Aus der Presse – Die Eröffnungsfeier des Palmengartens

Wohl an fünfhundert Gedecke zählte die glänzende Festtafel, welche heute Abend aus Anlaß der feierlichen Eröffnung des Leipziger Palmengartens im großen Saale des Gesellschaftshauses unter Theilnahme der ersten Kreise unserer Stadt veranstaltet worden war. Zum ersten Male erstrahlte der Festsaal im entzückenden Schimmer der großen elektrischen Kronen und der blendenden Lichter der Bronzearme an den Wänden; dabei trug der Lenz seine herrlichsten Blüthen in leuchtenden Tafelarrangements von Narcissen, Azaleen, Eriken, Schneeball und Flieder in die hohe prunkvolle Halle. Rauschende Musik, von der Capelle des 107. Regiments unter Leitung des königl. Musikdirektors Herrn C. Walther ausgeführt, und mit Gablers Leipziger Palmengarten-Marsch „Unter Palmen“ begonnen, belebte das festliche Mahl, nach dessen erstem Gang Herr Oberbürgermeister Dr. Georgi zuerst der hohen Fürsten gedachte, in deren Händen der Frieden ruht, unseres erhabenen Kaisers und unseres geliebten Königs Albert. Seine Worte fanden begeisterten Widerhall in der festlichen Versammlung.

Hochgeehrte Festversammlung!

Die Palme ist das Symbol des Friedens, und so steht unser Garten im Zeichen des Friedens, er ist aber auch ein Werk des Friedens, denn wie hätten wir schaffen können, wenn nicht die Arbeit des Friedens uns dazu die Mittel gegeben, wenn nicht der Friede uns die fleißigen Hände dazu gelassen hätte, und er ist endlich ein Werk für den Frieden, für die ruhige Erholung nach friedlicher Thätigkeit, für die Annäherung und Befreundung weiter Kreise unserer Bevölkerung. Wie sollten wir da, bei der Eröffnung unseres Werkes nicht zuerst der hohen Fürsten gedenken, in deren Händen der Friede unseres Volkes ruht, die ihn mit ihrem mächtigen Schutze bewahren. Das Sinnen unseres erhabenen Kaisers ist trotz der ungeheueren Macht, die in seine jugendlichen Hände gegeben worden, allezeit darauf gerichtet gewesen, unserem Volke den Frieden zu erhalten, zwar seine Wehr zu Land und See zu stärken, ihm Macht und Einfluß auch in fremden Welttheilen, auch unter Palmen zu erwerben und zu sichern, aber doch immer nur, um unserer friedlichen Arbeit neue Wege zu bahnen, alte zu erhalten. Unser geliebter König, er hat mit seinem nun nahezu 26 jährigen weisen Regimente über unser Land und mit ihm über unsere Stadt die Segnungen des Friedens ausgebreitet, und unser Land erkennt es mit dankbarstem Herzen, was Seine väterliche Fürsorge für die Hebung des Wohlstandes, das Wohlbefinden für alle Kreise gethan hat.

Darum lassen Sie denn das erste Wort auch bei dieser festlichen Versammlung ein Wort innigsten aufrichtigsten Dankes für unsern Kaiser, unsern König sein. Lassen Sie uns in den begeisterten Ruf einstimmen: Hoch lebe unser geliebter deutscher Kaiser, König Wilhelm II. von Preußen, hoch lebe unser geliebter König Albert!

Brausender Hochruf schloß sich an. Eine Reihe weiterer Trinksprüche folgte. [1]

Leipzig, 29. April 1899 – m.

