Leipzig, 2. Februar. Am gestrigen Abend hielt der Bezirks-Verein West-Leipzig im Gosenschlößchen zu Plagwitz seine Hauptversammlung ab. Dieselbe wurde in Vertretung des Vorsitzenden Herrn Weyrauch von Herrn Knoll mit einer kurzen begrüßenden Ansprache eröffnet […] Hierauf nahm Herr Handelsgärtner Moßdorf sen. das Wort zu dem zugesagten Vortrag über den „Leipziger Palmengarten“. Die Idee, einen Palmengarten zu schaffen, geht bis in die siebziger Jahre zurück, wo sie schon im Leipziger Gärtner-Verein erörtert wurde. Aber erst 1893 kam die Angelegenheit in Fluß, als gelegentlich der Jubiläums-Ausstellung des Gärtner-Vereins Herr Oberbürgermeister Dr. Georgi das Kuhturmareal als das geeignetste in Vorschlag brachte. Dasselbe war bereits für die Ausstellung von 1884 in Vorschlag gebracht, damals aber wegen der Hochwassergefahr abgelehnt worden. Ein jetzt angefertigter Nivellirungsplan ergab aber, daß dieselbe nur eine illusorische war. Etwaige noch vorhandene Bedenken wurden durch Erhöhung des dem Luppen-Ufer entlang führenden Dammes um 50 cm und durch die neuerbaute große Vorfluthschleuße beseitigt. Das Kuhthurmareal eignet sich für den Palmengarten wie kein zweites, da es einen prachtvollen landschaftlichen Hintergrund und außerordentlich werthvolles altes Baummaterial bietet. Nach der 1893er Gartenbau-Ausstellung wurde daher eine Actiengesellschaft begründet. Die Zeichnung der Actien verzögerte sich etwas, da gegen den neuen Palmengarten von manchen Seiten Bedenken geltend gemacht wurden, namentlich hieß es, der neue Palmengarten wird nur eine neue Kneipe. Dem ist aber nicht so, denn wenn in einem Gartenlocal das Restaurant die Hauptsache und der Garten nur Nebensache ist, so ist das Verhältniß beim Palmengarten, wie aus § 1 der Statuten hervorgeht, gerade umgekehrt. Die Gesellschaft will auch keine hohe Dividende erzielen, sondern nur zu Nutz und Frommen des Publicums eine Erholungsstätte schaffen, die auch als Anziehungspunct für Fremde dienen soll. Die zur Gewinnung von Plänen ausgeschriebene Concurrenz war sehr zahlreich beschickt. Vom Redner wurde in Gemeinschaft mit der Architektenfirma Schmidt und Johlige der endgiltige Plan festgestellt, der dann auch von dem Aufsichtsrath und der Gesellschaft genehmigt wurde.
