den überaus geschmackvollen Eingang von der Plagwitzer Straße aus den Palmengarten, so befinden wir uns zunächst im ehemaligen Ritterspürchen, das zu einem mit prächtigen Coniferen- und Laubholzgruppen bestandenen Waldpark umgewandelt ist, an dessen Promenadenwegen lauschige Ruheplätzchen zum Verweilen einladen. Wir verlassen den Waldpark und begeben uns über eine in kühnem Bogen geschwungene, durchweg nach dem Moniersystem erbaute, bereits vollständig fertig gestellte Brücke über die Elster nach den eigentlichen gärtnerischen Anlagen des Palmengartens. Was diese Anlagen so entzückend gestaltet, das ist der prächtige alte Baumbestand: wo der Besucher auch weilt, immer begegnen seine Blicke herrlichen Baumgruppen, die den einzelnen Partien und dem Ganzen landschaftlich den größten Reiz gewähren. Fürwahr, es konnte kein günstigerer Platz in der näheren Umgebung Leipzigs für den Palmengarten gefunden werden, bringt doch gerade dieser so recht eigentlich zum Bewusstsein, wie reich an landschaftlichen Schönheiten unsere baum- und waldgesegnete Umgebung ist.

Einen Hauptanziehungspunct der Anlage bildet der große Weiher, an dessen Ufer sich Promenadenwege hinziehen, die in südlicher Richtung zu einer lieblich durch des Gärtners Kunst gestalteten Grotte führen, von deren Anhöhe ein über Tuffsteingruppirungen plätschernder Wasserfall, der Abends elektrisch beleuchtet wird, sich ergießt. Auch die Grotte selbst wird in elektrischem Glanze farbenprächtig erstrahlen. Fast inmitten des großen Weihers sind die Vorrichtungen für die Leuchtfontaine ausgestellt worden, die in ihrer Größe der unvergeßlichen Leuchtfontaine der vorjährigen Ausstellung entspricht, in ihren Farben- und Lichteffecten aber noch vielgestaltiger und mannigfaltiger ausgestattet ist. Ausdrücklich muß hier betont werden, daß man die Leuchtfontaine von allen Seiten bequem sehen kann und daß somit Tausenden von Besuchern ungestörter Genuß in Anschauung der Fontaine gesichert ist. In ausgedehntem Maße wird auf dem Großen Weiher im Sommer dem Gondelsport, im Winter dem Schlittschuhlaufen gehuldigt werden können, auch hierfür sind von vornherein große und bequeme Vorkehrungen durch Anlage von Gondelstationen ec. getroffen worden. Passiren wir im Weitergehen die Brücke, durch die vom großen Weiher ein kleineres Becken abgeschnitten wird, und halten wir uns rechts, so gelangen wir zu dem Rosengarten, der in tausend Spielarten die Königin der Blumen in reichster, entzückender Mannigfaltigkeit zeigen wird, und zu den ausgedehnten Turn- und Spielplätzen, auf denen die Freunde der immer mehr auch bei uns in Ausnahme kommenden Bewegungsspiele im Freien sich nach Herzenslust tummeln können. Weiter nach der Frankfurter Straße zu schließen sich zahlreiche Frühbeet- und Gewächshäuser an; in einem jetzt gleichfalls bereits fertig gestellten Gebäude wird die Orangerie etablirt, in anderen von früher der stehen gebliebenen, gegenüber der Orangerie belegenen Gebäuden hat die Verwaltung des Palmengartens dauernd ihren Sitz aufgeschlagen.

Den baulichen Haupt- und Glanzpunct der ganzen Anlage bildet das Gesellschaftshaus mit seinen Sälen, Veranden und Terrassen und mit daran sich anschließendem, ganz aus Glas und Eisen hergestelltem mächtigen Palmengarten. Hunderte von Werkleuten sind beschäftigt, den umfangreichen, architektonisch herrlich gestalteten Bau seiner Vollendung entgegenzuführen. Herr Baurath Johlige, der die Pläne zu dem Gebäude entworfen hat und der unermüdlich thätig ist, die Weiterführung des Baues zu überwachen, entsprach mit dem Gesellschaftshause hohen künstlerischen und praktischen Anforderungen und hat hier ein Werk geschaffen, für das ihm der bleibende Dank der Bewohner unserer Stadt gesichert ist. Späterer Berichterstattung wird es vorbehalten bleiben, über Einzelheiten des imposanten Baues Näheres in die Oeffentlichkeit zu bringen, jetzt sei nur so viel bemerkt, daß das Gebäude im Aeußeren fertiggestellt ist und daß gegenwärtig an der inneren Ausgestaltung, sowie an der Schmückung des Gebäudes mit allem Eifer gearbeitet wird; so erhält als besonderen Schmuck das Südportal fünf von Lehnert’s Meisterhand modellirte Figuren, welche die Welttheile in vortrefflicher Weise versinnbildlichen. – In dem seitlich vom Gesellschaftshause errichteten Maschinenhause finden zwei Dampfmaschinen mit je hundert Pferdekräften für Kraftentfaltung, Beleuchtungs- und Wärmeanlagen Aufstellung.

Vor dem Gesellschaftshause werden reiche gärtnerische Arrangements, die ein Fontainenbassin einschließen, ausgeführt, so daß beim Eintritt von der Frankfurter Straße aus der Besucher gleichfalls die besten Eindrücke empfängt. Die gesammten gärtnerischen Anlagen sind von einem wohlbekannten, hochgeschätzten Meister der Gartenkunst, Herrn Landschaftsgärtner und Garteningenieur Otto Moßdorf in L.-Lindenau, ausgeführt, und wir sagen nicht zu viel, wenn wir behaupten, daß sie nicht herrlicher hätten gestaltet werden können. Alles in Allem genommen: der Leipziger Palmengarten, so viel läßt sich schon jetzt erkennen, gereicht unserer Stadt Leipzig zur Zierde und Ehre. Möge ihm die volle Gunst der Leipziger Bewohnerschaft zu Theil werden! -g- [2]

Als kaufmännischer Betriebsdirector des Leipziger Palmengartens wird eine in jüngeren Jahren stehende, repräsentationsfähige Persönlichkeit gesucht. Geeignete Bewerber, die organisatorisches Talent besitzen, die modernen Sprachen beherrschen und eine Caution von 10 000 Mark stellen können, wollen schriftliche Offerten mit Angaben über bisherige Thätigkeit und Referenzen an uns gelangen lassen. Leipziger Palmengarten, Promenadenstraße Nr. 1. [3]


[1] Vom Leipziger Palmengarten, in: SLUB Dresden. Leipziger Tageblatt und Anzeiger, 1. Beilage. Frühausgabe vom 24. Juni 1898, S. 4803.

[2] Vom Leipziger Palmengarten, in: SLUB Dresden. Leipziger Tageblatt und Anzeiger. Abendausgabe vom 12. Oktober 1898, S. 7655.

[3] Stellenanzeige, in: SLUB Dresden. Leipziger Tageblatt und Anzeiger. Frühausgabe vom 22. November 1898, S. 8757.


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