Dr. Otto Robert Georgi wurde 1831 in Mylau im Vogtland geboren. Er besuchte das Gymnasium in Plauen und studierte anschließend Jura in Leipzig, Göttingen und Heidelberg. 1859 ließ er sich als Rechtsanwalt in Leipzig nieder. Von 1863 bis 1866 war er als Sekretär der Handels- und Gewerbekammer tätig, gefolgt von seiner Rolle als Vorsteher des Stadtverordnetenkollegiums von Leipzig zwischen 1870 und 1874. Er war von 1871 bis 1877 Mitglied des Reichstags. 1874 wurde Dr. Georgi zum Vizebürgermeister und 1876 zum ersten Oberbürgermeister der Stadt Leipzig gewählt. Nach seinem Eintritt in den Ruhestand im Oktober 1899 erhielt er den Titel des Königlichen Sächsischen Geheimen Rates und wurde von den Stadtverordneten zum Ehrenbürger der Stadt Leipzig ernannt. Der nach ihm benannte Georgi-Ring trägt seither seinen Namen.

Wir haben schon in kurzen Zügen den Charakter und den Verlauf des am Sonnabend Abend im großen Saale des prächtigen Gesellschaftshauses abgehaltenen Festmahles berühren können. Es waren fröhliche Feststunden, die hier, getragen von einer wirklich aufrichtigen Freude über das Gelingen des schönen und gediegenen Werkes architektonischer und gärtnerischer Kunst, alle Kreise unserer Bevölkerung in einer halbtausendköpfigen Tafelrunde vereinten. Bei dieser Gelegenheit hatte der große wirthschaftliche Apparat des Leipziger Palmengartens zum ersten Male seine Feuerprobe zu bestehen; sie fiel zur vollen Zufriedenheit aus, was um so anerkennenswerther erschien, als die Neuheit des Betriebes an den zum Leiter des Restaurants und aller wirthschaftlichen Erquickungsstätten des Leipziger Palmengartens berufenen Herrn Alw. Hensel ganz besonders hohe Anforderungen stellte. Sein Debüt darf als ein glückliches bezeichnet werden einmal im Hinblick auf die gebotene Speisenwahl, dann auch in Bezug auf die ganz erlesenen Weine, mit deren Lieferung die ersten Häuser Leipzigs betraut worden waren.

Es war ein herrlicher Anblick, als bei dem strahlenden Licht der elektrischen Kronen der reich ornamentirte Prachtsaal erglänzte, als auf den breiten Galerien hunderte von Zuschauern sich drängten, um Zeuge der fröhlichen Einweihungsfeier zu sein, als rauschende Musik der Capelle des 107. Regiments ertönte und inmitten all dieser frohen Bewegung Gruß und Dank in begeisterten Worten ausgetauscht wurde.

Das erste Hoch bei Tafel brachte, wie bereits berichtet, Herr Oberbürgermeister Dr. Georgi auf Kaiser Wilhelm II. und König Albert aus. Ihm folgte der Vorsitzende des Aufsichtsrathes der Actiengesellschaft Leipziger Palmengarten Herr Geh. Commerzienrath Gruner mit einem Trinkspruch auf die Stadt Leipzig, in deren Namen Herr Bürgermeister Justizrath Dr. Tröndlin mit einem Hoch auf den Leipziger Palmengarten und auf das Gedeihen dieses Unternehmens erwiderte.

Wenn eine Stadt, so sprach es Herr Geh. Commerzienrath Gruner aus, begünstigt durch ihre geographische Lage, durch politische Verhältnisse anderen Orten gegenüber den großen Vortheil genießt, sich rascher und kräftiger, namentlich in materieller Hinsicht entwickeln zu können, so liegt in Zeiten der Noth, in Zeiten kriegerischer Verwickelungen doch auch in diesem glücklichen Umstande die Gefahr, ihre mit mühevollem Fleiß und durch die Intelligenz ihrer Einwohnerschaft gesammelten Kräfte um so rücksichtsloser in Anspruch genommen zu sehen. Diese Logik der historischen Thatsache hat sich wohl in keiner Stadt schlagender bewahrheitet, als in unserem Leipzig. Es ist hier nur unter Anderem an die wechsel- und verhängnißvollen Schicksale zu erinnern, die über unser Leipzig während des 30jährigen und des 7jährigen Krieges und unter der Napoleonischen Zwangsherrschaft hereingebrochen sind, um die enormen Leistungen zu bewerthen, die mit eiserner Hand unserer Stadt aufgebürdet wurden.