Hauptgesichtspuncte bei Ausarbeitung desselben waren, daß bei den Bodenbewegungen das alte schöne Baummaterial gewahrt und geschont werde. Es macht sich die Anlegung eines Teiches und einer theilweisen Erhöhung der ebenen Fläche nothwendig, eine Abwechslung zu schaffen, das Gesellschafts- und Palmenhaus mußte möglichst an die Verkehrsstraße zu liegen kommen, das Palmenhaus in seiner Hauptrichtung nach Süden, der Concertplatz mußte in die Nähe des Gesellschaftshauses gerückt werden. Ferner war auch damit zu rechnen, daß das Terrain beim Haupteingang einen Fall von 1,5 m hatte. Allen diesen Umständen ist bei Ausarbeitung des Planes Rechnung getragen worden. An das Gesellschaftshaus schließt sich eine Terrasse von 2m 40cm über dem jetzigen Terrain. Um die Eintönigkeit der ebenen Fläche zu beseitigen, wurden Erhöhungen bis zu 3 m vorgesehen. Es waren 64 000 Kubikmeter Boden zu bewegen, der, um die Kosten zu sparen, nur aus dem Areale selbst genommen wurde. Das Gesammtareal beträgt 189 777 qm, davon entfallen auf den Kuhthurmantheil 157 490 qm, auf den Ritterwerder 32 287 qm; das Gesellschaftshaus ist 1750, das Palmenhaus 1276 qm groß, also größer als das Frankfurter mit 1092 qm. Der Frankfurter Teich ist 8200 qm groß, der Leipziger übertrifft ihn weit, er wird 12 749 qm umfassen; der große Ausstellungsteich hat nur 11 200, der Johannaparkteich 9000, der Schwanenteich 4000 qm. Die Terrasse ist 2055 qm, der Concertplatz 9129 qm groß. Die Wege nehmen 25 088 qm in Anspruch. Man kann 6 km darin spazieren gehen. 123 963 qm sind mit Rasen und Pflanzungen bedeckt. Der Leipziger Palmengarten wird daher einen weit großartigeren Eindruck machen als der Frankfurter. Die Verwaltungsgebäude sind schon vorhanden und werden nur restaurirt und umgebaut. Der alte Saal wird im Wesentlichen erhalten und als Orangerie verwendet, das Kuhthurmgrundstück als alter Gutshof ausgebaut. Im Anschluß an den Concertplotz ist ein Spielplatz vorgesehen, an den sich dann ein Rosengarten anschließt. Kleine Gartenhäuschen dienen zur Ausschmückung des Areals. Nach der Seite des Ritterwerders wird ein zweiter Concertpavillon errichtet. Die elektrische Beleuchtung des Palmengartens ist vorgesehen, ebenso sollen die Fontaine und der vergrößerte Wasserfall elektrisch beleuchtet werden. Die hierfür nöthigen Maschinen werden in einem eigenen schmucken Häuschen untergebracht. Der Ritterwerder ist in einen Waldpark umgewandelt, das Unterholz beseitigt, Rasenflächen hergestellt und Wege durchgeführt. Das dabei gewonnene Land hat bei der Erhöhung des Dammes gegen die Ueberschwemmungsgefahr Verwendung gefunden. Sonst ist wegen der alten Bäume die Bodenbewegung ziemlich Null gewesen. Vom Ritterwerder nach dem Palmengarten führt eine von Herrn Wolle ausgeführte Monierbrücke von 30 m Wölbung über die Elster.
Um den in den Palmenhäusern gewöhnlich vorgefundenen Uebelstand einer zu hohen Temperatur zu beseitigen, werden nur Palmenarten gewählt werden, die keiner so hohen Temperatur bedürfen, so daß sich dieselbe mir auf 15—16 Grad stellen wird. Allenthalben wird Rücksicht darauf genommen, daß hier nicht bloß ein Gewächshaus in Frage kommt, in welchem man Palmen zieht, sondern auch eine Stätte, wo dem Publicum hübsche tropische Bilder geboten werden sollen. Es wird daher auch Sorge getragen, daß das Palmenhaus mit Pflanzen nicht überfüllt wird. Redner schloß seinen hochinteressanten und fesselnden Vortrag mit der Versicherung, daß der Leipziger Palmengarten jedenfalls ein ganz angenehmer Aufenthalt werden wird. An der Hand von Zeichnungen und perspectivischen Aquarellskizzen ging Herr Moßdorf dann noch kurz auf einzelne Details ein. Lebhafter Beifall folgte seinen Ausführungen, und Herr Knoll sprach im Namen des Vereins dem Redner herzlichen Dank aus. Herr Dr. med. Ihle fragte an, ob auch die Anlage einer Gondelstation vorgesehen worden sei, Herr Moßdorf stellte dies in seiner Antwort für später in Aussicht […]
Bezirksverein West-Leipzig, in: SLUB Dresden. Leipziger Tageblatt und Anzeiger vom 3. Februar 1898. Frühausgabe, S. 850.