Und wie hat Leipzig alle diese Drangsale der Zeiten überwunden! Dank seiner thatkräftigen, hellblickenden Bürgerschaft, die den ihr durch das verliehene hochwichtige Meßprivilegium gesicherten Vortheil in richtiger Erkenntniß immer neu zu verwerthen wußte, ist so zu sagen aus den Trümmern ihres früheren Wohlstandes immer wieder ein neues verjüngtes Leipzig entstanden. Aber auch ideale Güter sind hierbei nicht vernachlässigt worden, denn Hand in Hand mit Handel und Industrie entfalteten sich Kunst und Wissenschaft, genährt und gepflegt durch unsere Universität auf Leipzigs Boden zu hervorragender Blüthe.

Diese historischen Thatsachen haben in uns von jeher den festen Glauben Wurzel fassen lassen, daß in Leipzig eine unverwüstliche Lebenskraft wohnt, die ihm eine hoffnungsvolle Zukunft für alle Zeiten sichert. Dieser Glaube ist aber in uns zur Ueberzeugung geworden, in Hinblick auf die bewunderungswürdige Entwickelung unserer Stadt, die sich in den letzten zwanzig bis dreißig Jahren vor unseren Augen, unterstützt durch die segensreiche Thätigkeit von Männern wie Koch, Cichorius, Stephani, Georgi, Tröndlin, vollzogen hat. Der gedeihlichen Weiterentwickelung, der glücklichen Zukunft Leipzigs gilt das Wort: „Wie Deines Waldes stolze Eichen der Windsbraut trotzten, die über sie hinfegte, so trotze Du, mein Leipzig, muthig im Vertrauen auf Dich selbst den Schicksalsstürmen, die Dich umtosen sollten. Bewahre Dir Deinen Opfermuth und den, nicht durch Sonderinteressen getrübten Gemeinsinn, durch den Du geworden, was Du bist und von dem jetzt auch die Schöpfung, deren Geburtstag wir heute feiern, ein jüngstes Zeugniß ist. Bleibe dem großen deutschen Vaterlande unentwegt treue Tochter, unserem Sachsenlande aber die Perle seiner Krone!“ Der Zukunft von Leipzig ein dreimaliges donnerndes Hoch!

Ihm dankte als Vertreter der Stadt Herr Bürgermeister Dr. Tröndlin. Der hochgeschätzte Redner führte aus: Er habe gern den Auftrag übernommen, den Toast auf die Stadt Leipzig zu beantworten, weil er von ganzem Herzen dem Beifall zugestimmt habe, den die die wärmste Liebe zur Vaterstadt bekundenden Worte des Vorredners gefunden, und weil er hoffe, daß sein Vorschlag, auf das Gedeihen des Palmengartens die Gläser zu leeren, die Zustimmung aller Anwesenden finden werde. In herrlicher Vollendung sei das Werk entstanden, dessen Geburtstag wir heute feiern, inniger Dank gebühre den Männern, die um seine Gestaltung sich verdient gemacht, sie könnten mit stolzer Freude sagen: wir haben das Unsere gethan, nun Bürgerschaft Leipzigs thue das Deine. Wenn man sich daran erinnere, wie gern und eifrig im Sommer 1897 die Ausstellung von der Leipziger Einwohnerschaft besucht, daß dieser Besuch Vielen eine liebe Gewohnheit geworden sei, so könne man nicht zweifeln, daß der Palmengarten in den nächsten Monaten sehr stark besucht werde. Aber das sei nicht genug. Hier handele es sich darum, daß sich das Interesse für das Unternehmen dauernd erhalte und immer aufs Neue sich ihm förderlich erweise. Er, Redner, hoffe, daß das so sein werde, und stütze seine Hoffnung vor Allem darauf, daß das Verlangen nach einer Veranstaltung, wie die jetzt vollendete, schon vor langen Jahren lebendig geworden und nicht erstorben sei. Die Redner des Vormittags hätten an die Worte erinnert: „Lipsia vult expectari“ und „was lange währt, wird gut“. Das sei hier gewiß zutreffend. Vor 38 Jahren, im Jahre 1861, habe ein Comité, an dessen Spitze Dr. Victor Carus gestanden, das Kuhthurm-Areal zur Begründung eines der Erholung und belehrenden Unterhaltung bestimmten Unternehmens erbeten, vor 19 Jahren, im Jahre 1880, habe sich ein Comité gebildet zur Errichtung eines zoologischen und Palmengartens. Im Hinblick auf diese Thatsachen dürfe man sich der Hoffnung hingeben, daß das Interesse, das dem Gedanken zugewendet worden sei, nun auch seiner Ausführung erhalten bleibe. Aber auch die Vorzüglichkeit der neuen Schöpfung, die nach Redners Darlegungen in manchen wichtigen Beziehungen von Unternehmungen gleicher Art in anderen Städten sich vortheilhaft unterschied, berechtige zu dieser Hoffnung. Das Kuhthurmgelände habe einen großen Bestand an uralten Bäumen, so daß von Haus aus die Voraussetzungen einer schönen Parkanlage vorhanden gewesen seien, und diese natürlichen Voraussetzungen hätten die Schöpfer der Anlage in geschicktester und glücklichster Weise auszunutzen verstanden. So könne die neue Schöpfung zur dauernden Freude unserer Einwohnerschaft dienen, sie könne aber auch als Stätte wechselnder Ausstellungen u. s. w. zu einem Mittelpuncte der Gartenbaukunst werden. Herr Bürgermeister Dr. Tröndlin schloß unter lebhafter Zustimmung der Festtheilnehmer mit einem Hoch auf das Gedeihen des Palmengartens.

Weiter nahm Herr Director Zils das Wort. Allen, welche an dem schönen und wohlgelungenen Werke betheiligt gewesen und ihre besten Kräfte in den Dienst der guten Sache gestellt, gebühre herzlicher, aufrichtiger Dank. Insbesondere gelte er den Künstlern, die mit der Ausführung der Anlage betraut gewesen, in erster Linie den bauleitenden Architekten, den Herren Schmidt und Baurath J. Johlige, dem Gartentechniker Herrn Otto Moßdorf, dann aber auch dem bauleitenden Ingenieur Herrn Franz Schnelle. Zugleich dürfen alle hier thätig gewesenen Gewerken und braven Handwerksmeister einen wesentlichen Antheil an dem Gelingen des Ganzen in Anspruch nehmen. Es sei noch dankbar zu erwähnen, daß sich auch Gönner und Freunde des Unternehmens gefunden, die ihr Wohlwollen durch werthvolle Stiftungen und Schenkungen an Palmen und sonstigen Pflanzen, eines eisernen Pavillons, eines geräumigen Lusthauses, zu erkennen gegeben. Herr Direktor Zils schloß mit einem dreimaligen Hoch auf die Künstler und Gewerke, auf die Schenkgeber und alle Förderer des Unternehmens.

In humoristischer Wendung legte das Mitglied des Aufsichtsrathes Herr Bankdirector Richard Lindner die freundlichen Beziehungen dar, welche die Damenwelt Leipzigs in idealem Sinne mit dem Palmengarten verknüpfen, und er verband damit den Wunsch, daß die Frauen Leipzigs in ihrer Weise zu berufenen Förderinnen des Leipziger Palmengartens werden möchten. Gegen Schluß der Tafel ließ Herr Gust. Herrmann in beredtem Wort die Unternehmer und Schöpfer des Leipziger Palmengartens leben. Erst nach Mitternacht fand das fröhlich verlaufene Festmahl sein Ende. [2]

Leipzig, 1. Mai 1899 – m.


[1] Die Eröffnungsfeier des Leipziger Palmengartens, in: SLUB Dresden. Leipziger Tageblatt und Anzeiger vom 30. April 1899. Sonntagausgabe, S. 3423.

[2] Die Eröffnungsfeier des Leipziger Palmengartens, in: SLUB Dresden. Leipziger Tageblatt und Anzeiger vom 2. Mai 1899. Frühausgabe, S. 3481.


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